5. Juli 2025

Bestens vernetzter und wissensreicher Macher: Harald Roth zum Sechzigsten

Dr. Harald Roth ist Historiker, Kulturmanager und Vorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), seit über dreißig Jahren ist er Mitglied des Vorstands, war daneben im Vorstand sowie Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, Leiter der Siebenbürgischen Bibliothek, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter des Siebenbürgen-Instituts und ist damit eine der prägendsten Gestalten dieser Einrichtung.
Dr. Harald Roth bei seinem Vortrag über die ...
Dr. Harald Roth bei seinem Vortrag über die Nachwirkung des Andreanums bis 1876 und darüber hinaus auf der Jahrestagung des AKSL im August 2024 in Hermannstadt. Foto: Konrad Klein
Geboren am 24. Juni 1965 in Schäßburg und in Kronstadt aufgewachsen, kam Harald Roth bereits als Kind nach Deutschland. Ungeachtet der frühen Aussiedlung bildeten die Jahre in Kronstadt und enge familiäre Bindungen die Grundlage für seine frühe und intensive Beschäftigung mit Siebenbürgen und seiner Geschichte. Die Stadt unter der Zinne war und ist dabei stets mehr gewesen als vertrauter Ort der Kindheit und Jugend. In ihr oder vielmehr in ihrer Geschichte fand er Ausdruck seiner Zugehörigkeit und Selbstvergewisserung, einen Fluchtpunkt für Geist und Herz. Und er sollte in unterschiedlicher Form immer wieder nach Kronstadt zurückkehren.

Er selbst bezeichnete sich in diesen ersten Jahren in Deutschland als Suchenden – nach seinen eigenen siebenbürgischen Wurzeln, nach einem Zugang zur – vor allem jüngeren – Geschichte Siebenbürgens, die er als prägenden Faktor für sein eigenes Selbstverständnis empfand, nach einer Gruppe von Gleichgesinnten. Von dieser Suche zu Beginn der achtziger Jahre zeugen auch seine ersten Arbeiten, die er noch als Schüler anfertigte, etwa die Knopp-Chronik über seine Familie mütterlicherseits oder über die nationalsozialistische Deutsche Volksgruppe in Rumänien. Vor allem aber führte ihn seine Suche 1982 zum Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), dessen Mitglied er nicht nur seither blieb, sondern dem er bis heute seit mehr als 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen mit Hingabe und mithin großer persönlicher Opferbereitschaft diente.

Vor kurzem erschien in der Neuen Kronstädter Zeitung anlässlich deren 40-jährigen Jubiläums ein Interview mit Harald Roth. Er gehörte nicht nur zu den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins, der die Zeitung fortan herausgeben sollte, sondern war deren Initiator. Vielleicht war das bereits seine erste Rückkehr nach Kronstadt, der in den Jahren danach noch weitere folgen sollten.
Ein Bild aus den frühen Jahren des AKSL: Autor, ...
Ein Bild aus den frühen Jahren des AKSL: Autor, Verleger und Bücherliebhaber Hans Meschendörfer gibt dem jungen Harald Roth Tipps für die Hängung einer Kartenausstellung anlässlich der Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in Freiburg 1986. Foto: Konrad Klein
In den Zeilen dieses Interviews findet vieles Ausdruck, was diesen Suchenden damals auszeichnete – und es auch heute noch tut. Einen Kopf voller Ideen sowie Mut und Tatkraft, diese auch umzusetzen; überlegte Argumentation; einen nach vorne gerichteter Blick, wie man die Vermittlung der eigenen Geschichte fortentwickeln und für nachfolgende Generationen öffnen kann und wie man junge Menschen, Suchende wie ihn, dabei erreichen und einbinden kann; seinen Grundsatz, sich selbst ab einem bestimmten Punkt zurückzunehmen, das Vorhaben stets über die eigene Person zu stellen.

Noch heute erstaunt ihn die Reaktion der späteren Mitgründer der Zeitung, als er ihnen seine Idee vortrug. Sie nahmen ihn ernst, sprachen mit ihm auf Augenhöhe, hörten ihm zu. Was heute wie selbstverständlich klingt, war es vor vierzig Jahren keineswegs. Es wäre damals nicht das erste Mal gewesen, dass Altvordere solche Vorstöße „der Jugend“ abgetan und sich eher herablassend als aufmunternd gezeigt hätten. Doch traf sein damals schon profundes Wissen und die Reife seines Auftretens glücklicherweise auf die Offenheit und Zugewandtheit etwa von Hans Meschendörfer und Hans Bergel, zu denen er rasch ein vertrauensvolles und ungeachtet des Altersunterschieds freundschaftliches Verhältnis entwickelte. So knüpfte er schon früh Beziehungen zu zahlreichen Persönlichkeiten jener Zeit aus dem landeskundlichen, aber auch aus anderen Bereichen. Diese Beziehungen prägten und motivierten ihn und vermittelten ihm auch die Wertschätzung, die es braucht, um einen eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Und er ging den Weg weiter.

Mit der Gründung des Siebenbürgischen Alpenvereins 1986 (seit 1988 Sektion Karpaten im DAV) sollte die Tradition des 1944 aufgelösten Siebenbürgischen Karpathenvereins wiederbelebt und fortgeführt werden. Unter den Initiatoren und Gründern: Harald Roth. Im gleichen Jahr organisierte er mit Gusti Binder die erste Siebenbürgische Ferienakademie. Die eingangs erwähnte Suche nach Gleichgesinnten, sie fand hier ihre Fügung. In den folgenden Jahren war er maßgeblich bei der Erarbeitung und Entwicklung ihres Gepräges, das zwar über die Zeit variierte, aber in seiner Grundstruktur bis heute Bestand hat. Diese Arbeitsgruppe junger Enthusiasten formierte sich ab 1992 als Studium Transylvanicum, dem er ein als Leitgedanken formuliertes Konzept und Selbstverständnis mitgab. Doch auch hier zog er sich bald danach zurück, um den Nachfolgenden Raum für Entfaltung und eigene Gestaltung zu geben. Dieser Kreis verstand sich als Nachwuchs des Landeskundevereins. Es ist daher kein Zufall, dass viele Mitstreiter der ersten Jahre heute einen Großteil des AKSL-Vorstands sowie des Beirats und Vorstands der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek bilden. Ebenso wenig, dass aus dieser gemeinsamen Zeit bei der Ferienakademie Freundschaften fürs Leben erwuchsen.

Damit waren die Gründerjahre aber noch nicht abgeschlossen. 1987 gründete er die Siebenbürgischen Semesterblätter als halbjährlich erscheinendes Periodikum, die er über viele Jahre hinweg redigierte. Darin sollten nicht nur die auf den Ferienakademien gehaltenen Vorträge publiziert werden, sie boten auch Studenten und Nachwuchswissenschaftlern eine erste Möglichkeit, sich in wissenschaftlichen Veröffentlichungen auszuprobieren. Mit den Semesterblättern begründete er auch die sogenannte „Kleine Schriftenreihe der Siebenbürgischen Jugendseminare“, in der in den ersten Jahren in unregelmäßiger Folge vor allem wissenschaftliche Abschlussarbeiten zu siebenbürgischen Themen, aber auch Nachdrucke wie das Kinderbuch „Saksesch Wält“ erschienen – gesetzt mit seiner Schreibmaschine und ihrem so typischen Schriftbild.

Und 1987 schließlich initiierte er die Kooperation zwischen der später Studium Transylvanicum genannten wissenschaftlich-landeskundlich orientierten Jugend und der kurz vorher gegründeten Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), deren (zunächst kommissarischer) Vorsitzender er von 1988 bis 1991 war. Sein Ansatz einer auf breiter Basis fußenden, stärker miteinander verzahnten Zusammenarbeit der – wenn man so möchte – landsmannschaftlichen und landeskundlichen Jugend, ohne Rangordnung oder Führungsanspruch untereinander, fand schließlich im 1993 von ihm geschaffenen und im gleichen Jahr erstmals verliehenen Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis seinen Ausdruck.

Wie durchdacht und nachhaltig diese Vorhaben und Initiativen waren, zeigt sich nicht nur daran, auf welch fruchtbaren Boden sie fielen, sondern auch daran, dass sie noch immer bestehen. Die Neue Kronstädter Zeitung, die Siebenbürgische Ferienakademie, der Jugendpreis, selbst die Siebenbürgischen Semesterblätter, die 1999 mit der vom Landeskundeverein herausgegebenen Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde zusammengelegt wurden, sie wurden nicht nur fortgesetzt, sondern entwickelten sich weiter, erfanden sich bisweilen neu, ließen den jeweils Verantwortlichen Raum für Veränderungen und Anpassungen. Und all das ganz sicher in seinem Sinne.
„Historikerstreit“ unter Freunden: Dr. Harald ...
„Historikerstreit“ unter Freunden: Dr. Harald Roth auf dem diesjährigen Heimattag bei einem informativ-amüsanten „Streitgespräch“ mit seinem Historikerkollegen Thomas Sindilariu über den Deutschen Orden im Burzenland. Die Idee dazu geht auf Roth zurück. Foto: Konrad Klein
Wir sollten bei all dem nicht vergessen, dass Harald Roth während dieser Jahre Schüler und später Student war. Nach dem Abitur in München studierte er Neuere und Osteuropäische Geschichte sowie Evangelische Theologie in München, Freiburg/Br. und Heidelberg sowie als Fulbright-Stipendiat in Seattle/USA. Seine stark quellenbasierte Magister- bzw. Doktorarbeit über den Deutsch-Sächsischen Nationalrat 1919 bzw. über die politischen Strukturen und Strömungen bei den Siebenbürger Sachsen 1919-1933 wurden 1993 bzw. 1994 in Buchform veröffentlicht. Nach seiner Rückkehr 1993 aus Seattle schien seine wissenschaftliche Laufbahn vorgezeichnet. Doch als ihn im gleichen Jahr der AKSL bat, die Stelle als Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts und Leiter der Siebenbürgischen Bibliothek auf Schloss Horneck in Gundelsheim anzunehmen, überwog bei seiner Zusage vielleicht mehr als alles andere sein Pflichtgefühl. Mit dem Jahr 1993 brachen in Gundelsheim die schweren Jahre für das Institut und seine Mitarbeitenden an, den Geschäftsführer miteingeschlossen. Auf die (Hinter-)Gründe soll hier nicht weiter eingegangen werden. Dass und wie es weiterging, war vielen helfenden Händen, großzügigen Spendern, einem engagierten Vorstand, vor allem aber einem belastbaren, nimmermüden, einfallsreichen und effizienten Geschäftsführer zu verdanken. Sein Hauptaugenmerk galt nun der finanziellen Konsolidierung und damit besseren Absicherung der Gundelsheimer Geschäftsstelle sowie der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit. Er konzentrierte sich auf das Notwendige, nahm schmerzhafte Einschnitte vor, die ihn auch selbst betrafen, und richtete so die Geschäftsstelle neu aus. Aber er brachte auch Neues auf den Weg. 1994 erschienen erstmals die Mitteilungen aus dem Siebenbürgen-Institut, die auch heute noch im mittlerweile 32. Jahr erscheinen. 1995/96 gelang es zudem, in einem finanziellen Kraftakt und mit einer enormen handwerklichen Eigenleistung durch ihn und viele Mitglieder von Studium Transylvanicum das Institutshaus in der Schlossstraße in Gundelsheim zu erwerben und zu renovieren, das mit Büros, Archivräumen, Besprechungs- und Gästezimmern rund 25 Jahre lang zentraler Ort des Siebenbürgen-Instituts und der bibliotheksnahen Einrichtungen blieb.

Die Gundelsheimer Jahre waren trotz aller Beschränkungen auch produktive Jahre. Der Landeskundeverein veröffentlichte zahlreiche Bände in seinen verschiedenen Buchreihen, an deren Erscheinen er stets mitwirkte. Zahlreiche Publikationen dieser (und auch späterer) Jahre tragen seine Handschrift, nicht aber seinen Namenszug. Von 1994 bis 2015 war er Redakteur der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde. 1996 erschien seine „Kleine Geschichte Siebenbürgens“, die mehrfach aufgelegt auch in rumänischer und ungarischer Übersetzung vorliegt. Was an sich schon eine große Auszeichnung bedeutet für diese eher knappe, aber verdichtete und kontroverse Themen keinesfalls scheuende gesamtgeschichtliche Übersicht, die sich durch ihre ausgewogene Betrachtung und präzise Sprache auszeichnet. Überhaupt finden sich unter seinen Büchern zahlreiche weitere Titel, die sich weniger an ein streng wissenschaftliches Fachpublikum wenden, sondern an eine interessierte Leserschaft unabhängig davon, ob siebenbürgisch-sächsischer Herkunft oder nicht. Seine „Kleine Geschichte“ zu Hermannstadt (2006) und Kronstadt (2010) sind hier ebenso zu nennen wie das „Handbuch Historischer Stätten in Siebenbürgen“ (2003) oder auch das als Orientierungshilfe für Studierende der Fachrichtung Ost- und Südosteuropäische Geschichte konzipierte „Studienhandbuch Östliches Europa“ (1999). Erwähnt werden soll auch der von ihm herausgegebene Band über die Stadtgeschichte Kronstadts (1999), in dem zahlreiche Kronstädter Persönlichkeiten Kapitel zu den unterschiedlichsten geschichtlichen und kulturellen Bereichen beitrugen und ein vielgestaltiges sowie lebendiges Bild entstehen ließen. Wem außer ihm, dem unprätentiösen, bestens vernetzten, wissensreichen Macher, hätte dieses Unterfangen gelingen können, das für ihn wohl auch eine weitere Rückkehr nach Kronstadt bedeutete. Mit seinen Publikationen richtet er den Blick sowohl auf die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft als auch auf eine (jung)akademische Zielgruppe im Bewusstsein darüber, dass die Beschäftigung mit der Geschichte Siebenbürgens im deutschen universitären Rahmen nicht nur geeigneter akademischer Lehrer bedarf, sondern auch entsprechender Hilfsmittel und Anregungen.

Diesem Ziel sowie dem Versuch einer breiteren Wahrnehmung des Siebenbürgen-Instituts folgend war er federführend bei der Anbindung des Siebenbürgen-Instituts als sogenanntes An-Institut an die Universität Heidelberg im Jahr 2003. Dies sollte die Position des Instituts stärken, seine Leistungen hervorheben und auch im universitären Wissenschaftsbetrieb stärker verankern. Dass dies nicht im gewünschten Umfang gelang, lag am fast zeitgleich erfolgten Rückzug des Landes Nordrhein-Westfalen aus der Förderung des Siebenbürgen-Instituts, dessen Folgen bis heute nachwirken. Mit der Anbindung an die Universität Heidelberg übernahm Harald Roth die Stelle als Wissenschaftlicher Leiter des Siebenbürgens-Instituts und trug in dieser Phase mit seinem unermüdlichen Einsatz und seiner Kreativität zusammen mit anderen Helfern dazu bei, den Fortbestand von Institut und Bibliothek zu sichern. 2007 wechselte er ans Südost-Institut nach Regensburg, bevor er 2008 ans Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam kam, dessen Direktor er 2013 wurde und dem er seither als umtriebiger Kulturmanager dient, um mit Ausstellungen, Veranstaltungen, Vorträgen und Buchpublikationen nicht nur die Kultur und Geschichte der deutschen Siedlungsgruppen im östlichen Europa hierzulande zu präsentieren, sondern auch in den Herkunftsregionen.

2011 wurde Harald Roth die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Kronstadt verliehen. Es war eine weitere Rückkehr dorthin, vielleicht eine, die ihm von allen am meisten bedeutete. Dass ihm noch so manche Rückkehr bevorstehen möge, vor allem aber Gesundheit, sei ihm von Herzen gewünscht.

Stefan Măzgăreanu

Schlagwörter: Kultur, Historiker, Harald Roth

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