24. Mai 2004

Martin Lorenz: letzter Hüter der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiedekunst

Der siebenbürgische Trachtenschmuck ist in der internationalen Fachwelt eine anerkannte Größe. Martin Lorenz hat das Handwerk in den vierziger Jahren in Hermannstadt erlernt und aus Traditionsliebe auch in der neuen Heimat, namentlich in Augsburg, fortgeführt. Heute ist der 75-Jährige nach eigenem Bekunden der letzte Goldschmied, der siebenbürgisch-sächsischen Trachtenschmuck herstellt. Seine Pretiosen sind beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl erhältlich.
Seine außerordentliche handwerkliche Begabung und Liebe zur siebenbürgisch-sächsischen Kultur ließen ihn zum letzten Hüter der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiedkunst werden. Am 15. Februar 1929 in Hermannstadt geboren, besuchte Martin Lorenz die Höhere Gewerbeschule und machte eine vierjährige Lehre als Goldschmiedehandwerker bei der Firma Rudolf Mayerbüchler, 1947 legte er ebenfalls in Hermannstadt die Gesellenprüfung ab. Zunächst war es möglich, eine Werkstatt im Hause seiner Eltern zu betreiben und - nach dem Militärdienst als Arbeitssoldat - von 1954 bis 1956 sogar selbstständig zu arbeiten. 1956 verschärften die kommunistischen Behörden jedoch ihre Vorgaben, so dass Lorenz in der Berufsgenossenschaft "Tehnica Noua", in Hermannstadt arbeiten musste. 1971 legte er hier die Meisterprüfung ab, 1979 wanderte er mit seiner Familie aus. In Hermannstadt galt er als bester Goldschmied und gab das Handwerk an zahlreiche Lehrlinge weiter.



Der Goldschmiedemeister Martin Lorenz. Foto: Petra Reiner
Der Goldschmiedemeister Martin Lorenz. Foto: Petra Reiner
Mit seiner Frau und den beiden Kindern ließ sich Lorenz bewusst in Augsburg nieder, der berühmtesten Goldschmiedestadt des Reiches vom 16. bis 19. Jahrhundert, konkurrenzlos in der Qualität und Vielfalt ihrer Erzeugnisse. Auch hier wurde der Hermannstädter binnen kurzer Zeit ein angesehener Fachmann. Beim bekannten Juwelier Hörl war er von 1979 bis 1980 als Goldschmiedemeister tätig, geschätzt für "seine großen Kenntnisse für Gravuren und Fasserarbeiten", wie es im Arbeitszeugnis heißt. Von 1980 bis 2002 betrieb er ein eigenes Geschäft als Juwelier und Goldschmiedemeister in Augsburg-Lechhausen. In der neuen Heimat war vorwiegend moderner Schmuck gefragt, teilweise mit teuren Edelsteinen verziert, aber auch Wohnzimmer- und Küchenuhren rüstete der Meister mit Quarzwerken um. Seine Frau Rita stand ihm dabei stets zur Seite, gleichzeitig war auch seine Tochter Christa Lorenz in der Werkstatt und im Geschäft tätig. Eine besondere Würdigung erfuhr Lorenz beim 125-jährigen Jubiläum der Gold- und Silberschmiedeinnung Schwaben/Augsburg am 11. November 1993. Höhepunkt der Gala war eine perfekt inszenierte Schmuck-Show der aktiven Gold- und Silberschmiede. Unter den vorgestellten Pretiosen war der siebenbürgische Trachtenschmuck von Martin Lorenz eine besondere Attraktion. Von ihm angefertigte Heftel und Patzel wurden sogar in der Fachpublikation "GZ - Goldschmiede und Uhrmacher Zeitung. European Jeweler", abgebildet.

Dem siebenbürgisch-sächsischen Trachtenschmuck konnte sich Martin Lorenz mit Nachdruck seit Anfang der achtziger Jahre widmen. Bereits in Hermannstadt hatte er das Glück, dass viele siebenbürgische Schmuckgegenstände in Reparatur gegeben wurden und somit in seine Hände gelangten. Er fotografierte sie, fertigte als sehr guter Zeichner Skizzen davon an, die ihm sodann als Vorlage dienten. "Ich arbeite nur nach alten siebenbürgischen Modellen und Vorlagen, die sind alle originell und nicht neu erfunden", betont der Meister. "Man muss schon was verstehen von der Gravierkunst, um Trachtenschmuck herzustellen". Lorenz fertigt hauptsächlich Bockelanhänger, Broschenanhänger, Patzel, Heftel, Brillant- und Diamantrosenringe an.



Heftel aus vergoldetem Silber, eingefasst mit Granaten, Amethysten, Türkisen und Zuchtperlen. Arbeit von Martin Lorenz aus dem Jahr 1992.
Heftel aus vergoldetem Silber, eingefasst mit Granaten, Amethysten, Türkisen und Zuchtperlen. Arbeit von Martin Lorenz aus dem Jahr 1992.
Ein wertvolles Patzel schenkte Lorenz Mitte der neunziger Jahre dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim. Das Schmuckstück ist in der traditioneller Form einer Schleife gearbeitet, besteht aus Silber, ist vergoldet und mit fünf echten Rubinen im Cabochon-Schliff sowie sechs Süßwasserperlen verziert. Es hängt an einer silber-vergoldeten Erbsenkette. Die Patzeln wurden früher vorwiegend als Broschen getragen. Bereits im 17. Jahrhundert trugen die Patrizierinnen anstelle des großen, schweren Brustheftels ein kleines, zierliches "Patzel", aus Gold oder vergoldetem Silber, oft in Schleifenform, mit Farbsteinen, Barockperlen und Emaille verziert.

Mit Martin Lorenz wird möglicherweise auch ein Teil der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiedekunst verloren gehen. Wie könnte man das Kunsthandwerk auf die nächste Generation übertragen? "Da müsste ich jemanden anlernen und in die Geheimnisse des Kunsthandwerks einweisen", erklärt der 75-jährige Renter, der noch geistig rege ist und über eine ausgezeichnete Sehkraft verfügt. Seit zwei Jahrzehnten ist er zu Pfingsten jeweils mit einer Verkaufsausstellung in Dinkelsbühl präsent, und zwar im Katholischen Pfarrheim neben dem Münster St. Georg.

Sein Sohn Edgar, 1962 in Hermannstadt geboren, erregte 1998 großes Aufsehen durch die Entdeckung von 250 Dinosaurier-Eiern und einem Dinosaurier-Skelett in Aix en Provence. Er gehörte zum Forschungsteam, das die hervorragend erhaltenen Fossilien freilegte und konservierte. Edgar hatte nach dem Abitur am Holbein-Gymnasium in Augsburg eine fachliche Ausbildung beim renommierten Goldschmiedemeister Schmedding in Augsburg genossen, wechselte dann als Goldschmied und Designer nach Pforzheim und wirkt heute als diplomierter Paläontologe in Frankreich.

Siegbert Bruss


Fotoalbum: Wirken und Schmuck des Goldschmiedemeisters Martin Lorenz

Audio: Martin Lorenz spricht über die siebenbürgisch-sächsische Goldschmiedekunst. Zum Hören der Audiodatei benötigen Sie einen RealPlayer.

Schlagwörter: Goldschmied, Trachtenschmuck

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