12. Mai 2003

Bundesinnenminister Schily für Erhalt des Siebenbürgischen Museums

Bundesinnenminister Otto Schily hat sich beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Bundesvertriebenengesetzes am 6. Mai in Berlin für den Erhalt des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim als Landesmuseum ausgesprochen. Dadurch erscheinen die Ankündigungen von Ministerialbeamten der Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM), das Museum in Gundelsheim zu einem „musealen Schaufenster“ herabzustufen, in einem neuen Licht. Bei der Feier in Berlin war der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Volker Dürr, zugegen, dem Schily Unterstützung in der Sache zusicherte. Das Museum in Gundelsheim ist nach Ansicht der Volkskundlerin Irmgard Sedler entscheidend für die erfolgreiche Integration in die neue Heimat.
Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, zeichnete Bundesinnenminister Otto Schily in Berlin mit der Wenzel-Jaksch-Medaille aus. Schily sprach sich in seiner Festrede für die Errichtung eines „Europäischen Zentrums gegen Vertreibungen“ in Berlin aus. Zum geschichtlichen Erbe Europas zähle in besonderer Weise die Erinnerung an die Vertreibungsverbrechen des vergangenen Jahrhunderts. Der Bundesinnenminister befürwortet die Beibehaltung der institutionellen Förderung der Landesmuseen durch den Bund. Mit Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes hätten Bund und Länder 1953 die Verpflichtung übernommen, „das historische Erbe der ehemaligen deutschen Ostprovinzen Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg, Ost- und Westpreußen sowie der historischen Siedlungsgebiete in Ost-, Mittel- und Südosteuropa zu sichern und zu bewahren. In diesen Gebieten befinden sich Zeugnisse deutscher Kultur von unschätzbarem Wert. Sie müssen für kommende Generationen im In- und Ausland erhalten werden. Das wird durch Paragraph 96 sichergestellt.

Bekannte Beispiele seien die Landesmuseen, darunter das Siebenbürgische Museum. „Anders als die Bayern, Brandenburger oder Bremer haben die aus Pommern, Schlesien oder Siebenbürgen stammenden Deutschen keine originär länderbezogene Vertretung für ihre kulturellen Anliegen. Selbstverständlich dürfen auch die Länder nicht aus ihrer Verantwortung zur Wahrnehmung der Aufgaben des Pragraphen 96 BVFG entlassen werden. In erster Linie ist die staatliche Förderung aber eine Aufgabe des Bundes“, betonte Schily.

Mit diesen Aussagen stärkt Schily auch die Position der Siebenbürger Sachsen. Schon bei einem Spitzengespräch am 4. September 2002 mit Volker Dürr, dem Bundesvorsitzenden der siebenbürgischen Landsmannschaft, und dem damaligen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hatte Schily einen „gemeinsamen Weg“, befürwortet, bei dem die Einrichtung des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim nicht beschädigt und ihr Fortbestand gesichert sein werde. Die Entscheidung über die Zukunft des Siebenbürgischen Museums soll also gemeinsam mit den Betroffenen, den Siebenbürger Sachsen, getroffen werden.

Skandal um rückdatiertes Schreiben

Enttäuschung und Resignation unter den Siebenbürger Sachsen hatte die Drohung von BKM-Ministerialbeamten ausgelöst, wonach das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim zu einem „musealen Schaufenster“ heruntergestuft werden soll, siehe Leserbrief in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 2. April 2003. Gerade in den Tagen des personellen Wechsels an der Spitze des BKM hatte Ministerialrat Dr. Jürgen Martens versucht, eine Entscheidung zu Ungunsten der Siebenbürger Sachsen herbeizuführen. Mit Schreiben vom 23. September 2002 hatte er zunächst sein Einverständnis mit einer Verlängerung des Mietvertrages für die Dependance des Siebenbürgischen Museums in der Heilbronner Straße 13 bis Ende 2006 erklärt. In einem inhaltlich gleichlautenden Schreiben, ebenfalls auf den 23. September 2002 datiert, das wenige Tage später beim Trägerverein Siebenbürgisches Museum e.V. einging, verkürzte der Ministerbeamte jedoch die Mietdauer auf das Jahr 2004. Rechtsanwalt Rolf-Dieter Happe, der Vorsitzende des Fördervereins Siebenbürgisches Museum, erklärte gegenüber dieser Zeitung, dass die erste Zusage für den Bund bindend sei. Das nachfolgend eingegangene zweite Schreiben, mit dem die Zusage verkürzt wurde, stelle eine Rücknahme bzw. einen Widerruf der begünstigenden ersten Zusage dar, für die es keine ersichtliche rechtliche Grundlage gäbe. Die Rücknahme bzw. der Widerruf seien von daher nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen unwirksam, betonte der Jurist.

Dennoch kündigte BKM-Ministerialdirektor Knut Nevermann in einem Schreiben vom 25. April 2003 weiter gehende Schritte an, die das Siebenbürgische Museum ab 1. Oktober 2004 zu einem „musealen Schaufenster“ herabstufen, die Förderung des Bundes um zwei Drittel zurückfahren sowie die historisch äußerst wertvollen Sammlungen des Museums zerschlagen bzw. Teile davon in das Museum Europäische Kulturen nach Berlin und in das Donauschwäbische Museum nach Ulm verlagern.

Bürokrarische Willkür: Zweifel am Rechtsstaat

Unter den Siebenbürger Sachsen hatten die angekündigten Maßnahmen, die gegen ihren Willen getroffen werden sollten, zu Empörung und Zweifel an der Rechtssicherheit ihres Staates geführt. Als loyale Bürger dieser Republik haben sie sich vorbildlich integriert und nach Kräften zum Aufbau des Landes beigetragen. Seit Jahrzehnten haben die Siebenbürger Sachsen neben den Regierungen der Bundesländer auch die Bundesregierung als verlässliche Partner zur Seite gehabt. Unter Michael Naumann, der 1998 das neu eingeführte Amt des Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien übernahm, wurde Paragraph 96 des Bundesvetriebenengesetzes jedoch in fataler Weise uminterpretiert. Naumanns ideologisch motivierte Neukonzeption war vor allem gegen die angeblich in der Vergangenheit lebenden Vertriebenen gerichtet und verfolgte staatsdirigistische Ziele. Allerdings trafen die Maßnahmen des BKM auch die Siebenbürger Sachsen mit voller Härte, eine sehr junge, erst in den neunziger Jahren ausgewanderte Generation von Siebenbürger Sachsen.

Durch die kürzlich angekündigte „Abwicklungmaßnahme“ bezüglich des Siebenbürgischen Museums fühlten sich viele Siebenbürger an die kommunistische Willkür in Rumänien erinnert. Dabei sind die Spätaussiedler auf den besonderen Schutz durch den Staat angewiesen. Um so begrüßenswerter sind daher die jüngsten Aussagen von Bundesinnenminister Otto Schily, der eine Fortsetzung der institutionellen Förderung für das Siebenbürgische Museum befürwortet.

Museum ist identitätsstiftend

Das Siebenbürgische Museum spielt eine zentrale Rolle bei der Verortung der Siebenbürger Sachsen, erklärte Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum e.V., gegenüber dieser Zeitung. „Verheimatung findet in einer Welt der Globalisierung in immer neuen historisch bestimmten Formen statt. Für die Verheimatung der jungen Generation der Siebenbürger Sachsen, für ihre Integration in Deutschland, bedarf es der Verlässlichkeit der vertrauten kulturellen Zeichen aus dem siebenbürgischen Daheim, wie es gerade ein Museum bietet“.

Bei der Neuverwurzelung und Integration bedürfe es des Gefühls, dass die mitgebrachten kulturellen Werte von der aufnehmenden Gesellschaft akzeptiert werden, sagte die Volkundlerin. „In diesem Sinne ist das Museum identitätsstiftend für die junge Generation, aber auch den Brückenschlag im europäischen Raum. Diese vitale Zielsetzung unserer Institutionen ist reell und weitsichtig, und sie darf sich nicht kurzfristigen politischen Interessen bugen.“

Die Vorschläge des BKM, wegen mangelnder Besucherzahlen einen neuen Standort zu suchen, habe der Vorstand nicht leichtfertig abgewiesen, stellte die Vorsitzende klar. Das vom BKM vorgeschlagene Gebäude in Ulm wurde besichtigt, diesbezüglich erstellte Pläne eines musealen Gestaltungsbüros überprüft, schon die Räumlichkeiten wären noch geringflächiger als die zur Verfügung stehenden in Gundelsheim gewesen. Gleich zwei Konzepte hatte der Trägerverein dann als Alternative zu einer Verlagerung nach Ulm erarbeiten lassen. Dabei suchten die Siebenbürger Sachsen einen Standort, der dem Inhalt des Museums als Kontext so adäquat wie möglich entgegenkäme. Bereits im September 2000 hatte das Gestaltungs- und Kommunikationsbüro „Jakobi & Zein“ in Stuttgart ein Konzept für Gundelsheim erarbeitet. Zusätzlich erstellte der Kulturwissenschaftler Hans-Jürgen Bock ein Gutachten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die so sehr im Argen lag.

Siebenbürgische Alternativen außer Acht gelassen

Nachdem diese Vorschläge vom BKM abgelehnt wurden, begutachteten im April 2002 Vertreter des Siebenbürgisch-Sächasischen Kulturrrates in Heidelberg ein Objekt, das sich, auch in Anbetracht des angesteebten Anschlusses der siebenbürgischen Institutionen an die Universität Heidelberg, zweckmäßig anbot. Erneut wurde ein kostspieliges Konzept erarbeitet und termingerecht im Juni 2002 an das BKM geschickt.

Als im September 2002 das Spitzengespräche mit Bundesinnenminister Schily und Kulturstaatsminister Nida-Rümelin in Berlin stattfand, war das Gutachten auf seinem Weg über die Schreibtische der Ministerialbeamten noch nicht (!) bei dem Adressanten angekommen. War dies mit Absicht geschehen? Fest steht, dass Ministerialrat Jürgen Martens die siebenbürgischen Alternativvorschläge immer strikt abgelehnt und sich auf fachliche Argumente nicht eingelassen hat. Fest steht auch, dass bei der Verlagerung nach Ulm Stiftungsgründung geplant war, die die Siebenbürger Sachsen, den Trägerverein, aus der Verantwortung gedrängt hätte.

Angesicht der ungelöste Probleme wäre ein klärendes Gespräch mit der neuen Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Christina Weiss, angebracht. Für die Integration der Siebenbürger Sachsen ist das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Rechtsstates unabdingbar.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. Mai 2003, Leitartikel)


Umfrage über Auswirkung der Museums-Diskussion auf Aussiedlerintegration in Deutschland

Weitere Artikel zum Thema Siebenbürgisches Museum:

Siebenbürgisches Museum am Ende oder Anfang, Siebenbürgische Zeitung-Online, 27. April 2003

Bundesregierung will Sammlungen in Gundelsheim zerschlagen, Siebenbürgische Zeitung-Online, 16. April 2003

Totgesagte leben länger, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. April 2003

Siebenbürgisches Museum existenziell bedroht, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. Februar 2003

Förderverein Siebenbürgisches Museum gegründet, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. November 2002

Nach den Bundestagswahlen: Zuversicht in Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. Oktober 2002

Gemeinsame Lösung für Siebenbürgisches Museum angestrebt, Siebenbürgische Zeitung-Online, 9. März 2002

Neue Intervention für Kulturzentrum Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 11. Januar 2002

Kulturzentrum in Gundelsheim als Einheit erhalten, Siebenbürgische Zeitung-Online, 24. November 2001

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.