25. März 2002

"Dracula-Park" bei Schäßburg?

Eine Arbeitsgruppe der Heimatortsgemeinschaft Schäßburg hat die illusorischen Voraussetzungen des geplanten Freizeitparks zum Thema „Dracula“ auf der Breite bei Schäßburg untersucht.
Seitdem der rumänische Tourismusminister Dan Matei Agathon im Juli 2001 ankündigte, auf der Breite bei Schäßburg einen Vergnügungspark mit dem Thema „Dracula“ einzurichten, hat es aus dem In- und Ausland Kritik aus ethischen, religiösen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Motiven gegeben. Die Heimatortsgemeinschaft (HOG) der Schäßburger, seit Jahren in und um Schäßburg engagiert und von Minister Agathon persönlich angesprochen, bezog in den Schäßburger Nachrichten vom 1. Dezember 2001 - nachzulesen auch unter www.hog-schaessburg.de - detailliert Stellung. Die in der HOG tätige Arbeitsgruppe „Schäßburg ja, Dracula Park nein“ (Arpad Bako, Günther Jacobi, Walter Lingner, Julia Prejmerean-Aston, Erika Schneider und Hermann Theil) präsentiert im Folgenden eine von Arpad Bako erarbeitete Analyse des Projektes.

Allgemeine Betrachtungen

Das Vorhaben „Dracula Park“ verletzt die rechtsstaatlichen Gepflogenheiten: Es werden Gesetzte und Verordnungen des eigenen Landes auf dem Gebiet des Umweltschutzes außer Acht gelassen und internationale Verträge und Gepflogenheit ignoriert. (So wurde die UNESCO nicht pflichtgemäß im Vorfeld benachrichtigt.)
Isometrie des geplanten Dracula-Parks auf der Breite bei Schäßburg.
Isometrie des geplanten Dracula-Parks auf der Breite bei Schäßburg.

Die Assoziation sächsischer Kultur mit dem Dracula Mythos, so wie sie sich in der vom Ministerium für Tourismus herausgegebenen Werbebroschüre „Dracula Park“ niederschlägt, ist nicht nur tendenziös und geschichtsverdrehend – wenn Vlad Tepes als „Schäßburger Bürger“ bezeichnet wird – sondern auch geschmacklos und skandalös: Selbst die Totenhalle neben der Bergkirche wird in dem Prospekt zu Werbezwecken missbraucht.
Die Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse auch in die Werbebroschüre für Investoren Eingang gefunden haben, vermittelt den Eindruck, die deutsche Bevölkerung sei mehrheitlich mit diesem Park einverstanden: „... implicarea pozitiva a comunitatii germane sunt doar cateva dintre factorii care au indicat Sighisoara ca locatie optima pentru Dracula Park.“ (... die positive Einbeziehung der deutschen Gemeinschaft sind nur einige der Faktoren, die Schäßburg als optimalen Standort für den Dracula Park empfohlen haben.) Genau das Gegenteil ist der Fall. Die von unseren Vorfahren, friedlichen Siedlern und Handwerkern, erbaute Burg, die heute zum „Weltkulturerbe der Menschheit“ gehört, sind wir verpflichtet zu bewahren, zu schützen und zu ehren, und dürfen sie nicht dem Streben nach Macht und Einfluss einzelner Kräfte, geschweige denn der kulturellen Degradierung preisgeben.

Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit

Die Gesamtinvestition soll 31 Millionen US-Dollar betragen, mit folgender Beteiligung: 39,1 Prozent FDTS (Fondul de Dezvoltare Turistica Sighisoara) als Betreiber; 7,0 % Stadt Schäßburg, Kreisamt Neumarkt und Ministerium für Tourismus; 6,0 % Ministerium für Öffentliche Arbeiten, Transport und Wohnungswesen; 47,3 % private Geldgeber (Aktien, ausländische Investoren). Unter dem Betreiber FDTS verbirgt sich die Stadt Schäßburg. Aber wie soll die kleine Kommune fast 46 % der Finanzmittel aufbringen? Illusorisch scheint auch der Anteil privater Geldquellen: Der bis zum 3. April 2002 terminierte Aktienkauf läuft sehr schleppend - bisher sind lediglich 25 % des Aktienpaketes platziert worden.
Der Dracula Park soll ab 2004 betrieben werden, und die Machbarkeitsstudie geht von folgenden Besucherzahlen jährlich aus: 2004 - 400.000, 2005 - 650 000, 2006 - 860 000, ab 2007 - 1 100 000. Kann Schäßburg, das zurzeit rund 10 000 Besucher jährlich zählt, die erwarteten jährlich 1,1 Millionen Besucher – das wären täglich durchschnittlich 3 000, in Spitzenzeiten auch 6 000 Besucher – überhaupt bewältigen angesichts fehlender Infrastruktur wie mehrspuriger Straßen/Autobahnen, Flughafen, Unterkünften, E-Werk, Kläranlagen, etc.? In der Studie des Betreibers wird hierzu nichts gesagt, obwohl die Investitionen dafür ein Vielfaches jener für die Errichtung des Parks ausmachen. Rumänien hat diese finanziellen Mittel nicht. Eine Grundvoraussetzung sowohl für die Realisierung als auch für das Betreiben dieses Vorhabens fehlt also.
Fragwürdig sind auch die Annahmen zu der Besucherstruktur und deren Zuzugsbereich als Basis für die Gesamtkalkulation. 20 Prozent der Besucher (220 000 jährlich ab 2007) sollen aus dem Ausland kommen. Allerdings wird das nur bei optimalen Konditionen der Fall sein, und dem steht die Infrastruktur entgegen. Diese Infrastruktur lässt auch an den jährlich 880 000 inländischen Besuchern zweifeln. Von diesen wiederum sollen 75 % aus einem Umkreis von bis zu 80 Kilometern kommen. Man rechnet mit 580 000 potentiellen Besuchern jährlich aus einer Gesamtbevölkerung von 1,6 Millionen im Umkreis von 80 km. Kann man aber wirklich annehmen, dass diese jedes Jahr mindestens einmal den Park besuchen? Bei Eintrittspreisen von 5 US-Dollar pro Person, zuzüglich Fahrt- und Übernachtungskosten sowie weiterer Eintrittspreise und Gebühren für den Besuch des Schlosses und diverser Aufführungen, Fahrten mit der Schmalspurbahn, Parken etc.?
Das scheint illusorisch angesichts der Tatsache, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung Rumäniens ein Familieneinkommen von weniger als 50 Euro/Monat haben, mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt sind und wohl andere Bedürfnisse haben, als einen Vergnügungspark zu besuchen. Ebenso illusorisch dürften die Annahmen zur Altersstruktur der Besucher sein - 52 % unter 25 Jahren, 39 % zwischen 25 und 60 Jahren, 9 % über 60 Jahren –, haben doch gerade Erstere noch kein Einkommen bzw. keine Ersparnisse.
Nichtsdestotrotz: Unter Berücksichtigung von 1,1 Millionen Besuchern im Jahr rechnet man mit Einnahmen von 10,2 Millionen US Dollar pro Jahr, das heißt, nebst Eintrittsgeldern von 5,5 Millionen sollen weitere 4,7 Millionen aus den zusätzlichen Einnahmequellen im Park fließen. Nebst dem Eintritt von 5 Dollar müsste jede Person noch einmal knapp weitere 5 Dollar ausgeben, damit sich das Geschäft lohnt. Das ist unrealistisch: Eine vierköpfige Familie müsste ca. 40 US Dollar ausgeben, was annähernd einem Familien-Monatseinkommen entspricht - vorausgesetzt, der/die Ernährer ist/sind in einem Beschäftigungsverhältnis.

Resümee und Fazit

Die Studie des Ministeriums für Tourismus basiert auf falschen Voraussetzungen. Die erwarteten Besucherzahlen sind auch nicht annähernd zu realisieren. Es fehlen Infrastruktur und ein geeignetes allgemeines Image. Rumänien ist für einen Tourismus dieser Prägung nicht geeignet und nicht attraktiv. Für die inländischen Besucher, die 80 Prozent der Gesamtbesucherzahl ausmachen sollen, sind die Preise für den Eintritt sowie für die Benutzung der Einrichtungen unerschwinglich. Darüber hinaus soll ein Areal von mehr als 120 Hektar in einem für Europa einmaligen Ökosystem, der Breite, geopfert werden. Der Schaden an Mensch und Natur ist dadurch vorprogrammiert.
Die von den Betreibern zugesagten 3 000 neuen Arbeitsplätze können auch nicht annähernd erreicht werden und gelten lediglich „als taktisches Manöver“. Sowohl in der Analyse des von der rumänischen Regierung beauftragten Architekten als auch in jenen anderer Experten geht es um lediglich 300 neue Arbeitsplätze.
Die in der unmittelbaren Umgebung befindliche Altstadt von Schäßburg wird von einem Kitschtourismus invadiert. Die Besuchermassen werden der Bausubstanz einen erheblichen Schaden zufügen. Der kulturhistorische Charakter der Stadt wird verblassen.
Schäßburg benötigt einen sanften, angemessenen Tourismus, der den Charakter der Stadt respektiert. Der Staat und die Stadtverwaltung sollten in Zusammenarbeit mit allen interessierten Kräften nach Wegen und Möglichkeiten zum Erhalt der Altstadt und für eine entsprechende Entwicklung des lokalen Tourismus sorgen. Hierfür stehen viele Kulturinteressierte, inklusive der im Ausland lebenden Schäßburger, mit Rat und Tat zur Verfügung. Der Anfang könnte im Rahmen einer in Rumänien und Deutschland zu errichtenden Kulturstiftung „Rettet Schäßburg“ zu Gunsten der Schäßburger Altstadt gemacht werden. Für diesen Zweck soll auch die deutsche Wirtschaft gewonnen werden. Dies könnte der Anfang einer erfolgreichen Partnerschaft mit dem rumänischen Staat werden und der Integration Rumäniens in die EU Auftrieb verleihen, während die Errichtung des geplanten Parks eine Protestwelle der westlichen Welt mit sich bringen und den lebensnotwendigen Eintritt Rumäniens in die EU unnötig erschweren, eventuell sogar verhindern wird.
Insgesamt sind die in Deutschland lebenden Schäßburger nicht gegen die Errichtung eines Vergnügungsparks, jedoch sollte dieser, wie schon von namhaften Persönlichkeiten Rumäniens vorgeschlagen, in der Region von Kronstadt (Törzburg) errichtet werden. Hier ist eine bessere Infrastruktur vorhanden und auch die geschichtliche Assoziation zu dem Dracula-Mythos eher gegeben. Ideal wäre jedoch als Standort die Schwarzmeerküste oder die nähere Umgebung einer Großstadt (Bukarest), zumal an solchen Orten sowohl die geeignete Infrastruktur als auch das erforderliche touristische Potential vorhanden sind.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2002, Seite 4)

Weiterführende Links zum Thema „Dracula-Park“:

Multimediale Präsentation des Projektes aus Sicht der rumänischen Regierung

Lageplan des Dracula-Parks

Diskussionsforum über Dracula-Park

Artikel zum Thema „Dracula-Park“ finden Sie im Archiv der Siebenbürgischen Zeitung-Online, indem Sie das Stichwort „Dracula“ eingeben

Im „Pressespiegel“: Links zu deutschen Medien, die sich unter anderem mit dem Thema „Dracula-Park“ befasst haben

Bewerten:

2 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.