6. August 2012

Ein Leben in Demut und Dankbarkeit: Thomas Wollmann zum 90.

Am 25. Juli 2012 beging der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, Thomas Wollmann, in Wolfsburg seinen 90. Geburtstag. Mehr als die Hälfte seines erfüllten Lebens – es sind genau 55 Jahre – ist der Jubilar für die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen in verschiedenen Aufgaben ehrenamtlich tätig gewesen, 20 Jahre lang wirkte er als Vorsitzender der Kreisgruppe Wolfsburg, fünf Jahre als Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen. Das folgende Interview führte die stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Wolfsburg, Herta Speri, kurz vor Wollmanns Geburtstag.
Wie siehst Du diesem besonderen Geburtstag entgegen? Meinem Geburtstag sehe ich gelassen und in dankbarer Demut entgegen.

Mit 90 noch so aktiv und fit. Gute Erbanlagen oder besondere Lebensweise? Ich habe mein Leben immer so gestaltet: dienend, für andere da zu sein und möglichst in geregelten Verhältnissen zu leben. Auf Ernährung und gepflegten Umgang in der Gesellschaft habe ich immer großen Wert gelegt.

Welche Heimatscholle nährte Dich, dass Du heute noch so rüstig bist? In meinem Leben war ich stets mit meiner Heimat Siebenbürgen und meinem Heimatort Holzmengen eng verbunden. Tradition und Erhaltung unserer Lebensgewohnheiten in Siebenbürgen haben mich mein ganzes Leben lang begleitet und geprägt.

Thomas Wollmann beging seinen 90. Geburtstag in ...
Thomas Wollmann beging seinen 90. Geburtstag in Demut und Dankbarkeit.
Erzähl doch mal von Deinem Leben! Geboren wurde ich am 25. Juli 1922 in Holzmengen als Sohn von Johann Wollmann und dessen Ehefrau Susanna. Wir waren vier Geschwister. Meine Kindheit habe ich in Holzmengen im Kreis Hermannstadt verbracht, davon sieben Schuljahre in der evangelischen Volksschule des Dorfes. Ich bin in einem gut behüteten Elternhaus großgewachsen. Die Mutter war Dreh- und Angelpunkt, da der Vater doch durch den Beruf häufig nicht zu Hause war. Von Kindheit an habe ich im Kirchenchor der Gemeinde mitgesungen. Danach bis zur Einberufung am 1. April 1943 zum rumänischen Militär habe ich auf dem elterlichen Hof gearbeitet. Nachdem zwischen der rumänischen und der damaligen Reichsregierung ein Abkommen getroffen wurde, dass alle Deutschen, die im rumänischen Heer dienten, in die deutsche Armee einbezogen werden könnten, wechselte ich, nach kurzem Aufenthalt im Heimatort, Anfang Juni 1943 zur deutschen Wehrmacht. Die einschneidenden Erlebnisse während des Krieges bis hin zur Gefangenschaft begleiteten mich und führten mich dann 1946 nach Heiligendorf, ein Dorf neben Wolfsburg, wo ich, wie so viele Flüchtlinge, Arbeit bei einem Bauern fand. Mein Bestreben war, wieder nach Hause nach Siebenbürgen zu kommen. Mein Vater riet mir, es erstmals sein zu lassen, da die Gegebenheiten im Lande nicht günstig seien.

Am 15. Oktober 1949 begann für mich ein neuer Lebensabschnitt in Wolfsburg. Als „Umschüler“ erlernte ich hier das Maurerhandwerk und konnte mir schon sehr früh, mit Hilfe von Landsleuten, ein Eigenheim bauen. In den vorhandenen Baracken zu leben, wo die meisten zugezogenen Flüchtlinge aus dem Osten und Arbeitskräfte aus Italien untergebracht waren, war für mich nicht sinnvoll. Von 1950 bis 1956 arbeitete ich als Facharbeiter am Bau. Gute Fachkräfte waren sehr gefragt. Es entstand hier in Wolfsburg eine ganz neue Stadt.

1952 heiratete ich meine Frau Jutta. Zu unserer größten Freude wurde im November unser Sohn Ralf geboren, der leider schon mit 46 Jahren verstarb. Von 1957 bis 1981 war ich im Volkswagen-Werk beschäftigt. Bedingt durch die guten Arbeitsverhältnisse fanden auch einige andere Landsleute den Weg hierher. 1957 trat ich der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen bei. Meine erste Aufgabe im Vorstand der Kreisgruppe war die des Schriftführers, die ich bis 1963 ausübte. 20 Jahre, von 1964 bis 1984, war ich 1. Vorsitzender der Kreisgruppe. Während meiner Amtszeit entstanden unterschiedlichste Kulturgruppen: die Blaskapelle Wolfsburg, der Chor, den ich mit 20 Sängern und Sängerinnen 1982 gründete und den ich bis heute mit viel Freude und Begeisterung aktiv unterstütze. Im Grunde traf sich die erste Singgemeinschaft schon bei mir während des Hausbaues. Spontan fällt mir gerade das Lied „Wo‘s Dörflein dort zu Ende geht“ ein. Dann entstand die Tanzgruppe.

Besonders verbunden fühle ich mich dem „Altenheim Siebenbürgen“ in Osterode, in dessen Vorstand ich als 2. Vorsitzender oder als Beisitzer bis gerade eben gewesen bin. Die Anstrengungen, eine Einrichtung für Senioren auf Niedersachsen-Ebene zu errichten, gehen bis 1960 zurück. 1964 wurde das Altenheim feierlich eröffnet. Der Name hat das Altenheim bis zum heutigen Tag geprägt, obwohl es im Laufe der Jahre zu unterschiedlichen Institutionen gehörte. Heute nennt es sich Hilfsverein „Samuel von Brukenthal“ in Osterode, im Harz.

November 1989, während einer Mitgliederversammlung, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Maueröffnung, wurde ich zum Landesvorsitzenden der Landesgruppe Niedersachen/Bremen gewählt. Dieses Amt übte ich bis Herbst 1994 aus. Aus gesundheitlichen Gründen bin ich dann zurückgetreten.

Du hast Dich viele Jahre in unserer Verbandsarbeit engagiert. Was hat Dich dazu bewegt? Das Bestreben, siebenbürgisch-sächsisches Brauchtum und Tradition weiterhin zu pflegen, zu erhalten und nachfolgenden Generationen weiterzugeben, immer unter dem Leitmotiv: Ich bin bereit, unserer Gemeinschaft (dem Sachsentum) zu dienen. Das war mir immer wichtig!

Welches Deiner vielen Ämter hat Dich besonders beansprucht? Gleich welche Tätigkeit oder Amt – aus tiefstem Herzen und mit Einsatzbereitschaft, ohne dass mir eines zu schwer gewesen wäre, habe ich mich eingebracht.

Welche Eigenschaften braucht man, um das alles gut zu meistern? Die Bereitschaft, sich in den Dienst zu stellen, den gewohnten Umgang mit und unter unseren Siebenbürger Landsleuten zu erhalten und zu fördern. Ich bin und bleibe ein Siebenbürger Sachse, auch wenn man mich durch einen Fleischwolf dreht – es kommt immer der Gleiche raus! Finessen, Spekulationen und andere nicht ehrbare Äußerungen oder Tätigkeiten waren nie meine Art. Ich habe nie einen besonderen Dank für meine Tätigkeiten erwartet.

Das Singen hat Dich immer begleitet. Du bist dem Chor auch heute noch eine große Stütze. Hast Du ein Lieblingslied? In Deutsch? Af Saksesch? Oh, das ist nicht so einfach. Ich singe alles gern, Volkslieder genauso wie Kirchenlieder oder Choräle. Dass ich noch die Tenorstimme singen kann, ist eine Gabe Gottes. Solange ich noch die Ansprüche des Chors erfüllen kann, singe und unterstütze ich den Chor weiter.

Wie siehst Du die gegenwärtige Verbandsarbeit, auf Landes- und ganz besonders auf der Ebene der Wolfsburger Kreisgruppe? Ich bin dankbar, dass sich immer wieder Landsleute finden, die bereit sind, ihre Aufgaben im Dienste der Allgemeinheit auszuüben, und sich den landsmannschaftlichen Belangen mit aller Kraft und Freude an der Arbeit widmen.

Ich finde, wir sind in einer sehr schönen, facettenreichen Gemeinschaft organisiert. Was ich bedauere ist, dass diese Vielfalt nicht so richtig erkannt und geschätzt wird. Siehst Du das ähnlich? Leider ja! Die Bereitschaft, sich im Dienste der Landsmannschaft zu betätigen und mitzuwirken, geht zurück. Und doch bin ich zuversichtlich, dass die schöne Arbeit des Verbandes auch weiterhin Bestand und Zukunft haben wird. Denn es gibt sie doch noch, die jungen Siebenbürger, die bereit sind, die Tradition unterstützend weiter zu führen.

Wie geht es Dir heute? Heute bin ich bei guter Gesundheit, danke unserem Herrgott in Demut für die vielen Jahre und die harmonische Ehe mit meiner Frau Jutta.

Was wünschst Du dem Verband, unserer Kreisgruppe für die Zukunft? Ich wünsche dem Verband, unserer Kreisgruppe weiterhin gedeihliches Zusammenwirken in der Erfüllung ihrer bestimmten Aufgaben.

Danke für dieses so informative und lehrreiche Gespräch! Im Namen ders Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gratuliere ich Dir zu Deinem 90. Geburtstag und wünsche Dir beste Gesundheit sowie alles erdenklich Gute für die kommenden Jahre!

Schlagwörter: Verbandsleben, Niedersachsen

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