9. Juni 2008

Alten Brauch aus Nordsiebenbürgen wieder zum Leben erweckt

Am 26. April 2008 fand in Nürnberg das Deutsch-Budaker und Windauer Treffen statt. Eingestimmt wurde das Heimatortstreffen mit einem Gottesdienst in der St. Pauls-Kirche nach siebenbürgisch-sächsischer Liturgie, gestaltet von Pfarrer Obermaier. Der Budaker Kelch, der sich derzeit als Dauerleihgabe in Dinkelsbühl befindet, wurde während des Abendmahls eingesetzt.
Die Spannung und das Lampenfieber des Organisationsteams waren sehr groß. Die Veranstalter wollten ihren Gästen etwas Besonderes bieten. Um dem diesjährigen Motto „ Miteinander, Füreinander in die Zukunft“ gerecht zu werden, wurde beschlossen, gemeinsam erlebte Bräuche aus Nordsiebenbürgen, speziell aus dem Budaktal, in den Mittelpunkt der künftigen Zusammentreffen zu stellen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Für die erste Aufführung wurde der Kirchweihbrauch im Budaktal ausgewählt und von 50 Trachtenträgern, vom Kind bis zur Großmutter, dargestellt. Mit dem Lied „Äm Budäktual“ und dem Glockenläuten der Budaker Kirche wurde die Vorführung eingeleitet.
Beim Deutsch-Budaker und Windauer Treffen in ...
Beim Deutsch-Budaker und Windauer Treffen in Nürnberg wurde der alte Brauch der Kirchweih im Budaktal in Nordsiebenbürgen aufgeführt.
Die Kirchweihen im Budaktal fanden jährlich im August und September statt. Die Deutsch-Budaker Kirchweih feierte man am 2. Sonntag im August. In Windau wurde Kirchweih nur dann gefeiert, wenn der Tag, auf dessen Namen die Kirche einst geweiht wurde, der Jakob- bzw. Jakobustag (25. Juli), auf einen Sonntag fiel. Die Vorbereitungen für diesen Festtag begannen sehr zeitig mit einem Neuanstrich der Hausfronten, Innenräume und dem dazugehörigen Großputz. Die Frauen bereiteten viele Kuchen vor, z.B. Nuss-, Mohn-, Rosinenstriezel, Nusshörnchen und natürlich Kleutsch. Rinder, Schafe und Hühner wurden geschlachtet, Brot gebacken und Suppennudeln von Hand gefertigt. Die Musikanten gingen bereits in den frühen Morgenstunden von Haus zu Haus, spielten Ständchen und wurden mit Kuchen, Wein und Geld belohnt. Freunde und Bekannte aus der ganzen Umgebung wurden auf die Kirchweih eingeladen, die mit einem festlichen Gottesdienst begann.

Im Anschluss an die Predigt erwähnte der Pfarrer die Geschichte der Kirche und alle Pfarrer, die seit 1332 in der Gemeinde gewirkt hatten. Die Schulmädchen und Schulknaben verließen als erste den Gottesdienst, danach der Pfarrer, im Anschluss die ältesten Frauen aus den vordersten Reihen, ihnen folgten den Bankreihen nach immer jüngere, dann die nichtverheirateten, konfirmierten Mädchen, zuletzt kamen die Männer in derselben Reihenfolge aus der Kirche. Die Turner empfingen die Gemeinde mit einem Ständchen vor dem Gotteshaus. Dann gingen die Gastgeber mit ihren Gästen zum Mittagessen, zu dem die Hausfrau eine „süße“ Suppe mit Nudeleinlage oder Grießklößchen auftischte. Zur Suppe gab es Johannisbeer-, Tomaten- oder Weichselsoße, danach Hühnerfleisch natur oder paniert. Vor dem Essen wurde Schnaps, nach dem Essen Wein und Wasser getrunken.

Die Musikanten wurden vom Altknecht bewirtet. Nach dem Essen fanden sich Jung und Alt auf dem Tanzplatz oder im Saal ein, für die Kinder gab es Kindertänze. Gegen 18.00 Uhr ging man nach Hause zum Abendessen und Vieh versorgen. Als Hauptspeise gab es geschmortes Rind- oder Schaffleisch, dazu frisch gebackenes Brot und Wärsa. Wein und Pali trank man reichlich dazu. Die Musikanten wurden währenddessen von der Altmagd und Jungaltmagd im Saal mit Essen versorgt. Nach dem Abendessen fuhren die älteren Gäste und Kinder wieder nach Hause. Die Jugend, Mütter und Jungverheirateten gingen wieder in den Saal. Speisen und Getränke wurden in Körbe verstaut und mitgenommen. Ein Fass mit Wasser war im Saal aufgestellt, aus dem alle, die Durst hatten, tranken. Drei Bankreihen boten den Frauen Platz zum Sitzen. Die Männer standen in Gruppen im Saal. Die Jugend tanzte. Der Altknecht passte auf, dass kein Mädel sitzen blieb. Erst wenn alle nicht verheirateten Mädchen auf der Tanzfläche waren, durften die Knechte verheiratete Frauen auffordern. Stellte der Altknecht fest, dass ein Mädchen sitzen blieb und ein Bursche nicht tanzte, unterbrach er die Musik. Eine Mädchen- und eine Jungenreihe wurde – mit dem Rücken zueinander – gebildet. Der Altknecht und die Altmagd vertauschten die Reihenfolge der Frauen bzw. die der Männer. Die Tänzer drehten sich um und mussten mit ihrem Gegenüber weiter tanzen. Walzer, Polka, Tango wurden zum Tanze aufgespielt, der bis in die frühen Morgenstunden dauerte. Manche gingen von der Unterhaltung gleich in die Arbeit, versorgten ihr Vieh oder erledigten den Haushalt. Für die Jugendlichen bot sich auf den Kirchweihen die Gelegenheit, sich kennen zu lernen, Freundschaften oder gar Partnerschaften zu schließen.

Als Abschluss des aufgeführten Kirchweihbrauches und gleichzeitig als Beginn der nachfolgenden Tanzveranstaltung führten die Darsteller beim Heimattreffen in Nürnberg den be- kannten Volkstanz „Siebenschritt“ vor.

Unser Dank geht an die vielen Mithelfer, Darsteller und besonders an die Tanzgruppe der Kleinbistritzer, die als Kirchweihgäste im Spiel mitwirkten und uns mit ihrem Tanz, dem „Kettlinger“, erfreuten. Danken möchten wir auch unseren Gästen, den Budaker, Windauer und allen Freunden der beiden Ortsgemeinschaften, die unserer Einladung gefolgt sind. Wir wünschen uns, dass das nächste Treffen ebenfalls so gut angenommen wird und wir uns alle gesund wiedersehen.

Inge Alzner, Hildegard Steger

Schlagwörter: Nordsiebenbürgen, Nürnberg, Brauchtumspflege

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