12. März 2018

Disparates zusammenbringen und Demut lernen: Interview mit Georg Aescht

Georg Aescht, geboren 1953 in Zeiden, studierte Germanistik und Anglistik in Klausenburg und kam 1984 mit seiner Familie nach Deutschland. Er ist Redakteur bei der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa, wo er für die Kulturpolitische Korrespondenz verantwortlich ist, und hat sich sowohl mit seiner feuilletonistisch-publizistischen als auch mit seiner Tätigkeit als Übersetzer einen Namen gemacht. Seit 2016 ist er Vorsitzender des Kulturpreisgerichts, das jährlich den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis vergibt. Über seine Rolle im diesjährigen Leipziger Buchmessegeschehen, seine Übersetzertätigkeit und die aktuelle rumänische Literatur gab er Doris Roth Auskunft.
Bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse bist du bei mehreren Veranstaltungen des Gastlandes Rumänien als Moderator oder Dolmetscher eingespannt und eröffnest am ersten Messetag die begleitende Fotoausstellung. Wie kommt es, dass du so stark in das Messeprogramm eingebunden bist?
Es wäre in der Tat fast obszön zu nennen, wie penetrant mein Name im Programm steht, gäbe es da nicht einen zwingenden Grund: Es finden sich sonst kaum Leute, die Deutsch können und noch etwas mit rumänischer Literatur am Hut haben. Nur Ernest Wichner schafft den Spagat in aller erforderlichen Grazie, ausweislich seiner vielen Übersetzungen und sonstigen Präsenzen zwischen all den unbequemen Stühlen. Wir haben in den letzten Jahren, seit die rumänische Förderung angelaufen ist, einiges geschafft, ja „geschaffen“, so dass die rumänischen Freunde von den Schriftstellern bis zu den verantwortlichen Angestellten des Rumänischen Kulturinstituts und des Kulturministeriums ihr Vertrauen in uns setzen. Allerdings reißen sich nach meiner Ein- und Übersicht keine jüngeren Literaturbewegten um derlei Aufträge. Das nimmt nicht wunder, es gibt viel zu tun und wenig zu verdienen. Im Verhältnis zum Übersetzen aber ist die Arbeit des Moderierens und Dolmetschens nachgerade erholsam, und da Schriftsteller und Übersetzer bekanntermaßen schon reich sind und nur noch berühmt werden müssen, sind diese „Podien“ als Gelegenheiten durchaus willkommen.

Auch als Übersetzer bist du in Leipzig präsent. Welche Bücher, die zur Buchmesse in deutscher Fassung erscheinen, hast du aus dem Rumänischen übertragen?
Die Übersetzerei war im letzten Halbjahr Akkordarbeit, wie sie sich wohl kein sozialistischer Brigadier hätte einfallen lassen. Neben etlichen kleinen „Kollateraltexten“, die gelegentlich und „mal eben schnell“ übertragen werden mussten, bin ich zu je einem guten Drittel an den „DNA-Sequenzen – Neue Lyrik aus Rumänien“ in der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter und an einer Anthologie kurzer Prosa in der Zeitschrift die horen beteiligt. Im Klagenfurter Wieser Verlag erscheint der Roman „Begegnung“ von Gabriela Adameșteanu, im Ludwigsburger Pop-Verlag der Gedichtband „Die Anatomiestunde“ von Emil Hurezeanu in meiner deutschen Übertragung. Voraussichtlich leider erst im Herbst wird die Neuübersetzung von Liviu Rebreanus Weltkriegs-Roman „Wald der Gehenkten“ vorliegen, zwei weitere Projekte mit zeitgenössischer Literatur wohl ebenso.

Georg Aescht 2016 beim Heimattag der Siebenbürger ...
Georg Aescht 2016 beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Foto: Hans-Werner Schuster
Wie bist du überhaupt zum Übersetzen gekommen?
Wenn man das Privileg hat, mit zwei Sprachen aufzuwachsen, und Gefallen daran findet, kann man daraus so etwas wie eine Tugend machen. Angeregt und gefördert dabei haben mich einst in Klausenburg meine tugendhaften und noch jungen Altvorderen Franz Hodjak, Bernd Kolf, Peter Motzan und Werner Söllner. In Deutschland ward dann aus all der Tugend hin und wieder eher eine Not, nicht zuletzt weil man deutschsprachigen Verlagen mit seinen blauäugig-treuherzigen Angeboten aus dem Rumänischen als Bittsteller gegenübertritt und mehr denn alles andere dieses eine lernt: Demut. Wird man dann aber erhört, so steht man unvermittelt unter Termindruck, wie jetzt bei der Vorbereitung auf Leipzig geschehen. Doch für all diese Beschwernisse wird man entschädigt durch das – wenn auch nur sporadische – Empfinden, jemandem zur deutschen Sprache verholfen zu haben, der das auf Rumänisch verdient hat. Dazu hat man stets mit Leuten zu tun, mit denen einen mehr verbindet als das gemeinsame Herkunftsland. Zumindest will ich nicht aufhören, daran zu glauben.

In einem Essay für die Zeitschrift Spiegelungen hast du sinngemäß geschrieben, dass Übersetzen nicht nur das Übertragen von einer Sprache in eine andere bedeutet, sondern das Erschaffen eines neuen Textes. Hattest du jemals Bestrebungen, selbst literarisch aktiv zu werden und als Autor in Erscheinung zu treten?
In der Tat habe ich eine – punktuell sicher utopische – Vorstellung von der kreativen Dimension meiner Arbeit, man mag es auch eine Illusion nennen, ich bin’s jedoch zufrieden, wenn mir hin und wieder gelingt, derart Disparates zusammenzubringen: rumänische Wirklichkeit und deutsche Sprache. Dass man dadurch Aufklärung zu leisten vermöchte, ist ein frommer Wunsch. Man leistet aber sich selbst das Gefühl, etwas in die Welt zu setzen, was Hand und Fuß hat. Viel ist es nicht, aber auch nicht wenig. Selbst geschrieben habe ich vorzeiten einen Text mit gebrochenen Zeilen für die Zeidner Schülerseite der Kronstädter Karpatenrundschau, den ich als Gedicht empfand und ausgab, und die forsch gereimte Klassenhymne zum „Exitus“ (so hieß der Gymnasialabschluss wirklich!), das reicht einstweilen.

Ein Wort zur zeitgenössischen rumänischen Literaturszene: Wie beurteilst du Autoren und Werke? Wer kommt in Rumänien gut an und hat auch Chancen, im deutschsprachigen Raum erfolgreich rezipiert zu werden?
Pauschalantworten sind so verführerisch wie verfälschend, ich will das Thema hier dennoch in aller Unkorrektheit anreißen: Die rumänische ­Literatur leidet wie alle Literaturen ehemaliger Ostblockländer an einem hypertrophen Selbstbewusstsein sozialistischen Angedenkens, das sie einerseits antiquiert sympathisch, andererseits schwer vermittelbar macht. Nicht alle, aber viele Schriftsteller halten fest am Glauben an die eigene Bedeutung, der schon in der heimischen Gegenwart wenig mit ihrer eigentlichen gesellschaftlichen Rolle zu tun hat, hierzulande aber völlig abwegig wirkt. Schon das ständige Spekulieren auf Internationalität und Präsenz auf wunder was für Bühnen, deren erstrebenswerteste naturgemäß die der Nobelpreisverleihung ist, zeugt nicht von Reife. Wer aber schriebe denn, wenn er nicht gelesen werden wollte? Es ist deshalb durchaus auch ein sympathischer Zug dabei. Wenn nur ein gewissermaßen essayistisch-literarisches Imponiergehabe mehr in den Hintergrund und das blanke Erzählen in den Vordergrund träte, könnte man auch Verleger des deutschsprachigen Raumes besser davon überzeugen, dass dort viel erzählt wird, was auch deutsch erzählt werden kann. Die jüngeren Jahrgänge, die keineswegs schwächeln, haben das auch, wie sich abzeichnet, begriffen, dafür spricht zumal die Prosaanthologie der horen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Kultur, Übersetzer, Journalist, Aescht, Buchmesse, Leipzig

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