26. Januar 2002

16. Ferienakademie zum Thema Spätmittelalter

Die 16. Siebenbürgische Ferienakademie wurde von Studium Transylvanicum in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde vom 26. Dezember 2001 bis 2. Januar 2002 in Thalmässing bei Nürnberg veranstaltet. Scherpunktthema war Siebenbürgen in der Zeit vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, einer Zeit des wirtschaftlichen und politischen Aufbaus Siebenbürgens nach dem verheerenden Mongoleneinfall von 1241.
Die wirtschaftliche Blüte förderte die sozialen und politischen Strukturen des Landes, die bis ins 19. Jahrhundert Bestand haben sollten. Überschattet wurde der Aufschwung von der aufkommenden Türkengefahr. Diese gipfelte schließlich in der Schlacht von Mohács (1526), die wiederum die Teilung Ungarns und Entstehung des Fürstentums Siebenbürgen nach sich zog. Die vielfältigen Vorträge zu den verschiedensten Aspekten dieser Zeitspanne boten dem Kenner wie dem Laien ein umfassendes Bild dieser faszinierenden Epoche.
Einen Einstieg in wichtige geschichtliche Ereignisse, die diese Epoche prägten, bot Dr. Martin Armgart (Speyer) mit einem Überblick über die Kreuzzüge, die heiligen Feldzüge des christlichen Abendlandes gegen die Feinde des Christentums. Schwerpunkt der Darstellung waren die Kreuzzüge auf dem Balkan von 1396, 1444 und 1464 gegen das sich immer weiter in Europa ausbreitende Osmanenreich, die sich teilweise auf dem Gebiete Siebenbürgens abspielten und für die Entwicklung der Region von Bedeutung waren.
Den politischen Rahmen der Epoche setzte Dr. Konrad Gündisch (Oldenburg) mit einem Überblick über die damals herrschenden Königshäuser in Ungarn, die Anjous und die Jagellonen und deren Verflechtung mit den europäischen Königshäusern, sowie mit einer anschließenden Beleuchtung der bestehenden politisch-administrativen Einheiten in Siebenbürgen. Die Könige förderten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes nach europäischem Vorbild. Der ständige Interessenkampf um die ungarische Krone führte zum Erstarken des Adels in den Komitaten sowie zur Bestätigung der Privilegien und Selbstverwaltungsrechte der Sachsen auf dem Königsboden und Szekler auf dem Szeklerboden.
Das dramatische Ende dieser Epoche, die Schlacht von Mohács im Jahre 1526, wurde von Dr. Meinolf Arens (München) spannend rekonstruiert. In detaillierten Positionsbeschreibungen wurde das Verhalten der gegnerischen Truppen während der Schlacht unter die Lupe genommen: die zahlenmäßige Überlegenheit des osmanischen Heeres, die taktischen Fehler des ungarischen Adels, dessen Unterschätzung des Gegners mit der raschen Vorfreude auf einen Sieg, der verspätete Aufmarsch des siebenbürgischen Woiwoden wegen Hochwassers – alles Umstände, die zur verheerenden Niederlage der ungarischen Armee, dem Unfalltod des ungarischen Königs in der Schlacht und später zur Dreiteilung Ungarns führten.
Die sozialen Strukturen der Epoche beleuchtete Daniel Ursprung (Hermannstadt) in einem Referat über die Bauernschicht in Siebenbürgen. Die Situation der Bauern verschlechterte sich, als sich die Adligen zu allmächtigen Gutsherren entwickelten. Die Situation eskalierte schließlich in den Bauernkriegen von 1437 und 1514, in denen die Bauern ihre früheren Rechte einforderten, aber vom Adel besiegt wurden.
Die Entwicklung der städtischen Strukturen in Siebenbürgen und deren Rechts- und Verwaltungssystem erläuterte Doris Binder-Falcke (Düsseldorf) anhand der städtischen Selbstverwaltung um 1500. Das städtische Rechtssystem der Siebenbürger Sachsen bestand zu einen aus der äußeren Verfassung, dem „Goldenen Freibrief“, der für alle Stadtrechte auf dem Königsboden stand und vor allem die freie Gerichtsbarkeit, Pfarrerwahl, Personalhoheit, Höhe der Steuerlast und Kriegsleistung beinhaltete. Zum andern bestand das System aus der inneren Verfassung, die Steuereintreibung, Zoll-, Zunft- und Marktangelegenheiten über den Rat der Stadt regelte. Otto Elekes (Hamburg) referierte über die Entstehung (1486), Struktur und Entwicklung der Sächsischen Nationsuniversität, dem politischen und verwaltungsrechtlichen Gremium der Siebenbürger Sachsen. Die spannungsreichen Beziehungen Siebenbürgens zu seinen Nachbarn Moldau und Wallachei beleuchtete Franz Horváth (Heidelberg).
In den Mikrokosmos des spätmittelalterlichen Lebens führte ein beeindruckender Vortrag von Irmgard Sedler (Ludwigsburg) zu spätmittelalterlichen Bräuchen und Festen in Siebenbürgen. Bräuche, ein Produkt geschichtlicher Entwicklung, stellten von jeher ein Ordnen des Lebens dar und sollten den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken. Bräuche entstanden im Spätmittelalter u.a. aus der Unterhaltungskultur der Städte und erfuhren im Laufe der Zeit einen Übergang zum sächsischen Brauchtum. Bräuche dienen der moralischen Besinnung sowie bis zur Gegenwart der Bestätigung der Existenz als Gemeinschaft. Untermauert wurden diese Thesen anhand des Fastnachtsspiels vom „Jedermann“ sowie mit Hilfe von Dias zum Urzellauf in Agnetheln mit Aufnahmen aus den 30er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Wolfgang Sand (Berlin) bot einen Einblick in das musikalische Leben Siebenbürgens während des Spätmittelalters und der Renaissance. Anca Fleseru (Hermannstadt) vermittelte einen Überblick über Organisation und Betätigungsfeld der Hermannstädter Zimmermanns- und Tischlerzunft im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit.
Auch das spätmittelalterliche Bildungswesen wurde untersucht. Melitta Seidner (Freiburg) veranschaulichte die Entwicklung des siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens im 15. und 16. Jahrhundert anhand der Schriften von Johannes Honterus. Den Aufenthalt siebenbürgischer Studenten an europäischen Universitäten untersuchte (Szeged) unter spezieller Berücksichtigung der Universität Halle, wo er derzeit ein Forschungsprojekt zu diesem Thema durchführt.
Immer beliebter auf der Ferienakademie werden die so genannten Proseminare. Teilnehmer können dabei ein Thema mit erforschen und die Berührungsängste dazu abbauen. So kam man unter Anleitung von Thomas Sindilariu (München) dem Mythos der „Heiligen Krone“ Ungarns näher und erfuhr, dass die Krone viel jünger als angegeben ist und recht stümperhaft zusammengeschweißt wurde.
Unter der Anweisung von Daniel Ursprung erforschten die Teilnehmer die Herausbildung des rumänischen Adels in Siebenbürgen und dessen Status im spätmittelalterlichen Siebenbürgen. Überprüft wurde in diesem Zusammenhang auch die in rumänischen Geschichtsbüchern verbreitete These, wonach die Rumänen als Ethnie im mittelalterlichen Siebenbürgen unterdrückt wurden.
Referiert wurde nicht nur streng zum Spätmittelalter, sondern auch zu Themen von allgemeinem Interesse. So sprach Ana Maria Neamtu (Schäßburg) über Leben und Werk von Trude Schullerus, und Marton Sarkadi (Budapest) berichtete anhand von Dias über seine Tätigkeit bei der Restaurierung der Kathedrale in Karlsburg. Ein brisantes politisches Thema von großer Aktualität griff Dr. Zoltán Csedö (Budapest) auf: das ungarische Statusgesetz. Eine zündende Diskussionsrunde moderierte Niklas Tartler (München) über die psychischen Spätfolgen der zweiten Aussiedler-Generation, wobei man sich auch um eine Definition und Einordnung der Begriffe Heimat und Identität bei verschiedenen von Migration betroffenen Generationen bemühte. Fester Bestandteil des Akademie-Programms war wie gewohnt das abschließende Diskussionsforum, in dem Teilnehmer ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten oder Förderungsmöglichkeiten für Studenten und Nachwuchswissenschaftler vorstellten.
Anlass zu einer Menge Spaß bot das vielfältige Abendprogramm, das von den Organisatoren in Anlehnung an die sonst doch vorwiegend akademische Betätigung als AGs (Arbeitsgemeinschaften) bezeichnet wurde. Innerhalb der AG Literatur schnupperten viele unter Anweisung von Crenguta Trinca (Würzburg) zum ersten Mal in das Werk des rumänischen Schriftstellers Liviu Rebreanu. Unter der Leitung von Emese Szokács (Budapest) machten wir eine Reise zu den Anfängen des Theaters in Siebenbürgen. Sehr beliebt waren wie immer die Tanz-AGs. „Wechselschritt und Tipp-Tipp“ hieß der Aufmarsch zur siebenbürgischen Kreuzpolka unter der professionellen Leitung von Astrid Kelp (Heilbronn). Als der Siebenbürgische Rheinländer gleich hinterher einstudiert wurde, war bei so manchem das Durcheinander komplett. Und dann erst recht, als am nächsten Abend unter der Leitung von Dr. Zoltán Csedö der langsame Csárdás mit dem „Dötz“ und die schnellere Version hinzukamen.
Erste rumänische Sprachkenntnisse konnte man sich unter der Leitung von Katja Lasch (München) aneignen. Dem vor Jahren begonnenen Projekt zum Basteln eines Siebenbürgen-Quizes unter der Koordination von Daniel Ursprung wurde in der AG-Trivial Pursuit der letzte Schliff verpasst. Das Spiel wird aller Voraussicht nach pünktlich zum Heimattag in Dinkelsbühl fertig werden.
Die traditionelle Exkursion führte diesmal unter der Leitung von Birgit Fernengel (Nürnberg) und Rüdiger Schiel (München) nach Nürnberg, wo wir nach kurzer Stadtbesichtigung im märchenhaft verschneiten Nürnberg auf den Spuren der ungarischen Viehzüchter die Fleischbrücke überquerten und das neu eröffnete Museum im Fembohaus besichtigten. Das „gesellschaftliche“ Highlight der Ferienakademie ist und bleibt die Silvesterparty, durch deren Programm Annegret Barth (Bischofsheim) und Rüdiger Schiel führten. Im Vorfeld der Feierlichkeiten wurde das zehnjährige Bestehen von Transylvania Tours e.V. gefeiert und mit Riesenbeifall der Seele des Vereins, Nils Hakan Mazgareanu (Nürnberg), gedankt.
Na - auch Lust bekommen?.... Informationen zu Studium Transylvanicum und zur Ferienakademie findet ihr unter http://sibiweb.de/st/, ein umfangreiches Fotoalbum von der Ferienakademie 2001 unter http://sibiweb.de/bilder/sfa_2001/.

Andrea Iosof


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 19)

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