16. Januar 2021

Hoher Leistung verpflichtet: Nachruf auf die verdienstvolle Lehrerin und Landlerin Johanna Bottesch

Johanna Bottesch, Gattin des Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, ist am 3. Januar im Alter von 65 Jahren in Hermannstadt gestorben. Johanna Hermine Bottesch war die älteste Tochter von Hans Dietrich und Johanna Dietrich, geb. Rechert aus der Landlergemeinde Großpold. Der Vater war ein sehr beliebter und geschätzter Lehrer an der Volksschule in Großpold, der leider im Alter von nur 36 Jahren viel zu früh verstarb. So wuchs Johanna zusammen mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Brigitte am Hof ihrer Mutter in der Neugasse mit den Großeltern mütterlicherseits auf. Doch auch der Großvater Samuel Rechert verstarb schon 1970, die Großmutter Johanna Rechert, geb. Eder zehn Jahre später. Johanna hat gerne landlerische Weisheitssprüche ihrer Großmutter zitiert.
Johanna Hermine Bottesch (1955-2021) ...
Johanna Hermine Bottesch (1955-2021)
Johanna war eine sehr bescheidene und hochbegabte Schülerin. Als ob sie das Schicksal, das ihr geliebte Menschen so früh genommen hat, kompensieren müsste, war sie überaus ehrgeizig und fleißig, was schulische Leistungen betraf. 1970 mag es gewesen sein, als Johanna und ich im Krippenspiel „Das ewige Licht“, das der neue Pfarrer Wolfgang Rehner inszenierte, beteiligt waren. Dabei lernte ich sie besser kennen und schätzen. Alles, was sie zu leisten hatte, tat sie sehr gewissenhaft. Ich erinnere, dass sie einmal den Wahlspruch J. F. Kennedys zitierte: „Auch der zweite Platz ist eine Niederlage!“ Wir pendelten nach Abschluss der Volksschule in Großpold täglich mit dem Linienbus nach Mühlbach. Dort besuchte Johanna die Klasse mit deutscher Unterrichtssprache der Realabteilung des Lyzeums. Unter den Schülern war die Freundin aus engster Nachbarschaft, Maria, wie auch ihr zukünftiger Mann Martin. Auch ich gehörte zu der Gruppe. Früh zeigte sich ihre sprachliche Begabung, ihr logisches Denken, die Strenge eines korrekten Ausdrucks.

Ihre schmerzhaften Erfahrungen in der Kindheit – sie war noch nicht neun Jahre alt, als ihr Vater plötzlich verstarb – machten sie etwas scheu und vorsichtig. Doch das intelligente Mädchen mit den dichten schwarzen Haaren und sehr lebendigen Augen hatte viele schulische Erfolge zu verzeichnen. Sie nahm an der staatlich organisierten „Olympiade“ im Fach Deutsch teil und erzielte Preise, auch in der Landesphase. Nach glänzend bestandener Aufnahmeprüfung an der Fakultät für Philologie und Geschichte in Hermannstadt (damals eine Zweigstelle der Klausenburger Babeș-Bolyai-Universität), wurde sie Studentin mit dem Erstfach Deutsch und Zweitfach Englisch. Sie schaffte es immer, das ganze Pensum, das gefordert war, auch zu studieren. Ich erinnere, dass sie damals nur dort auffindbare Fachbücher für Germanistik aus dem Protestantisch-Theologischen-Institut in Hermannstadt ausborgte und sich genauestens aneignete.

Nachdem sie im Jahre 1976 mit Martin Bottesch, damals Mathematikstudent in Klausenburg, in Großpold geheiratet hatte, wechselte sie ihren Studienort und ging nach Klausenburg. Die junge Familie erfreute sich an den beiden ihr geborenen Söhnen Wolfgang (1978) und Ralph (1984). Die ersten Lehrstellen bekam Johanna wie auch ihr Mann in Mühlbach. Es war eine entbehrungsreiche Zeit, weil die unsinnige Sparpolitik Ceaușescus auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wurde. Oft fehlte es an allem Notwendigen: an Grundnahrungsmitteln, Gebrauchsgegenständen wie auch an der Wasserversorgung im Haus. Doch die gewissenhafte Ausübung des Lehrerberufs brachte den jungen Eheleuten Genugtuung und Erfolg.

Leider muss erwähnt werden, dass Johanna und Martin ein Kind verloren: Harald starb in frühestem Kindesalter, weniger als zwei Monate alt, 1982. Johanna hat daran gelitten, dass wieder der Tod in ihre junge Familie so brutal eingriff. Aber die Freude an Wolfgang und später an Ralph half sowohl über die Notzeit während des Kommunismus als auch über manche Engpässe hinweg. Ihre Welt war die Fachwelt. Germanistin war sie mit Fleisch und Blut. Eine Vollblutpädagogin, wie ihr Germanistikkollege Karlheinz sagte. Unterrichten machte nicht nur ihr Spaß, sondern auch denen, die von ihr unterrichtet wurden. Erst später kam sie an die Stelle, die ihr gebührte. 1992 übersiedelten Martin und Johanna Bottesch nach Hermannstadt. Ihr Mann sollte sich besonders für die deutsche Minderheit engagieren. Nun war es möglich, sich frei zu organisieren, was im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) geschah. Die Sachsen wie auch Landler machten von der neuen Freiheit jedoch so Gebrauch, dass die meisten von ihnen in die BRD auswanderten. Trotzdem waren die Wahlerfolge dieser Interessenvertretung des DFDR so erfolgreich, vor allem in Hermannstadt, dass auch Martin Bottesch sich für dafür geforderte Gremien bis zum Vorsitzenden des Kreisrates zur Verfügung stellte.

Johanna Bottesch lebte also in dieser spannenden wie herausfordernden Zeit in Hermannstadt. Sie veröffentlichte zusammen mit Martin Bottesch, ihrem Mann, „Die bairisch-österreichische Mundart der Landler von Großpold (Apoldu de Sus) in Siebenbürgen/Rumänien“ Wien 1992. Eine Spurensicherung bevor dieses österreichische Idiom sich verflüchtigen wird, weil die Dorfgemeinschaft nicht mehr besteht. Niemand war so sehr dazu berufen wie sie. Ihre Promotion betraf die Redewendungen dieser Mundart: „Der phraseologische Wortschatz des Landlerischen von Großpold unter strukturellem, semantischem und pragmatischem Aspekt“ Edit. Univ. Sibiu 2002. Sie unterrichtete an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt deutsche Sprachwissenschaft. Sie war eine sehr beliebte und sehr gewissenhaft arbeitende Dozentin dieser neugegründeten Universität. Da darüber hinaus auch Deutsch als Fremdsprache sehr begehrt war, nahm sie auch diese Aufgabe mit viel Fleiß wahr. Dienstreisen erfolgten meist nach Mannheim oder Marburg ins Germanistik-Zentrum. Darüber hinaus besuchte sie bestenfalls ihre Schwester und ihre Mutter in Bayern. Zu ihrer Mutter bestand eine intensive Beziehung. Als diese von den Erfolgen ihrer Tochter an der Hochschule und ihres Schwiegersohnes in der Politik hörte, sagte sie sinngemäß: Ich bete für Euch, dass ihr nicht abhebt. Johannas glänzend vorbereiteter Unterricht, ihr kompetentes Fachwissen und ihre souveräne Art machten sie zu einer begehrten und beliebten Lehrkraft der Universität. Sie und ihr Mann aber bewahrten ihre selbstverständliche Korrektheit und ihre natürliche Bescheidenheit. (Die Freunde haben niemals etwas anderes erwartet!)

Die Urlaube verbrachte sie zum Teil in Großpold, in ihrem Elternhaus in der Neugasse, meist aber in Hermannstadt mit wissenschaftlichen Aufgaben, mit Hausarbeiten, mit Vorbereitungen für die Hochschule oder mit Teppichwaschen und Einkochen von Marmelade und Gemüse für den Winter. Hausarbeit, wie sie im traditionellen Haushalt üblich war.

Ihr Leben außerhalb des Berufes reduzierte sich in den letzten Jahren weitgehend auf die familiären Beziehungen. Ihre Schwester lebt im oberbayerischen Aschau mit Familie. Ihre Mutter starb in Rimsting 2014, nachdem sie die Genesung von Hanni, ihrer Tochter, nach einer schweren, aber erfolgreichen Behandlung eines Lymphoms durch Chemotherapie 2013 erleben durfte. Ihre Söhne Wolfgang und Ralph leben in Linz bzw. in Innsbruck. Ralph ist Doktor der Mathematik und verheiratet. Sie haben zwei Kinder, die Johanna sehr bewunderte und liebte. Wolfgang hat BWL studiert.

Klarheit der Sprache, Sicherheit des Ausdrucks, Genauigkeit in den gestellten Aufgaben zeichneten sie aus, machten sie durch die Schärfe ihrer Argumentation fast unnahbar. Nicht aber für ihre Studenten und Freunde. Nur die Menschen ihres Vertrauens ahnten, wie viel sich hinter der eher verschlossenen Fassade verbarg. Ihre Tiefe war unauslotbar. Nur die Klaustrophobie gab sie als Ursache für ihre Scheu vor der Fremde und vor geschlossenen, unbekannten Räumen bekannt. Was sich hinter ihrem zu hohen Leistungen und Perfektion strebenden und angestrengten Leben verbarg, bleibt wohl ihr Geheimnis. Sie richtete ihr Leben nach dem unausgesprochenen Motto aus: „Nichts vom Leben erwarten, aber alles für die Aufgaben geben, die das Leben stellt!“ Nach diesem Motto lebte sie mit Selbstverständlichkeit.

Mit 60 trat sie in den Ruhestand. Nun konnte sie sich umso mehr ihren Hobbys widmen und weiter Deutsch als Fremdsprache am Deutschen Kulturzentrum Hermannstadt unterrichten, für ihre Familie da sein. Sie blickte auf ein sehr erfülltes und erfolgreiches Berufsleben mit Genugtuung zurück. Sie durfte sich einer guten Ehe erfreuen wie auch des Erfolges ihrer sehr verbundenen Söhne. Vor sieben Jahren hat sie, wie schon erwähnt, eine schwere Erkrankung überstanden. Sie hat ihr Leiden stets in aller Stille und sehr tapfer getragen. Wie gut, dass sie mit Maria, ihrer Freundin aus Kindertagen, wieder in enge Verbindung trat. Maria war es auch, die mit ihr in den letzten Wochen ihres Lebens, ohne zu wissen, dass es die letzten sein würden, oft und regelmäßig telefoniert hat. Das hat auch ihre Schwester getan.

Nun ist das unerklärliche Leid, das so oft Spuren in ihrem Leben hinterließ, endgültig von ihren Schultern genommen und keine Qual rührt sie mehr an. Die Ihren werden sie schmerzlich vermissen. Die Freunde sind von ihrem plötzlichen Tod überrascht, geschockt. Von der wohl mehr als zwei Monate zurückreichenden Wiederkehr des Lymphoms erfuhr auch sie erst Mitte Dezember. Martin, dem sie treue Ehefrau und auch kompetente, sachliche Gesprächspartnerin war, wie auch die Söhne, die ihre so aufmerksame und hingebungsvolle Mutter verloren, werden sie am meisten vermissen. Mit ihnen trauern: die Schwester Brigitte, die weiteren Verwandten und die Freunde, die Weggefährten und all jene, die ihr viel zu verdanken haben. „Am avut șansa să învăț germană cu doamna Bottesch. A fost un om și profesor cum rar întâlnești astăzi. Sibiul a pierdut un om deosebit.“ So lautet nur eine der dutzenden Beileidsbekundungen!

Sie ruhe nun in Gottes Frieden. Gottes ewiges Licht leuchte ihr! Der Herr sei ihr gnädig im Gericht und helfe ihr um Jesu Christi willen aus zu seinem ewigen Reich. Amen.

Pfarrer i.R. Samuel Piringer

Schlagwörter: Porträt, Nachruf, Lehrerin, Landlerin, Großpold, Siebenbürgenforum, Landler

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Neueste Kommentare

  • 16.01.2021, 11:47 Uhr von Noasbich: Ein sehr würdiger und rührender Nachruf von Pfarrer Samuel Piringer. Auch auf diesem Wege, ein ... [weiter]

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