6. Februar 2021

Nachbarschaft Lohhof: Gerda Wellmann 60 Jahre Verbandsmitglied

Als 1945 der Zweite Weltkrieg sein Ende fand, waren all die Siebenbürger Sachsen außerhalb ihrer Heimat, verstreut in Deutschland oder noch in Gefangenschaft, heimatlos. Ihre Familien, die in Siebenbürgen verblieben, saßen fest – „sie konnten zusammen nicht kommen …“. 1949 wurde die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. gegründet. Sie sollte nicht nur Anlaufstelle für alle Landsleute sein, sondern auch der neuen Bundesregierung als Ansprechpartner dienen, um für diese Gruppe Rechtsgrundlagen und ein Stück Heimatersatz zu schaffen. Gerda und ihr Mann Misch (gestorben am 26. April 2020) Wellmann kamen Ende November 1960 nach Lohhof, wo ihre Mutter, aus der russischen Deportation entlassen, lebte. Grund genug für den Verband, heute ein wenig mehr über die in Halvelagen geborene, 81-jährige Gerda Wellmann zu erfahren. Das nachfolgende Gespräch über ihre 60-jährige Mitgliedschaft führte Uschi Mühlbacher.
Gerda Wellmann ...
Gerda Wellmann
Hast du bereits etwas über den Verband, damals noch Landsmannschaft, gehört, als du noch in Siebenbürgen lebtest?
Ich wusste von meiner Mutter, dass es da Treffen zu Weihnachten und Ostern gab. Von einem Dinkelsbühl-Treffen in den 50er Jahren hat meine Mutter mir Fotos von Landsleuten in Trachten nach Siebenbürgen geschickt. Wer diese Treffen organisiert hat, habe ich nicht gewusst.

Was bewog euch als Ehepaar, so kurz nach der Ankunft in Deutschland in die Landsmannschaft einzutreten?
Weil wir Anschluss gesucht hatten. Ich hatte großes Heimweh, ich wollte Landsleute treffen. Deshalb habe ich mich auch immer auf Weihnachten und Ostern gefreut. An Ostern gingen z.B. die Landsleute hier in Lohhof zum Bespritzen, daran hat sich auch mein Mann beteiligt. Wir sind im November 1960 in Lohhof angekommen und 1961 in die Landsmannschaft eingetreten. In der Siebenbürgischen Zeitung wurde aufgelistet, wer aus Siebenbürgen herausgekommen ist, und so wurden 1961 unsere Namen veröffentlicht.

Ihr wurdet sozusagen in der neuen Heimat begrüßt?
Ja, ich habe mir die Zeitungsseite von damals auch aufgehoben.

Hast du dich von Anfang an in dieser Gemeinschaft gut aufgehoben gefühlt? Konntet ihr bald Freundschaften schließen?
Eigentlich hab ich mich schon gut aufgehoben gefühlt. Ja, man hat Freundschaften geschlossen, sich gegenseitig besucht, Sächsisch gesprochen und von daheim erzählt. Das hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, je mehr wir eben mit Landsleuten zusammenkamen. Dann haben wir ja hier 1970 die Nachbarschaft Lohhof gegründet und in unserem großen Hobbyraum unseres inzwischen erbauten Eigenheims wurde sehr viel gefeiert mit all denen, die hier in Lohhof gewohnt haben, und das waren nicht wenige. Landsleute aus München waren da nicht dabei. Wir haben durch meine Mutter, die ja schon länger hier lebte, mit Landsleuten, die wie sie in Russland waren, auch Freundschaft geschlossen und kamen häufig mit denen zusammen.

Als Mitglieder in der Landsmannschaft im Landkreis München gehörtet ihr zur Kreisgruppe München. Hast du dich an Aktionen und Veranstaltungen, die von der Kreisgruppe München ausgingen, beteiligt?
Das war dann schon viel später, als Michael Schmidt Vorsitzender der Kreisgruppe war, 1988 bis 1992, da haben wir für den Empfang des Evangelischen Dekanats München-Nord Häppchen gemacht. Dafür musste ich einkaufen und alles organisieren. Nachdem uns dort einmal der damalige Bürgermeister von Unterschleißheim, Rolf Zeitler, gesehen hat, gab es diesen Empfang auch einmal hier im Bürgerhaus. Das habe ich mehrere Jahre gemacht. Der nächste Vorsitzende der Kreisgruppe hat für diesen Empfang dann nur noch Frauen aus München bestimmt. Ich bin mit meinem Mann Misch auch sehr gerne zum Schwarz-Weiß-Ball in München gegangen. Ganz am Anfang gab es keine Weihnachtsfeier in München. In die Rokenstuf bin ich nur wenige Male gefahren, weil es dort einen Vortrag gab. Zu den Mitgliedsveranstaltungen ist dann meistens nur der Misch gefahren. Meine Aufgabe lag hier in Unterschleißheim. 1970 wurde ja die Nachbarschaft Lohhof gegründet. Misch war der 1. Vorsitzende, also der Nachbarvater, ich demzufolge die Nachbarmutter. Nach Dinkelsbühl sind wir jedes Jahr gefahren. 25 Jahre lang habe ich dort siebenbürgische Trachten, Webereien und Handarbeiten verkauft. Meinen Verkauf habe ich inzwischen jedoch eingestellt.

Ist dir noch irgendeine Besonderheit im Zusammenhang mit der Landsmannschaft bzw. Kreisgruppe in Erinnerung?
Der spätere 1. Vorsitzende der Kreisgruppe, Michael Schmidt, hatte uns dann nach der Gründung der Nachbarschaft Lohhof sehr geholfen. Durch seine Unterstützung konnten wir hier in Lohhof in den 70ern den ersten Baumstriezel backen. Aus Heilbronn hat er uns einen Grill mit vier Rollen besorgt und das war unser Beginn mit dem allseits beliebten Lohhofer Baumstriezel. An sonstige Besonderheiten kann ich mich eigentlich nicht erinnern. Mein Augenmerk lag hauptsächlich auf der Nachbarschaft Lohhof. Denn diese entwickelte sich, brachte siebenbürgisches Brauchtum nach Lohhof und wurde zum festen Bestandteil der damaligen Gemeinde, unserer heutigen Stadt Unterschleißheim.

Zum guten Schluss, was wünschst du dem Verband für die Zukunft bzw. für dieses Jahrzehnt?
Dass noch viele Landsleute Mitglied werden. Dass es auf dem beschrittenen Weg weiter geht, bisher ging‘s ja ganz gut, besonders mit den Tanzgruppen. Es ist so schade, dass wegen Corona zurzeit gar keine Zusammenkunft und keine Veranstaltungen möglich sind. Hoffentlich bleiben alle zusammen und verlaufen sich nicht. Diese Pause sollte genutzt werden, damit es dann mit Schwung weiter geht.

Liebe Gerda, mit diesem Blick nach vorne wollen wir unser kurzes Gespräch beenden. Im Namen der Kreisgruppe vielen Dank dafür und bleib gesund.

Schlagwörter: Kreisgruppe, Verbandsleben, Interview, Lohhof, Ehrenamt, Nachbarschaft

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