14. Juni 2019

Dokumentarfilmreihe "7bürgen & 7bürger in 7 Filmen" in Berlin

Bereits im zweiten Jahr veranstaltet das Deutsche Kulturforum östliches Europa unter der Federführung der Südosteuropareferentin, Dr. Ingeborg Szöllösi, diesmal in Zusammenarbeit mit der Kulturreferentin am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim, Dr. Heinke Fabritius, eine Dokumentarfilmreihe zu Siebenbürgen. Die Themen reichen von den Schrecken der politischen Prozesse der 50er Jahre über den Exodus der Siebenbürger Sachsen nach der Revolution 1989 bis hin zu Rück- und Zuwanderern, die einen Neuanfang in Siebenbürgen wagen. Dr. Ingeborg Szöllösi, geb. 1968 in Klausenburg, Studium der Philosophie, Theaterwissenschaft und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, Promotion in Philosophie an der LMU München, journalistische Berufsausbildung in Hamburg, langjährige Tätigkeit als Redakteurin, Lektorin und Herausgeberin zahlreicher Publikationen, 2008 bis 2016 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie wissenschaftliche Mitarbeit mit dem Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa für die Deutsche Gesellschaft e. V., seit 2017 Südosteuropa-Referentin beim Deutschen Kulturforum östliches Europa. Der große Erfolg der siebenbürgischen Filmreihe hat Alfred Schadt veranlasst, Dr. Ingeborg Szöllösi sieben Fragen zu der Filmreihe zu stellen.
Frau Dr. Szöllösi, wie kam es zu der Idee einer solchen Filmreihe? Und dann die Vorführungen in Berlin, einer Stadt, die ja nicht gerade als eine Hochburg der Siebenbürger Sachsen bekannt ist. War es nicht ein Wagnis?

Ein Wagnis – ja. Aber Sie kennen doch die viel zitierte Redewendung: Wer wagt, gewinnt! Unsere erste Dokumentarfilmreihe „Blick zurück – Blick nach vorn“ mit fünf Filmen über Siebenbürgen war im vergangenen Jahr ein Erfolg – der Auftakt der jetzigen Reihe „7bürgen & 7bürger in 7 Filmen“ ist es auch. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa versteht sich als Vermittler der deutschen Geschichte und Kultur im östlichen Europa – wir wollen diese Spuren einer breiten Öffentlichkeit erschließen. Berlin ist keine Hochburg der Siebenbürger Sachsen – umso sinnvoller meine Arbeit. Und durch das Format – Filmvorführung mit Gespräch – erreicht man immer viele Menschen, vor allem junge Erwachsene. Es ist mir eine besonders große Freude, wenn ich ein junges Gesicht im Publikum entdecke.
Von links nach rechts: Regisseur Günter ...
Von links nach rechts: Regisseur Günter Czernetzky, Dr. Ingeborg Szöllösi und Alfred Schadt.
Wie haben Sie all diese Filme zusammengetragen und welches waren Ihre Kriterien bei der Auswahl?

Mir kam zugute, dass ich an der Mitteleuropa-Akademie in Bad Kissingen an jeweils zwei dreitägigen Filmseminaren teilgenommen habe. Über diese Veranstaltungen habe ich für die Kulturpolitische Korrespondenz berichtet. Meine beiden Artikel sind auch von der Siebenbürgischen Zeitung übernommen worden (SbZ vom 31.3.2012, Folge 5, S. 8, und SbZ vom 20.3.2014, Folge 4, S. 8). Mein persönlicher Mehrwert – der Zugang zu etwa 20 Filmen mit einer siebenbürgischen Thematik. Und über persönliche Kontakte zu dem einen oder anderen Filmemacher habe ich mich dann im Laufe des Jahres 2017 erkundigt, wer gerade woran arbeitet und welche aktuellen Filme gezeigt werden könnten. Thematische Vielfalt und differenzierter Blick waren die entscheidenden Kriterien bei der Filmauswahl. Die Regisseure sind nicht nur Siebenbürger Sachsen wie Günter Czernetzky, Dieter Auner oder Frieder Schuller, sondern auch Rumänen wie Florin Besoiu und Ungarn wie Farkas-Zoltán Hajdú oder Bundesdeutsche wie Björn Reinhardt, Martin Nudow, Andreas Beckmann, Walter Wehmeyer. Letztere haben Siebenbürgen durch den einen oder anderen Zufall entdeckt und wussten zunächst gar nicht, dass es dort eine deutsche Minderheit gibt. Die Perspektive von Nicht-Siebenbürgern auf Siebenbürgen einzubinden war mir ein großes Anliegen, da der fremde Blick oder die ungewohnte, ja schräge Meinung eine Diskussion immer anfeuert.
Der junge Nachwuchsregisseur Andreas Beckmann von der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film hat sich zum Beispiel aus purer Neugierde an einem Hilfstransport nach Rumänien Anfang der 1990er Jahre beteiligt und das idyllisch gelegene Dorf Gürteln entdeckt, Freundschaften geschlossen und dort seinen ersten Film zusammen mit seinem Hochschulkollegen Martin Nudow gedreht. Für diesen Film sind die beiden mit dem Sonderpreis der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz ausgezeichnet worden. Das ist doch beeindruckend, dass junge Menschen ohne irgendeinen Bezug zur siebenbürgischen Landschaft eine siebenbürgisch-sächsische Familiengeschichte und die Gegenwart eines Dorfes hinter Gottes Angesicht so sensibel einfangen. Ein weiteres Kriterium der Auswahl – das gilt allerdings für alle unsere Projekte – sind Jubiläen oder Gedenkjahre. In diesem Jahr feiern wir 30 Jahre seit der Gründung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Günter Czernetzkys neuer Film „Die Gründer“ widmet sich diesem Thema. Ein wichtiger Gedenktag ist der Kronstädter Schriftstellerprozess vor 70 Jahren, den zwei Filme unserer Reihe fokussieren. Und es folgt am 15. Juni ein Film über den Raketenpionier Hermann Oberth, der vor 125 Jahren geboren und vor 30 Jahren gestorben ist.

Gab es größere Schwierigkeiten / Hindernisse bei der Erstellung der Filmreihe? Wie lange war die Vorbereitungszeit?

Nein! Ich habe mich mit dem Kino-Betreiber des Bundesplatz-Kino getroffen und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Und das Wichtigste: Ich habe einen tollen Chef, ich kann mir keinen Besseren wünschen. Er ist sehr aufgeschlossen, meine Projektideen kann ich alle mit ihm besprechen – und da er Historiker ist, wird mir oft erst durch ihn die historische Relevanz der von mir lancierten Ideen bewusst.
Die Vorbereitungszeit belief sich auf ein halbes Jahr – mit Vertragsabschlüssen, Rechteklärung, Flyerproduktion, Werbemaßnahmen usw.

Haben Sie mit einem solchen überwältigenden Erfolg rechnen können und wie erklären Sie ihn sich?

Das Bundesplatz-Kino hat 87 Plätze und die sind in diesem Jahr meist schon am Vortag weg. Damit habe ich nicht gerechnet, denn sonst hätte ich mich ja in der Tat auch an ein Kino mit einer größeren Platzkapazität gewendet. Aber ich geben zu: Das Bundeplatz-Kino ist mir auch privat sympathisch, da hier ausschließlich anspruchsvolle Filme laufen – daher war meine Vermutung, dass das Kino meine Siebenbürgen-Filmidee aufgreifen würde, richtig. Vermutlich hätte ich bei einem großen Kino auf Granit gebissen, vielleicht auch nicht. – Allein die Siebenbürgen-Studienreisen, die ich immer wieder mal in der Wochenzeitung Die Zeit entdecke, zeigen, dass die Region zu einem beliebten Reiseziel geworden ist. Vor einiger Zeit hat Heinke Fabritius Siebenbürgen „Toskana des Ostens“ genannt – eine zutreffende Umschreibung. Zudem klingt der Name „Siebenbürgen“ so märchenhaft: „Hinter sieben Bergen, bei den sieben Zwergen …“ – tja, da verbirgt sich manch ein Schatz! Das ahnen viele und das macht das Faszinosum dieses Landstriches aus. Ich vermute, viele Berlinerinnen und Berliner schauen sich den einen oder anderen Film unserer Siebenbürgen-Reihe an, weil sie einfach neugierig sind.

Mittlerweilen sind die Karten bereits Tage vorher ausgebucht und eine Reihe von Interessenten muss draußen bleiben. Beabsichtigen Sie eine Wiederholung der Vorführungen?

Es gab im vergangenen Jahr einige Wiederholungen im August. In diesem Jahr wird das Kino bestimmt einige Filme noch mal zeigen.

Bei einem solchen Erfolg denken Sie vielleicht auch an Vorführungen in anderen Städten, zum Beispiel in München oder Stuttgart?

Warum nicht? Mit unseren Partnern im Süden der Republik – zum Beispiel dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Siebenbürgen-Kulturreferentin am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim, aber auch dem Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart – arbeitet das Deutsche Kulturforum östliches Europa eng zusammen. Einer Kooperation in Sachen „Film“ steht nichts im Wege.

Beabsichtigen Sie, die Reihe in gleicher oder ähnlicher Form fortzuführen?

Siebenbürgen bleibt auf der Agenda – ganz klar, das Projektformat „Film“ ebenfalls! Vermutlich setze ich mit einer Bukowina-Filmreihe 2021 fort, denn für 2020 plane ich eine literarische Reihe „Unerhörte Familiengeschichten aus dem östlichen Europa“, die ich mit dem Literaturhaus Berlin in Angriff nehmen möchte. Aber als Südosteuropa-Referentin kann ich nicht nur in Berlin oder Potsdam Wurzeln schlagen. Ich betreue Länder wie Ungarn, Serbien, Slowenien, Kroatien – in diesen Ländern bin ich mit unserer Erzählwerkstatt „Märchen und Sagen aus meiner Region“ unterwegs. Rijeka wird 2020 Europäische Kulturhauptstadt sein, also werden mich einige Projekte wie unsere Journalistenreise und das Stadtschreiberstipendium dorthin führen. Ich komme soeben aus der Republik Moldau und Transnistrien. Anfang Juni bin ich in Czernowitz – übrigens auch mit einem Film: Frieder Schullers „Im Süden meiner Seele“, ein Film über Paul Celans Bukarester Jahre. Ziel des Deutschen Kulturforums ist es, in den Ländern des östlichen Europas, die es schwerpunktmäßig behandelt, präsent zu sein und mit Partnern vor Ort gemeinsame Projekte zu initiieren. Diese Begegnungen bereichern mein Leben – beruflich und privat.

Vielen Dank und viel Erfolg für Ihre nächsten Projekte.

Schlagwörter: Kultur, Film, Deutsches Kulturforum östliches Europa

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