28. März 2005

Die Chancen der Wende besser nutzen

Ein musikwissenschaftliches Symposium veranstaltete die Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e.V. (GDMSE) am 19. Februar im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses in München. Die Gesellschaft besteht nun seit mehr als 20 Jahren und setzt sich für die Erforschung, Pflege und Bekanntmachung der Musikkultur der Deutschen in und aus den südosteuropäischen Ländern ein. Dabei handelt es sich u.a. um die Kultur der Siebenbürger Sachsen, Banater und Donauschwaben sowie der Ungarndeutschen.
Im Mittelpunkt der Tagung stand die Rolle der „Musik als interkultureller Dialog“ in solchen europäischen Räumen, in denen mehrere Nationalitäten seit Jahrhunderten – meist friedlich – nebeneinander lebten und teilweise noch leben.

Wie dies in der Musikkultur in den Herkunftsgebieten der Schwaben und Sachsen war, kann man in einigen wissenschaftlichen Arbeiten nachlesen. Etwas schwieriger stellt sich die Situation der Musikkultur dieser deutschen Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler hier in Deutschland dar. Wo beginnt die Integration und wo hört die eigene kulturelle (auch deutsche) Identität auf? Bekanntlich hat sich die Situation auf diesem Kultur- und Forschungsgebiet in der Bundesrepublik speziell nach 1998 durch die „Streichkonzerte“ der jetzigen Bundesregierung sehr verschlechtert: Institute wurden aufgelöst, über Nacht umgewandelt, Förderungen wurden gestrichen, Projekte werden zurückgewiesen und eine systematische wissenschaftliche Forschung kann nicht mehr gewährleistet werden. Selbst in den USA ist das Interesse an der Musikkultur deutscher Minderheiten in Südosteuropa mittlerweile größer als in Deutschland, wie zahlreiche Symposien in New York oder die Dissertationen junger amerikanischer Forscher belegen.

Umso erfreulicher ist es, dass die Bayerische Staatsregierung solche wissenschaftliche Vorhaben im Rahmen der immer enger werdenden finanziellen Möglichkeiten unterstützt. Unterstützung kam auch von der Landsmannschaft der Banater Schwaben, ging es doch in vielen Referaten um die Musikkultur deutscher Minderheiten im historischen Banat. Die Eröffnungsansprache hielt Dr. Hartmut Singbartl, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung. Er wies nicht nur auf die Bedeutung der Musikkultur der Vertriebenen und Aussiedler in unserem Land hin, sondern auch auf die Notwendigkeit, diese besser kennen zu lernen. Im Freistaat Bayern lebt ein großer Teil der Deutschen aus Südosteuropa und nach Möglichkeit wolle man auch weiterhin deren Kultur fördern.

Prof. Dr. Friedrich W. Riedel (Mainz, Sonthofen) ging in dem Eröffnungsreferat auf die „Musikalischen Verbindungen zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Königreich Ungarn im 18. Jahrhundert“ ein. Diese Beziehungen bestehen durch die Verbindungen des ungarischen Arpadenhauses zu Bayern schon seit tausend Jahren. Dr. Klaus-Peter Leitner (Strube-Verlag, München) sprach zum Thema „Östlich von Wien. Die Wirkung der Wiener Schulen im östlichen Europa aufgezeigt anhand ausgewählter Musikbeispiele des 18. bis 20. Jahrhunderts“. Der Münchner Strube-Verlag hat in den letzten Jahren zwei interessante CDs mit dem Hermannstädter Bachchor herausgebracht, die vorgestellt wurden. Zudem zog Dr. Leitner deutliche Parallelen zu der bayerischen sowie der baden-württembergischen Musikforschung. Die Erforschung der südosteuropäischen Musikkultur befinde sich auf einem guten Weg, wenn man von einzelnen „Sackgassen“ absehe, die in einer regionalen Musikschreibung vermieden werden sollten. Aber ähnliche Schwierigkeiten gibt es auch im Bezug auf Sparten der bayerischen oder baden-württembergischen Musikforschung.

Hildegard Barth (Sankt Georgen) ließ die 20-jährige Geschichte der Gesellschaft für Deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa Revue passieren. Das künstlerische Niveau dieser Einrichtung könne sich sehen und hören lassen, immer mehr Jugendliche nehmen an den Veranstaltungen teil. Zahlreiche im Banat oder in Siebenbürgen entstandene Werke werden erstaufgeführt, zeitgenössische Komponisten aus Rumänien und Deutschland widmen den Ensembles der Musikwoche neue Kompositionen und jedes Jahr kommen junge Musiker (Studenten und Schüler) aus Rumänien hinzu.

Dr. Franz Metz (München), Initiator und Leiter dieses Symposiums, sprach über „Südosteuropäische Musikforschung und die Musik der deutschen Minderheiten“. In den letzten Jahren – besonders nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – bestehen neue Möglichkeiten, die Musikgeschichte der deutschen Minderheiten Südosteuropas zu erforschen. Was von Deutschland aus als „südosteuropäisch“ betrachtet wird, hat seine Ursprünge oft in der mitteleuropäischen – also auch deutschen – Kulturgeschichte. Selbst die rumänischen Kulturschaffenden um 1848 sehnten sich nach der Walzermusik von Johann Strauss, um die türkische Musik aus dem Land zu verdrängen. Nach all den im letzten Jahrhundert gescheiterten Versuchen bestünde nun die Möglichkeit, auch die Musik der deutschen Minderheiten wissenschaftlich zu erforschen. Bisher wurde keine andere südosteuropäische Volksmusik so wenig untersucht wie die der Banater Schwaben oder Siebenbürger Sachsen. So kann die rumänische, ungarische und serbische Ethnomusikologie dieses Raums unvergleichlich mehr vorweisen als jene der deutschen Minderheiten. Selbst die in Deutschland befindlichen Archive und Sammlungen warten noch auf ihre wissenschaftliche Auswertung.

Horst Gehann (Kludenbach) päsentierte die Arbeit seines eigenen Verlags in dem Vortrag „Deutsche Sprachinseln in Südosteuropa, ihre Musikpflege und schöpferischen Leistungen in der Reihe Musikgeschichtliche Studien und in praktischen Ausgaben“. Prof. Dr. Helmut Loos (Leipzig) sprach über „George Enescu und Deutschland“, wird doch in diesem Jahr des 50. Todestags und 175. Geburtstags Enescus gedacht. Peter Szaunig (Bad Wörishofen) stellte das aus Siebenbürgen stammende Wunderkind Carl Filtsch vor, nach dem vor zehn Jahren der Hermannstädter Klavierwettbewerb benannt wurde. Szaunig gehört neben Prof. Walter Krafft in München zu den Initiatoren dieses Wettbewerbs. Dr. Richard Witsch (Köln) referierte über einen Komponisten aus der Batschka, den Donauschwaben Anton Schoendlinger. Johannes Kirner (München) sprach über eine Messe von Karl Ditters von Dittersdorf, die der Komponist als Großwardeiner Kapellmeister geschrieben hatte und die kürzlich im Stuttgarter Carus-Verlag gedruckt wurde. Robert Rohr (München) bezeichnete die donauschwäbischen Knabenkapellen als einen „Sonderfall der Musikgeschichte“, was ihre Weltreisen im 19. Jahrhundert durch Europa, Amerika und Afrika belegen. Widmar Hader (Regensburg) stellte in seinem Referat das Sudetendeutsche Musikinstitut in Regensburg vor, dessen Leiter er ist.

Sämtliche Referate werden in Kürze in einem Sammelband erscheinen, der über die Adresse der Gesellschaft für deutsche Kultur im südöstlichen Europa zu beziehen ist. Weitere Informationen unter www.suedost-musik.de.

fm



20 Jahre Musikwoche der GDMSE, Siebenbürgische Zeitung Online vom 18. März 2005

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