25. August 2024

Christa Wandschneider zum Siebzigsten: „Wo ein Wille, da ist ein Weg!“

Christa Wandschneider wurde am 25. August 1954 in Großpold (Siebenbürgen) geboren. 1980 siedelte sie durch Heirat in die Bundesrepublik um. Es folgten erste Kontakte zum Verband (damals Landsmannschaft) der Siebenbürger Sachsen. Von 1994 bis 2016 übernahm sie die Leitung der Heimatortsgemeinschaft Großpold. Seit 1996 ist sie Landesfrauenreferentin des Landesverbands Bayern und von 2012 bis 2023 war sie Bundesfrauenreferentin des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Sie war kraft ihres Amtes Mitglied im Deutschen Frauenrat bis 2023 und engagiert sich in der Frauenarbeit des Bundes der Vertriebenen. 2017 erhielt sie die Goldene Ehrennadel des HOG-Verbandes und 2023 das Goldene Ehrenwappen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Heute lebt Christa Wandschneider in München und engagiert sich weiterhin im Verband. Frauennetzwerke und die Landlerthematik sind ihr sehr wichtig. Anlässlich ihres 70. Geburtstages führte Herta Daniel, Ehrenvorsitzende des Verbandes, folgendes Gespräch mit der Jubilarin.
Christa Wandschneider im Garten ihres Hauses in ...
Christa Wandschneider im Garten ihres Hauses in München-Altperlach, 2024. Foto: Christian Wandschneider
Du bist 1954 in Großpold geboren und hast die Brukenthalschule in Hermannstadt besucht. Wie hat dich deine Kindheit und die Zeit in Hermannstadt geprägt?
Ich hatte, wie wohl die meisten Siebenbürger meiner Generation, sowohl in Großpold als auch in Hermannstadt eine wunderschöne Kindheit und Jugend. Eingebettet in die Traditionen des Dorfes in Zusammenschau mit den Werten und Wissensvermittlung in der Brukenthalschule, fühle ich mich privilegiert und bin dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, beides zu leben.

Für uns alle war die langersehnte Ausreise aus Siebenbürgen ein einschneidendes Erlebnis. Mit welchen Erwartungen bist du nach Deutschland gekommen? Haben sich diese erfüllt? Oder ist alles ganz anders gekommen als du es dir vorgestellt hast?
Die Ausreise nach Deutschland stand bei mir nicht so sehr im Vordergrund. Bei einer Hochzeit in Großpold lernte ich meinen Mann Martin kennen und erst danach folgte der Wunsch nach Heirat und Ausreise in die Bundesrepublik. Meine Erwartungen waren geprägt von Familiengründung, Anerkennung im Beruf und Ankommen in der neuen Heimat.

Wer in einer Demokratie aufgewachsen ist, kann sich nicht vorstellen, welche Zustände man vor ca. 50 Jahren in Siebenbürgen erdulden musste! Du hast bis zur Ausreise – für die heutige Zeit – Unvorstellbares erlebt, bis du endlich zu deinem Mann nach Deutschland ausreisen konntest. Willst du uns an deinen Erinnerungen an diese Zeit teilhaben lassen?
Durch die behütete Kindheit und Jugend waren die politischen Tatsachsen jener Zeit eher bei der Generation unserer Eltern verortet. Erst durch die Absicht, Siebenbürgen durch Heirat zu verlassen, wurden mir Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Das Warten auf die Heiratsbewilligung dauerte 18 Monate und enthielt eine Absage. Als es endlich so weit war und mein Mann nach Großpold zum Heiraten kam, erwarteten uns weitere unverhoffte und leider sehr unangenehme Schwierigkeiten. Am Tage der Trauung wurde uns unter fadenscheiniger Begründung die Trauung verwehrt. Trotzdem feierten wir diese mit unseren Verwandten und Freunden, da alles vorbereitet war und die Gäste nicht mehr ausgeladen werden konnten. Erst einige Tage später, nach vielen Aufregungen, Telefonaten und Schikanen, konnten wir in aller Geheimhaltung von Seiten der Obrigkeit getraut werden. Die Willkür und Beweggründe der damaligen Securitate und deren Helfer können wir bis heute nicht nachvollziehen. Leider hatten meine Familie auch in unmittelbarem Zusammenhang mit meiner Ausreise immense Schikanen, bis hin zu einem Prozess zu erdulden, so dass sich meine Eltern dazu entschlossen, auch nach Deutschland auszuwandern. In Deutschland hatte ich dann das Glück, in eine gefestigte Familie zu kommen, die mich mit offenen Armen aufgenommen hat.

Welches waren deine ersten Eindrücke in Deutschland?
Die ersten Jahre waren geprägt von Unsicherheiten. Ich hatte den Anspruch, einen interessanten Beruf zu finden, musste mich neu orientieren, um die politische und wirtschaftliche Umgebung richtig zu erfassen. Meine Herkunft musste so manches Mal erklärt und begründet werden.

Du hast dich bereits in jungen Jahren ehrenamtlich engagiert. Welches waren deine Beweggründe, dich aktiv in die landsmannschaftliche Arbeit einzubringen?
Dadurch dass sowohl meine Schwiegermutter Elisabeth Wandschneider als auch mein Vater Hans Rieger überdurchschnittlich ehrenamtlich in der Zusammenführung der Landsleute aus Großpold engagiert waren, hatte ich wunderbare Vorbilder, deren Arbeit ich zusammen mit meinem Mann nach und nach übernahm. Die Begegnung mit meinen landlerischen Wurzeln bei einer Dia-Vorführung in München, „Eine Sprachinsel in der Sprachinsel – die Landler“, hat mir ein neues Tätigkeitsfeld eröffnet. Die damalige Frauenreferentin Hannelore Scheiber lud mich zu einem Vortrag über meine landlerische Herkunft ein. So wurden erste Kontakte zur Frauenarbeit geknüpft.

Die von dir organisierten Frauentagungen erfreuten sich stets sehr großer Beliebtheit und waren immer sehr gut besucht. Dies war sicher auch bedingt durch die vielseitigen Themen, die du in diesen Tagungen angeboten hast. Woher kamen diese Ideen, welches waren deine Inspirationsquellen?
Frauenspezifische Themen müssen kaum gesucht werden, sondern liegen am Wegesrand. Natürlich habe ich recherchiert und aufmerksam hingehört, wenn es um Themen ging, die für Frauen relevant sind. Auch hatte ich das große Glück, immer wieder hervorragende Referentinnen und Frauenpersönlichkeiten kennenzulernen und einzubinden.

Die langjährige Bundesfrauenreferentin Lore Connerth beschrieb in der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ) vom 28.3.1958 auf der „Seite der Frau“ die Arbeit der Frauengruppen. Dr. Wilhelm Bruckner, unser ehemaliger Bundesvorsitzender, stufte die Frauen als eine tragende Säule des Verbandslebens ein (SbZ vom 20.12.2001, S. 20). Wie hat sich deiner Meinung nach die Rolle der Frauen in unserem Verband im Laufe der Jahrzehnte entwickelt?
Durch die gesellschaftliche Entwicklung der weiblichen Stellungsmerkmale in der Gesellschaft und durch das vermehrte Engagement der Frauen im Verband ist auch deren Bedeutung kontinuierlich gestiegen.

In deinem Aufgabenbereich warst du nicht nur für Frauen, sondern auch für Familie und Aussiedlerbetreuung zuständig. Welchen Stellenwert nahmen diese Zweige ein?
Der Part Familie und Aussiedlerbetreuung war in den 70er und 80er Jahren von immenser Bedeutung. Frauen waren es, die in die Übergangswohnheime gingen und vor Ort Familien betreuten und bei den Ämtern begleiteten. Sie leisteten hier Pionierarbeit und trugen zur Vernetzung unter den Siebenbürgern bei. In meiner Zeit war dieser Bereich nicht mehr von allzu großer Bedeutung. Doch habe ich Hochachtung vor der Tätigkeit meiner Vorgängerinnen.

Du hast deine langjährige und verdienstvolle Tätigkeit als Bundesfrauenreferentin im November 2023 in jüngere Hände übergeben. Welches sind deine Wünsche an deine Nachfolgerin Gerlinde Zurl-Theil?
Gerlinde Zurl-Theil wird eine gute Bundesfrauenreferentin sein. Sie verfügt über viel Erfahrung in der ehrenamtlichen Tätigkeit im Verband und engagiert sich seit ihrer Ankunft in Deutschland. Ich wünsche ihr von Herzen eine offene Wahrnehmung für die Belange der Frauen sowie Empathie und Sensibilität im Umgang mit diesen Themen.

Du bist mit Großpold auch heute sehr verbunden, warst Vorsitzende der HOG. Im Interview in der SbZ vom 12.4.2012 war eine deiner bemerkenswerten Aussagen: „Die Landler sind keine Exoten!“ Würdest Du uns das näher erläutern?
Mein Weg ins siebenbürgische Ehrenamt führte, wie oben erwähnt, über die Landler. Tatsächlich waren wir erstaunt, wie wenig die Siebenbürger Sachsen über die drei Landlergemeinden wussten und uns gerade anfangs fast als Exoten darstellten. Dagegen habe ich immer angekämpft. Denn wir sind zwar Landler, aber wir sind auch Siebenbürger Sachsen und hätten ohne deren Engagement und Politik vor Ort in Siebenbürgen nicht überlebt. Integration, Anpassung und die Bereitschaft, sich einzubringen, war damals genauso wichtig, wie heute.
„Über sieben Brücken musst du gehn“: Christa ...
„Über sieben Brücken musst du gehn“: Christa Wandschneider beim Abschiedskonzert von Peter Maffay am 4. August in Hermannstadt. Foto: Konrad Klein
Astrid Lindgren soll gesagt haben: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“ Ähnlich klang es im Interview, das Robert Sonnleitner mit dir 2012 in Dinkelsbühl anlässlich unseres Heimattages geführt hat. Aus einem Gedicht von Otto Piringer: „Nit loss di eh!“ zitierend, sagtest du, dass dies der Wahlspruch aller Landler sei, also auch deiner. Würdest du uns verraten, inwiefern dich dieses Leitmotiv in Deinem Leben begleitet hat?
„Nit loss die, eh!“ ist seit dem Gedicht von Otto Piringer, dessen Ahnen auch Landler waren und aus Großpold stammten, der inoffizielle Wahlspruch der Großpolder. Sich nicht unterkriegen zu lassen, weiterzumachen und eine gewisse Resilienz zu entwickeln und zu leben, hat uns nicht nur in unserer ehemaligen Heimat Siebenbürgen zu dem gemacht, was wir waren, sondern auch zu dem, was wir sind.

Eines deiner Interessensgebiete ist auch die Genealogie der Siebenbürger Sachsen. Ein Interessensgebiet, das du mit deinem Mann Martin teilst. Darüber würden wir gerne auch etwas erfahren.
Der Arbeitsbereich der Genealogie ist immer wieder Fleißarbeit, Konzentration auf Belege und Vernetzung des Wissens in dem genealogischen Verein. Mein Mann und ich bearbeiten die Kirchenmatrikel unserer Heimatgemeinde Großpold. Unser Ziel ist, dass die Ergebnisse unserer Recherchen in die öffentliche Datenbank aufgenommen werden, damit alle Interessierten Zugang zu den erfassten Daten bekommen können.

Der 1951 gegründete Deutsche Frauenrat (DF) – Lobby der Frauen in Deutschland e. V. ist mit seinen 62 Mitgliedsverbänden und -vereinen ein deutscher Dachverband mit Sitz in Berlin. Du bist die Stimme unseres Verbandes in diesem Gremium. Welche Rolle spielt dieser Verband in deinem Wirken?
Mitglied im Deutschen Frauenrat zu sein und eine Stimme zu haben, ist eine große Ehre und das Verdienst meiner Vorgängerinnen, welche dieses Amt sehr ernst genommen haben und sich politisch eingebracht haben. Bei der Mitgliederversammlung dabei zu sein, ein kleines Rädchen im großen politischen Getriebe zu sein, erfüllt nicht nur mit Stolz, sondern auch mit Demut und Verantwortung. Den Antrag zur Beseitigung der Ungerechtigkeiten im Fremdrentengesetz (FRG) – Mütterrente habe ich in Absprache mit Dr. Bernd Fabritius bereits 2021 eingebracht und 2023 noch einmal vor dem großen Gremium des Frauenrates dargelegt. Der Antrag wurde einstimmig vom Frauenrat bestätigt. Diese Ungerechtigkeit muss bekannt gemacht werden. Und wer, wenn nicht die Frauen, sind hier das beste Sprachrohr.

Ehefrau, Mutter, Beruf, Ehrenamt – hast du ein Rezept für den Slalom zwischen diesem Vierklang, damit er möglichst harmonisch verläuft?
„Wo ein Wille, da ist ein Weg.“ Es war der Wahlspruch meiner Großmutter väterlicherseits und hat mich immer begleitet.

Es gab im Laufe der Jahre deines ehrenamtlichen Engagements sicher Höhepunkte, vielleicht aber auch Enttäuschungen. Was hat dich besonders beeindruckt? Welches waren einschneidende Erlebnisse?
Der Höhepunkt meiner ehrenamtlichen Tätigkeit war sicherlich der Empfang am 6. März 2020 beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier aufgrund der Einladung der Mitglieder des Deutschen Frauenrates in Berlin anlässlich des Internationalen Frauentags zusammen mit Herta Daniel, der damaligen Bundesvorsitzenden unseres Verbandes. Auch meine Teilnahme an den Neujahrsempfängen der Ministerpräsidenten Bayerns Horst Seehofer und Dr. Markus Söder sowie der Besuch der Frauengruppe im Deutschen Bundestag auf Einladung von Dr. Bernd Fabritius (damals MdB) waren besondere Erlebnisse.
Beeindruckt hat mich immer wieder die Vielseitigkeit der Frauen, die ich kennenlernen durfte, die Fülle ihrer Ideen sowie die Begeisterungsfähigkeit und die unermüdliche Umsetzung ihrer Aufgaben.

Diese respektvolle Würdigung der Frauen und ihrer Arbeit, ihrer Rolle in unserem Verband steht für deine bewundernswerte Einstellung zu in diesem Ehrenamt und stellt einen wunderbaren Schlusssatz dar! Ich danke für dieses Gespräch und wünsche im Namen unseres Verbandes weiterhin Gesundheit, viel Freude und Schaffenskraft für all deine Aktivitäten!

Schlagwörter: Verbandsleben, Landler, Großpold, München, Frauenarbeit, Frauenreferentin

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