10. Juli 2025

"Eine endlose Folge, die man aus Verlegenheit Ewigkeit nennt": Ein Nachruf auf Franz Hodjak

Franz Hodjak war die imposanteste Erscheinung der sogenannten rumäniendeutschen Literatur: Die tiefe Stimme, die große Statur und insbesondere der zottige, zur Brust hin ausfransende Bart haben ihm etwas Mönchisches verliehen, eine ungeheure Ernsthaftigkeit, die er aber stets mit seinem Sprachwitz zu konterkarieren wusste. Er verstand seine literarische Textarbeit als ein Bosseln. Diesen Begriff hatte er dem Wortschatz der bildenden Künstler entlehnt und in einer Gesprächsrunde selber erläutert: Das Bosseln oder Bossieren diene dem letzten Schliff des Artefakts mit einem an dessen Spitze mit Kugeln versehenen Meißel.
Franz Hodjak, 2017. Foto: Daniel Schütte ...
Franz Hodjak, 2017. Foto: Daniel Schütte
Damit zog Hodjak eine scharfe Grenze zwischen seinen häufig biografischen Stoffen und der literarischen Form, mit der er sie in Szene gesetzt hat: „Mit mir hätte ich weniger zu tun gehabt,/ hätte es diese anderen nicht gegeben, die gewaltsam/ versuchten, die Sprache zu besetzen, die Erinnerung// zu enteignen, mich aus den Träumen zu werfen“, heißt es in einem jüngeren Gedicht von ihm, mit dem er das Paradox seiner schriftstellerischen Tätigkeit auf den Punkt gebracht hat: Ohne jene anderen wäre das Leben unbeschwerter verlaufen, doch ohne sie hätte es auch keine poetische Selbstbezeugung gegeben. Sprechen, Erinnern und Träumen wären selbstverständliche Ausdrucksformen geblieben und nicht zum schützenswerten Kapital des Menschen geworden, der zu einem genuinen Dichter wird, indem er es verteidigt.

Hodjak gehörte unter den rumäniendeutschen Schriftstellern, die aus ihrem Geburtsland nach Deutschland emigriert sind, zu den Nachzüglern. Er kam erst 1992 hier an. Dass sein ungewöhnlich langer Verbleib in Rumänien nicht freiwillig war, belegt eine Anekdote seines rumäniendeutschen Freunds Peter Motzan. 1988, ernüchtert von den vielen vergeblichen Anträgen auf einen Reisepass und der Unmöglichkeit, Einladungen ins Ausland nachzukommen, drohte Hodjak in seiner Funktion als Lektor des Klausenburger Dacia-Verlags ein oppositionelles „Protest-Happening“ an. Er würde an seinem Arbeitsplatz in Frauenkleidung erscheinen, ließ er verlauten, in einem Carmen-Kostüm. Damit handelte er sich eine Vorladung zum örtlichen Chef-Securisten ein, aber auch die Genehmigung seiner ersten Auslandsreise.

Es ging in die DDR, wo sein ostdeutscher Lektor- und Schriftstellerfreund Wulf Kirsten auf ihn wartete. Der gab noch im selben Jahr eine breite Gedichte-Auswahl von Hodjak unter dem Titel „Sehnsucht nach Feigenschnaps“ im Aufbau-Verlag heraus. Dem unfeierlichen Ton von damals, der Ironie, Lakonie, Pointiertheit, Sentenzhaftigkeit und Illusionslosigkeit ist der Vielschreiber und Vielpublizierer Hodjak bis zuletzt treugeblieben, sei es in der Lyrik, der Prosa oder der Aphoristik.

Hodjaks Literatur schöpfte vor allem aus der Rückschau auf die rumänische Nachkriegszeit bis 1989. Das Elend, das die „Blütezeit/ roter Gespenster“ unter Gheorghe Gheorghiu-Dej und dann Nicolae Ceaușescu über Rumänien brachte, war eines und dasjenige seiner Lebensthemen, das ihm 1990 sogar den Jurypreis der Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt bescherte. Doch seine Erinnerung bahnte sich immer wieder einen Weg zu Exklaven der Glückseligkeit frei: „der Heuduft erinnert/ an helle Nächte in den Karpaten. Immer/ erinnert etwas// an etwas. Vielleicht ist das eine endlose/ Folge, die man aus Verlegenheit/ Ewigkeit nennt.“

Wie seine Familie mitteilte, ist Franz Hodjak am 6. Juli im Alter von 80 Jahren gestorben.

Alexandru Bulucz



(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Juli 2025)

Schlagwörter: Kultur, Nachruf, Hodjak, Literatur

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