5. September 2013

700 Jahre Schönau: Ein Dorf in Siebenbürgen feiert Geburtstag

Eine beeindruckende Festwoche haben Deutsche und Rumänen in einer bis jetzt nie dagewesenen Harmonie in Schönau miteinander erlebt. Die Siebenbürger Sachsen feierten noch einmal gemeinsam in „ihrem“ Dorf, besuchten die Kirche, gedachten der Toten, feierten das einzigartige traditionelle Rinnenfest und brachten ihren Kindern die alte sächsische Heimat vor Ort näher. Auch mitgereiste Bundesdeutsche machten begeistert mit. Die Rumänen erwiesen sich als wunderbare Gastgeber und setzten beim Fest schöne Akzente.
Die Vorbereitungen liefen schon seit mehr als zwei Jahren. Hans Gärtner, Vorsitzender der HOG Schönau, und der Schönauer Bürgermeister Ioan Horsia hatten mit ihren Teams alle Hände voll zu tun, 700 Jahre sollten gebührend gefeiert werden … Und es ist ihnen gelungen, für alle Anwesenden ein unvergessliches Fest daraus zu machen.

Schon Ende letzten Jahres wurde im Wandkalender der Siebenbürgischen Zeitung das Foto der Kirchenburg Schönau veröffentlicht und das Jubiläum 2013 angekündigt: 700 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes.

Ein schönes, niedliches Dorf an der Kleinen Kokel, in Siebenbürgen gelegen, ist unser Heimatdorf und hat Geburtstag! – Diesem Ruf folgten viele Schönauer Sachsen aus Deutschland und einige im Ausland lebende Rumänen. Anfang August machten sich über 350 Leute auf den Weg nach Siebenbürgen.

In Zusammenarbeit mit dem Rathaus und einem extra hierfür gegründeten Komitee waren übers Internet Listen verteilt worden, mit Anschriften der jetzigen Bewohner Schönaus und der Anzahl der Personen, die in den jeweiligen Häusern aufgenommen werden konnten. So war es vielen Schönauern möglich, in das einst eigene Haus einzukehren.

Am 3. August war die Gemeinde festlich geschmückt. Banner zum 700-jährigen Jubiläum hingen quer über die Straße, und die Bürgermeister hatten fast jedes zweite Haus im Dorf mit rumänischen und sächsischen Fahnen schmücken lassen. So begrüßte das Dorf die Ehrengäste und seine heimkehrenden Kinder.
Siebenbürgisch-sächsische Trachtengruppe beim ...
Siebenbürgisch-sächsische Trachtengruppe beim Jubiläumsfest in Schönau. Foto: Marco Gärtner
Zum Auftakt der Feier begrüßte Moderator Daniel Wädt über 600 Gäste in der evangelischen Kirche. Ausgehend von der Jahreslosung aus dem Hebräer-Brief, Kapitel 13 „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die Zukünftige suchen wir“, gedachte Pfarrer Alfred Dahinten in einer kurzen, prägnanten Andacht der 700-jährigen Geschichte Schönaus. Hans Gärtner, Vorsitzender der HOG Schönau, veranschaulichte die Geschichte der Sachsen in diesen 700 Jahren und äußerte den Wunsch, diese Kultur zu behalten, zu pflegen und an die folgenden Generationen weiterzugeben. Bürgermeister Ioan Horsia begrüßte alle Gäste von nah und fern und zählte einige neuen Errungenschaften aus kommunaler Sicht auf.

Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, nannte die Geschichte von Schönau ein Tagebuch der Gemeinde und verglich sie mit einem Gang zum Brunnen. Zugleich hob er die Verbundenheit der ausgewanderten Schönauer mit ihrem Heimatdorf hervor, die sich nicht nur mit Spenden für den Erhalt der Kirche engagierten, sondern auch durch ihre Anwesenheit die Kirche bis auf den letzten Platz füllten. Die Zusammenarbeit zwischen der HOG und dem Ort Schönau sei vorbildlich. Die gegenwärtigen Dorfbewohner setzten ein weltweit einzigartiges Zeichen der Verbrüderung, indem sie den ausgewanderten Landsleuten Tür und Tor des ehemals eigenen Hauses öffneten, um das Jubiläum gemeinsam zu feiern. Fabritius verlieh ganz spontan Hans Gärtner, stellvertretend für alle Schönauer, die gemeinsam ein Zukunftsmodell der Versöhnung und der grenzüberschreitenden Freundschaft möglich gemacht haben, und Ioan Horsia, als Vertreter aller neuen Bürger Schönaus, das goldene Ehrenwappen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen „als Anerkennung für die einmalige, gelungene Zusammenarbeit, als bestes Beispiel der europäischen Brückenfunktion und eines wahrlich, europäischen Freundschaftsgeistes in dieser Welt“.

Geburtstagsglückwünsche überbrachten auch Hans Schebesch, Vertreter des Deutschen Konsulats in Hermannstadt, Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Alin Cucui, Vizepräsident des Kreisrates (Consiliu Județean) Alba Iulia und Poșa Gheorghe, Vizebürgermeister von Schönau. Segenswünsche überbrachten Dr. Wolfgang Wünsch, Dechant des evangelischen Kirchenbezirks Mühlbach, Gînța Florin, Pfarrer der orthodoxen Kirche, und Radu Stejar, Pfarrer der griechisch-katholischen Kirche in Schönau.

Daniel Theil, unser Schönauer Dichter, fasste eine Lobrede über die Entstehung des Dorfes Schönau in ein Gedicht zusammen und trug es vor. Für die musikalische Umrahmung der Feier sorgten Katharina und Johann Gärtner mit der Schönauer Hymne „Schönau, mein Paradies“, das Mediascher Männeroktett unter der Leitung von Edith Toth, mit kirchlicher und sächsischer Musik und die Schönauer Jugendlichen Mandy, Lisa und Juliane mit erfrischenden, aktuellen Liedern.

Nach den vielen Reden konnten sich alle Teilnehmer mit Suppe, Mici und Grillspezialitäten und Getränken erfrischen. Das Catering wurde von Iuga Sandu und Niculiță Folea perfekt gemanagt. Die Blasmusik „Armonia“ aus Martinskirch, unter der Leitung von Willy und Manuela Halmen, erfreute die Gäste mit ihren Liedern. Am Nachmittag ging das Programm weiter mit einer rumänischen Einlage „Spectacol folcloric extraordinar“ unter dem Motto „Lieder bringen uns zusammen“, dargebracht von dem Folkloreensemble der Nachbargemeinde Biia. Zwischendurch bot die Jugendtanzgruppe Mühlbach unter der Leitung von Anamaria Dahinten Tänze in jungsächsischer Tracht dar. Es wurden Dankesreden und Ehrengeschenke zwischen HOG und Bürgermeisteramt Schönau ausagetauscht. Aber auch die Kinder wurden nicht vergessen, die vielen gespendeten Süßigkeiten wurden an sie verteilt und fanden dankbare Abnahme. Mehr als 1 000 Leute aus Deutschland, Schönau und den umliegenden Ortschaften fanden sich an diesem Tag im Kirchhof, im Pfarrhof, im Saal und in der Kirchgasse zu Gesprächen zusammen. Es war eine friedliche, fröhliche und fruchtbare Gemeinschaft von vielen Nationen, die zusammen feierten. Als krönender Abschluss fand ein Feuerwerk statt, und Ines Kast spielte mit dem Jagdhorn die Europahymne.
Sonntagsgottesdienst in Schönau mit Bischof ...
Sonntagsgottesdienst in Schönau mit Bischof Reinhart Guib. Foto: Bruno Krauss


Der Sachsentag am Sonntag begann mit einem evangelischen Gottesdienst. Auch hier beehrten viele Ehrengäste unser Fest: Bischof Reinhart Guib mit Ehefrau, Landeskirchenkurator Friedrich Philippi mit Ehefrau, Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Dechant Wolfgang Wünsch mit Ehefrau und Pfarrer Alfred Dahinten mit Ehefrau.

Alle in den Nachbargemeinden Seiden, Bulkesch und Tatterloch lebenden Sachsen waren herzlich eingeladen und auch gekommen. Weit über 150 Schönauer kamen in Tracht und erlebten nochmals in einer vollen Kirche einen siebenbürgischen Gottesdienst. Sie lauschten den ergreifenden Worten des Bischofs und manch einer fühlte sich in Gedanken zurückversetzt in die längst vergangene Kinder- und Jungendzeit. Der Schönauer Kirchenchor unter der Leitung von Johanna Wädt war wie immer ein Ohrenschmaus.

Gemeinschaftserlebnis und Rinnenfest

Nach dem Sonntagsgottesdienst gab es ein gemeinsames Mittagessen im Saal. Auf Anraten von Frau Kurator Anna Miess gaben die Schönauer eine Kostprobe ihrer Singleidenschaft. Die Ehrengäste waren beeindruckt, als aus über 300 Kehlen sächsische Lieder und Rinnenfestlieder erklangen – ohne Noten- oder Textblätter.

Am Nachmittag wurde auf dem Friedhof unserer Vorfahren gedacht, die vor über 700 Jahren unser Dorf gegründet hatten, aber auch der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die hier ihre Ruhe fanden. Eine kurze Andacht und ein Gebet sprach Dechant Dr. Wolfgang Wünsch und ein Gedicht zu Ehren der Vorfahren und aller Verstorbenen trug Daniel Theil vor. Umrahmt wurde die Feier von dem Schönauer Posaunenchor Klaus Konnerth, Ines Kast, Michael Kast, Armin Schuller und Alfred Martini. Die Gemeinde sang dazu das Lied „Jesus lebt, mit Ihm auch ich“. Danach suchte jeder die eigenen Familiengräber auf. Sogar die in Deutschland Geborenen wollten wissen, welches die Gräber der Urgroßeltern waren.

Abends wurde bei Musik und Tanz gefeiert. Es spielte die Mühlbacher Band, in der auch Pfarrer Alfred Dahinten und Andreas Hartig aus Zeiden sowie Organist Sergiu mitmachten. Nur die hohen Sommertemperaturen sorgten dafür, dass die Schönauer beim Tanz nicht völlig außer Rand und Band gerieten. Selbst der Nachtspaziergang „nach Hause“ durch die laue Sommernacht, unter dem von Sternen übersäten Himmel, war ein Erlebnis. Auf allen Straßen hörte man sächsisch reden, und es war unbeschreiblich schön. Dass fast alle wieder in ihren Häusern wohnen konnten, dafür gebührt ein hohes Lob und Dank den jetzigen, rumänischen Eigentümern. So etwas ist einmalig …

Am Montagvormittag folgten viele Schönauer der Einladung von Liviu Necșulescu auf das Weingut und in die „Crama Jidvei“ (zu deutsch: Seiden) sowie eine kurze Besichtigung des Schlosses „Kokelburg“. Die Jugend wurde am späten Nachmittag zur Weingutsbesichtigung und zu einem Abendessen mit Weinprobe auf das Schloss eingeladen. Anschließend wurde auch hier auf Anregung des Eigentümers, Necșulescu senior (83 Jahre), der Weinkeller in eine Disco verwandelt. Zur gleichen Zeit, am Montagnachmittag, verwandelten die in Schönau Gebliebenen die Allee, wo früher Gligori gefeiert wurde, in ein Tanzlokal.

Dienstag gingen viele über die Felder, in den Wald und durch das Dorf und schwelgten alten Erinnerungen nach. Am Nachmittag wurde das Rinnenfest vorbereitet. Die Jungs, mit einigen Vätern, fuhren in den Wald, um junge, grüne Eichen zu fällen. Im Pfarrhaus wurde unter der Leitung von Hedwig Reckerth von den Mädels „Knaddeln“ gebacken. In der Zwischenzeit organisierte Gerdi Gärtner die Blumen.

Bereits im Vorfeld hatten Konrad Reckerth und Hans Gärtner, zusammen mit Vizebürgermeister Poșa Ghorghe und Crișan Petru, viel Aufwand betrieben, damit das Rinnenfest nochmals wie gewohnt stattfinden konnte. Ochsen und Wagen wurden aus den Siebenbürger Westkarpaten (Apuseni-Gebirge) gebracht und die Pferde aus Klosdorf. Von den ursprünglich neun Quellen sind zwischenzeitlich (seit 1989) alle versiegt, so dass diesmal leider keine einzige Quelle instandgesetzt werden konnte.

Am Mittwoch wurde der Rinnenwagen unter der Leitung von Samuel Roth geschmückt. Tatkräftig und begeistert halfen alle Jungen mit. Die Mädels banden die Blumenkränze und Initialen des Rinnenvaters „BR“ (für Bernd Reckerth) – eine zeitintensive und anspruchsvolle Arbeit, die den ganzen Vormittag viele Hände in Anspruch nahm, aber die sich danach auch sehen ließ.
Das Schönauer Rinnenfest wurde vom ganzen Dorf ...
Das Schönauer Rinnenfest wurde vom ganzen Dorf und vielen Gästen von nah und fern mitgefeiert. Foto: Reinhold Müller
Gestärkt mit einem guten Mittagessen, stiegen die Burschen in den fertigen Wagen und fuhren, die traditionellen Rinnenlieder singend, ums Dorf. Als Dank für die Instandsetzung der Quellen auf den Feldern Schönaus gaben die Bauern früher den Burschen Wein. Damit diese Quellen den ganzen Sommer den Bauern Trinkwasser spenden sollten, wurde der Wagen kräftig mit Wasser begossen. Auch diesmal gab es von den jetzigen Bewohnern reichlich Wein, aber auch noch mehr Wasser. Alle hatten sehr viel Spaß dabei, Jung und Alt, unabhängig von Nationalität. Dieser alte, einmalige Brauch, der bis zur Auswanderung in Schönau praktiziert wurde und die Jugend schon immer zusammenschweißte, begeisterte auch die heutige Jugend.

An diesem Mittwoch kamen viele Besucher nach Schönau und begleiteten den Wagen rund ums Dorf. Ganz besonders freuten uns die Scharoscher, die mit zwei Bussen angereist waren. Abends spielten Albert Eisenburger und Daniel Salmen zum Tanz auf.

Viele Vertreter der örtlichen Presse, das Fernsehen und Radio waren da und haben berichtet. Herwart Konnerth stellte jeden Tag Aufnahmen von Schönau ins Internet, damit die Landsleute aus Deutschland alles zeitnah mitverfolgen konnten. Er wird demnächst daraus eine DVD produzieren.

Ein ganz besonderer Dank gebührt Daniel Wädt für die zweisprachige Chronik in Deutsch und Rumänisch, die die 700-jährige Geschichte beschreibt und besonders gut gelungen ist. Ein herzlicher Dank an Moni und Werner Konnerth für die zwei Gedenktafeln, die an der Ringmauer über dem Kirchentor angebracht wurden, sowie für die Bestellung der T-Shirts und Gastgeschenke. Ein extra Dank geht an den gesamten HOG-Vorstand und die vielen freiwilligen Helfer. Fast alle Teilnehmer legten Hand an und trugen so zum Gelingen des Festes bei. Ihnen allen gilt ein großer Respekt und ein herzliches Dankeschön. Es war eine perfekte Gemeinschaftsleistung. Zu allerletzt aber ein hohes Lob für Gerdi und Hans Gärtner, die die Fäden in der Hand hielten und alles koordinierten, damit alles so reibungslos verlief.

Gott schenkte uns allen das beste Sommerwetter und viele, viele, unvergessliche, gesegnete Tage in der alten Heimat. Liebe Gerdi, lieber Hans, liebe Schönauer und Freunde, nach diesem Fest stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir noch so ein Fest in Schönau feiern, sondern lediglich – WANN?

Annemarie Morgen

Eine hervorragende Foto- und Videodokumentation der 700-Jahr-Feier in Schönau finden Sie unter http://www.schoenau-siebenbuergen.de/.

Schlagwörter: Heimattreffen, Jubiläum, Schönau

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