6. August 2001

Studie über Tourismus in Rumänien

Ziel dieser Studie: Die Erstellung einer Marketingkonzeption für die Tourismusbranche in Rumänien - insbesondere für Hermannstadt und Umgebung sowie der Moldau.
Kürzlich fand an der FH München eine Sonderveranstaltung des Fachbereichs Tourismus in Zusammenarbeit mit der Hanns Seidel Stiftung zum Thema "Vermarktung der Destination Rumänien in Deutschland" statt. Anlass dazu war die Veröffentlichung einer Studie zu diesem Thema, die von Visit Romania, Carlson Wagonlit, Bukarest sowie der dortigen Dependance der Hanns Seidel Stiftung angeregt worden war. Verantwortlich für die Durchführung der Studie zeichnen Olivia Bucur und Dagmar Filker - beide in Rumänien geborene BWL-Studentinnen -, die das Projekt im Rahmen ihres Studiums durchgeführt hatten, sowie Professor Uwe Schulte als Koordinator. An der Tagung nahm auch der rumänische Tourismusminister Dan Matei Agathon teil, der eine Rede zum Thema der deutsch-rumänischen Beziehungen aus touristischer Sicht hielt.

Ziel der Studie war die Erstellung einer Marketingkonzeption für die Tourismusbranche in Rumänien - insbesondere für Hermannstadt und Umgebung sowie der Moldau. Kurz- bis mittelfristig sollten die konkreten Maßnahmen dieses Konzepts zu einer Verbesserung der touristischen Infrastruktur in Rumänien führen und die ökonomische Entwicklung der beiden Regionen fördern. Zu diesem Zweck wurde zuerst das Tourismusland Rumänien mit seinen Stärken und Schwächen analysiert, ehe man im zweiten Teil eine Umfrage unter den Anbietern von Rumänien-Reisen auswertet.
Mitte der 60er Jahre begann Rumäniens Aufstieg im Bereich des Pauschaltourismus - besonders in der Schwarzmeerküstenregion. Als dann der Massentourismus in den siebziger Jahren einsetzte, wurde Rumänien zu einem Zielland mit sehr hohem Tourismuszufluss aus den wichtigsten europäischen Märkten, vor allem aus Deutschland. In den achtziger Jahren jedoch hatte der Tourismus erheblich unter der isolatorischen Politik des Ceausescu-Regimes zu leiden, und seit dem Umsturz verlor das Land - hauptsächlich aufgrund der negativen Berichterstattung im westlichen Europa - immer mehr an Image.
Zusätzlich zu dem fügen die Verfasserinnen Umfragen unter ausländischen Touristen an, die ergeben haben, dass Rumänien - trotz eines sehr großen touristischen Potenzials - nicht die Anforderungen des externen Marktes erfülle. Als Hauptprobleme werden die Wirtschaftskrise und der Verfall der technisch-materiellen Einrichtungen angeführt. So befänden sich die Hotels und Restaurants in einem "ausbaufähigen" Zustand und spiegelten den Mangel an Neuinvestitionen wider. Obwohl in den letzten Jahren sichtbare Fortschritte erzielt wurden, entspreche die Infrastruktur nur zum Teil den Erwartungen anspruchsvoller ausländischer Gäste. Es wurde festgestellt, dass die rumänischen Angestellten der Tourismusbranche nicht ausreichend auf die Wünsche der ausländischen Gäste eingehen und demzufolge auch der Service internationalen Standards nicht immer gerecht werde. Weitere Schwächen seien in der Beherbergungsqualität sowie in der Zugänglichkeit des Landes zu suchen.
Nichtsdestoweniger wurden letztes Jahr über 5,2 Millionen ausländische Individual- und Pauschaltouristen in Rumänien registriert, was einen Anstieg von 0,8 Prozent gegenüber 1999 bedeutet; aus Deutschland kamen 255 000 Gäste (4,8 Prozent des Gesamtvolumens), ihr Anteil wuchs im Vergleich zum vorangegangenen Jahr überproportional um 2,5 Prozent. Die rumänische Tourismuswirtschaft trug mit über 600 Millionen Euro Umsatz 2 Przent zum BIP (Bruttoinlandsprodukt) bei. Trendforscher sagen für das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends voraus, dass Qualität (der Umwelt, des Services, der Unterhaltung, der Hotels und der Infrastruktur) ein herausragender Erfolgsfaktor für Destinationen werden wird; einige Länder - darunter auch Rumänien - könnten mit zweistellige Zuwachsraten rechnen.
Bucur und Filker sind der Ansicht, dass dem Marketing innerhalb des Aufgabenbereichs eines touristischen Unternehmens eine entscheidende Rolle zukommt, um mehr Touristen ins Land zu locken bzw. diese dazu zu bewegen, länger zu bleiben und demzufolge auch mehr Geld auszugeben. Aufgabe des Marketings sei es, das negative Image Rumäniens im Ausland zu korrigieren. Dabei galt das Land in den 1970-er Jahren als familienfreundliche Destination mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Heutzutage sehe die Realität leider so aus, dass viele Anbieter ihr Rumänienprogramm reduziert (NUR) bzw. ganz aus ihrem Angebot genommen haben (IST und TUI).
Eine Trendwende zum Positiven zeichnet sich - so eine Feststellung der Autorinnen - seit dem Amtsantritt der sozialdemokratischen Regierung Ende letzten Jahres ab: Wichtige Rahmenbedingungen sind geschaffen worden, um das traditionelle Touristikland für die internationalen Anforderungen und für den Wettbewerb im europäischen Markt fit zu machen. Mit der Ausgliederung des Bereichs Tourismus aus dem Wirtschaftsministerium und der Schaffung eines eigenen Ressorts sollte ein Zeichen gesetzt werden. Hiervon erhoffen sich die Verantwortlichen eine Verkürzung der Entscheidungswege und eine effizientere Kommunikation mit den in- und ausländischen Partnern. Des Weiteren sei die Vorantreibung der Privatisierung eines der Hauptanliegen des neu geschaffenen Tourismusministeriums.
Um ihre Studie auf eine breitere wissenschaftliche Basis zu stellen, wurden von Bucur und Filker Fragebögen versandt, die die Meinung der Anbieter zum Thema "Vermarktung der Destination Rumänien im Ausland" herausfinden sollten. Es wurden 34 Fragebögen verschickt, von denen zwölf ausgewertet werden konnten. Zu denken gibt die Tatsache, dass zwei Drittel der Reiseveranstalter nicht annehmen, ihre Kunden könnten ein zweites Mal eine Rumänienreise durchführen. Die drei interessantesten Zielgebiete sind laut Meinung der Anbieter die Schwarzmeerküste mit dem Donaudelta sowie Hermannstadt und die Westmoldau. 75 Prozent waren der Ansicht, dass von seiten der rumänischen Tourismusbehörden mehr getan werden müsse, um die Destination Rumänien bekannter zu machen und die Aufmerksamkeit der Touristen auf sich zu lenken. Für den Großteil der befragten Unternehmen ist Rumänien ein ideales Ziel für geführte Bustouren und Studienreisen. Die Zielgruppen, die sich am deutlichsten heraus kristalisierten, waren aktive 50- bis 60-Jährige und Familien mit Kindern.
Die Autorinnen sind der Ansicht, dass nicht die Wiederbelebung des Massentourismus an der Schwarzmeerküste erste Priorität haben dürfe, sondern die Konzentration auf touristische Nischenangebote, die Rumänien vom Rest der Tourismusländer abheben und seine Einzigartigkeit betonen. Ganz besonders würde sich der kulturelle Tourismus in der Moldau sowie in Hermannstadt dazu eignen. Die orthodoxen Klöster als zu den"wertvollsten Kulturgütern Rumäniens" gehörig würden die Moldau zu einem interessanten Reiseziel machen. Hermannstadt wiederum - so die Verfasserinnen - sei ein "Musterbeispiel deutscher Kultur in Siebenbürgen" und ein Schmelztiegel dreier verschiedener Kulturen und Sprachen. Dies müsse auch im Tourismus vermarktet werden. Wie in der Moldau und anderen Regionen Rumäniens müsse die Initiative aber von der Bevölkerung ausgehen und von leitenden Personen in Städten, Bezirken oder Verbänden angeregt und unterstützt werden.
In ihrer Schlussbetrachtung kommen Bucur und Filker zu der Ansicht, dass sich Rumänien erst am Anfang seiner touristischen Neuorientierung befinde. Mangelnde Infrastruktur und hohe Arbeitslosigkeit seien Probleme, mit denen sich das Land noch einige Jahre auseinandersetzen müsse. Für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen wären höhere Investitionen langfristig unumgänglich, doch sei die touristische Entwicklung nicht ausschließlich hiervon abhängig, sondern es gebe zahlreiche Möglichkeiten, das Umfeld mit geringem Aufwand positiver zu gestalten. Mit Kreativität, Eigeninitiative und Innovation könnten sichtbare Fortschritte erzielt werden. Für Verbesserungen in der Servicequalität seien ebenfalls keine hohen finanziellen Mittel notwendig. Unbedingte Voraussetzung aber seien, so die Autorinnen, motivierte Mitarbeiter, die sich mit ihrem Aufgabenbereich identifizieren.
Da es sich auf Dauer kaum verwirklichen lassen dürfte, für alle Touristen gleichermaßen interessant zu sein, müsse sich Rumänien auf seine Stärken (unberührte Landschaft, historische Sehenswürdigkeiten, Kulturerbe und Gastfreundschaft) besinnen und sich darauf konzentrieren, wie diese langfristig eingesetzt werden könnten, um die anvisierten Zielgruppen anzusprechen.

Christian Zgârdea


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