30. November 2013

Goldschmied Martin Lorenz hat wertvolles Kulturgut bewahrt

Martin Lorenz hat als hervorragender Kunsthandwerker sein ganzes Können und seine Liebe dem Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiedekunst gewidmet. Aufgrund von Original-Vorlagen, die er in Hermannstadt aufgezeichnet hatte, fertigte er seit den achtziger Jahren Patrizierschmuck an, der eine große Verbreitung unter den Siebenbürger Sachsen in Deutschland fand. Er starb am 15. April 2013 im Alter von 84 Jahren in Augsburg.
Martin Lorenz wurde als Sohn von Anna Lorenz (geborene Dengel) und Georg Lorenz am 15. Februar 1929 in Hermannstadt geboren. Aus den Aufzeichnungen seines Sohnes Edgar, die der Redaktion vorliegen, geht hervor, dass die Besuche bei elterlichen Verwandten im naheliegenden Kleinscheuern eine prägende Wirkung auf ihn hatten. Hier erfreute sich Martin Lorenz an den Gemeindefesten mit Leuten in siebenbürgisch-sächsischer Tracht. Seine besondere Begabung in Zeichnen, Schönschreiben und Handarbeiten veranlasste seine Mutter, den damals Vierzehnjährigen 1943 zunächst bei einem Feinmechaniker vorzustellen und dann bei der Uhren-, Schmuck- und Optik-Firma Rudolf Mayerbüchler. Während einer vierjährigen Goldschmiedelehre eignete er sich hier ein sehr gutes Fachwissen an und besuchte parallel dazu abends die Höhere Gewerbeschule in Hermannstadt. 1947 bestand er die Gesellenprüfung, arbeitete als Geselle bei der Firma Mayerbüchler weiter und betrieb eine Werkstatt im Hause seiner Eltern.

Der Goldschmied Martin Lorenz (1929-2013) ...
Der Goldschmied Martin Lorenz (1929-2013)
Nach dem Militärdienst als Arbeitssoldat (1951 bis 1953) machte sich Martin Lorenz selbständig, musste aber – als die kommunistischen Behörden den Verkauf und Handel mit Gold und Silber verboten – zusammen mit anderen Kollegen in die Berufsgenossenschaft „Tehnica Nouă“ in Hermannstadt ­einziehen. Trotz dieser Einschränkungen beherrschte er sein Fach hervorragend, insbesondere seine Edelsteinfassarbeiten und Handgravuren auf Metall, welche sonst in Hermannstadt seltener praktiziert wurden, brachten ihm einen guten Ruf. 1971 erwarb er den Meistertitel und bildete zahlreiche Lehrlinge aus, darunter seinen Bruder Richard und seine Tochter Christa.

1979 wanderte er mit seiner Frau Rita Johanna, geborene Haupt, und den beiden Kindern aus und ließ sich bewusst in Augsburg nieder, der berühmtesten Goldschmiedestadt des Reiches vom 16. bis 19. Jahrhundert. Beim bekannten Juwelier Hörl war er von 1979 bis 1980 als Goldschmiedemeister tätig, geschätzt für „seine großen Kenntnisse für Gravuren und Fasserarbeiten“, wie es im Arbeitszeugnis heißt. Von 1980 bis 2002 betrieb er ein eigenes Geschäft als Juwelier und Goldschmiedemeister in Augsburg-Lechhausen, unterstützt von Frau und Tochter. Unter seinen Kollegen in Augsburg war er als herausragender Kunsthandwerker sehr geschätzt.

Dem siebenbürgisch-sächsischen Trachtenschmuck konnte sich Martin Lorenz mit Nachdruck seit Anfang der achtziger Jahre widmen. Erst in Deutschland war es möglich, Edelmetall dafür zu verwenden. Bereits in Hermannstadt hatte er viele siebenbürgische Schmuckgegenstände, die in Reparatur gegeben wurden, fotografiert oder als guter Zeichner Skizzen davon angefertigt. Nach diesen Vorlagen, die alle originell und nicht neu erfunden waren, arbeitete er in Augsburg. Es entstanden vorwiegend Broschen- und Bockelanhänger, Patzel, Rosenringe, Heftel und Spangengürtel, jeweils in Silber oder Gold, mit Perlen und Edelsteinen. Die mit seinem Meisterzeichen „ML“ punzierten Objekte bot er, zusammen mit seiner Frau, über zwei Jahrzehnte lang beim alljährlichen Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl an.

Patzel, hergestellt von Martin Lorenz, mit ...
Patzel, hergestellt von Martin Lorenz, mit Smaragden, Rubinen und echten Barockperlen, in vergoldetem Silber.
Nach eigenem Bekunden war er der letzte Goldschmied, der siebenbürgisch-sächsischen Trachtenschmuck hergestellt hat. Eine besondere Würdigung erfuhr Martin Lorenz beim 125-jährigen Jubiläum der Gold- und Silberschmiedeinnung Schwaben/Augsburg am 11. November 1993. Höhepunkt der Gala war eine perfekt inszenierte Schmuck-Show der aktiven Gold- und Silberschmiede. Unter den vorgestellten Pretiosen war der siebenbürgische Trachtenschmuck von Martin Lorenz eine besondere Attraktion. Von ihm angefertigte Heftel und Patzel wurden sogar in der Fachpublikation „GZ – Goldschmiede und Uhrmacher Zeitung. European Jeweler“ abgebildet.

Von 2002 bis 2011 stellte er auch als Rentner mit viel Spaß siebenbürgischen Schmuck her. Dafür richtete er sich zu Hause eine Werkstatt ein. Viel Freude hatte er an seinem Enkelkind Marcus, den seine Tochter Christa 2009 gebar, mit dem er gerne seine Freizeit verbrachte. Martin Lorenz starb am 15. April 2013, durch eine ältere Krankheit geschwächt, an einer Lungenentzündung in Augsburg. „In weiten Kreisen vermisst man diesen lieben, gefühlsvollen, hilfsbereiten und freundlichen Menschen“, schreibt sein Sohn Edgar Lorenz, der ebenfalls das Goldschmiedehandwerk erlernte, eine Zeitlang als diplomierter Paläontologe in Frankreich lebte, bevor er 2007 nach Neusäß zurückkehrte. Martin Lorenz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der siebenbürgisch-sächsische Trachtenschmuck unter seinen Landsleuten verbreitet und in der internationalen Fachwelt eine anerkannte Größe wurde.

Siegbert Bruss

Online-Fotoalbum:
Wirken und Schmuck des Goldschmiedemeisters Martin Lorenz

Audio-Datei:
Martin Lorenz spricht über die siebenbürgisch-sächsische Goldschmiedekunst.

Zum Hören der Audiodatei benötigen Sie einen RealPlayer.

Schlagwörter: Kultur, Nachruf, Hermannstadt, Goldschmied

Bewerten:

14 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.