25. Mai 2025

Prägende Gestalt der Gründergeneration: Prof. Walter König zum Hundertsten

Die Väter unserer Gründergeneration werden nach und nach hundert. 2021 Ernst Wagner, 2023 Paul Philippi, in diesem Jahr Walter König, kommendes Jahr Balduin Herter, im Jahr danach Andreas Möckel. Als sie sich in den fünfziger Jahren im Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen getroffen hatten, waren sie meist in ihren Zwanzigern, sie waren alle auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt und nach ihrer Identität. Nachdem der Zweite Weltkrieg sie herumgewirbelt, jeder Illusion und jeder Gewissheit beraubt hatte, hatten sie immerhin das Glück gehabt, überlebt zu haben und in einer der westlichen Besatzungszonen oder in Österreich gelandet zu sein.
Prof. Walter König, engagiert wie immer, während ...
Prof. Walter König, engagiert wie immer, während der ersten Tagung des Arbeitskreises im Mai 1990 in Hermannstadt (hier im Spiegelsaal des Forums, noch improvisiert eingerichtet). Foto: Siebenbürgen-Institut Gundelsheim
Auch Walter König fand seinen Weg in diesen Kreis, der sich regelmäßig zu inhaltlich anregenden Freizeiten traf, oft um die Jahreswende. In Hermannstadt hatte der am 25. Mai 1925 Geborene das evangelische Lehrerseminar absolviert und wurde noch 1944 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach kurzer amerikanischer Kriegsgefangenschaft baute er in einem Flüchtlingslager in Österreich eine Schule auf und hielt sie über mehrere Jahre hin zusammen. Mit einem Teil der Schüler folgte 1950/51 ein Jahr in Norwegen, das mit solchen Unterstützungen die noch lange spürbaren Kriegsfolgen abzumildern bestrebt war. Seine Begeisterung für pädagogische und schulreformerische Fragen war schon längst geweckt, als er anschließend zeitweilig im südlichen Württemberg im Schuldienst war und sich dort so ausgezeichnete Beurteilungen erwarb, dass er ab 1953 ein Studium anschließen konnte: Pädagogik, Philosophie und Geschichte waren seine Fächer, vor allem in Tübingen, ein Jahr auch an der FU Berlin. Es war zugleich die Zeit, in der sich diese Kriegsgeneration im Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen sammelte, über die eigene Geschichte reflektierte und sich jenes landeskundliche Wissen aneignete, das ihr bis dahin gefehlt hatte. Ein aus diesen Treffen hervorgehender Freundeskreis sollte 1962 nicht nur den alten Landeskundeverein, 1840 in Mediasch gegründet, als Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde wiederbegründen, sondern er sollte bis hinein ins 21. Jahrhundert halten und der wissenschaftlichen Kunde von Siebenbürgen ein festes Fundament geben. Im gleichen Jahr, in dem Walter König diesen Arbeitskreis mitbegründete, 1962, erhielt er einen Ruf als Dozent an die gerade eingerichtete Pädagogische Hochschule in Reutlingen. Die pädagogische Lehrerausbildung war in Baden-Württemberg gerade neu organisiert und auf Hochschulbasis umgestellt worden, und König hatte sich als begeisterter Pädagoge mit Fokus auf Lehrerfortbildung, Didaktik und Schulreform bereits einen Namen gemacht. Bald sollte sich sein Engagement auch auf die Hochschulverwaltung und auf die Hochschulpolitik des Landes Baden-Württemberg erstrecken, etwa durch seine Tätigkeit in der Lehrergilde.

Darunter litt sein Einsatz für siebenbürgische Themen allerdings keineswegs. Als 1971 – ein Jahr, nachdem er in Reutlingen auch zum Professor ernannt worden war – der erste Jahrgang des neubegründeten Korrespondenzblattes des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde erschien, war er es, der für den ersten wissenschaftlichen Aufsatz der neuen Zeitschrift verantwortlich zeichnete. König war bereits mittendrin, zum besten Kenner nicht nur der Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Schulen, sondern überhaupt des Minderheitenschulwesens in Rumänien zu werden. Er baute über die Jahre hin ein umfassendes Netzwerk zu Lehrern in Rumänien auf, vor allem an den deutschen Schulen, wurde Mitglied der deutsch-rumänischen Schulbuchkommission und leitete im Arbeitskreis die Sektion Schulgeschichte und Didaktik über Jahrzehnte mit großem Erfolg. Damit trug er zugleich wesentlich dazu bei, dass der Arbeitskreis bereits in Zeiten, als der Eiserne Vorhang von Osten her noch undurchdringlich war, über ein engmaschiges Partnernetz verfügte, ohne sich jedoch in irgendeiner Weise politisch vereinnahmen zu lassen. Diese Rumänien-Expertise war einer der Hauptgründe, weswegen es dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde ab 1970 glückte, einen hauptamtlichen Referenten vom Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart gestellt zu bekommen – dieser über mehr als zwei Jahrzehnte vom IfA bezahlte „Geschäftsführer“ auf Schloss Horneck sollte schließlich das dortige Kulturzentrum der Siebenbürger Sachsen überhaupt erst ermöglichen. So war es auch selbstverständlich, dass König in den Gremien der dieses Kulturzentrum ausmachenden Einrichtungen maßgeblich mitwirkte, ab 1978 im Vorstand des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (ab 1984 für ein Jahrzehnt auch als dessen Vorsitzender), im Vorstand des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums, auch hier zeitweilig als Vorsitzender, schließlich als Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats (1989-1992), von vielen anderen Funktionen etwa im Bundesvorstand des Verbands oder bei anderen ostdeutschen Einrichtungen ganz zu schweigen.

Bei allem, was er tat, ging es ihm stets um die Sache, als Person nahm er sich selbst zurück und drängte selbst bei den zahlreichen Ehrungen, die ihm im Alter zuteil wurden, auf größtmögliche Zurückhaltung. Ihm wie auch seinen Mitstreitern, die aus der Gründergeneration des AKSL hervorgingen, ging es stets um die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Einrichtungen in Gundelsheim, Unabhängigkeit von politischen als auch von verbandspolitischen Interessen, selbst um den Preis eingeschränkter Fördermöglichkeiten und zukunftsfester Absicherungen. So konnte aus bescheidenen Anfängen der fünfziger und sechziger Jahre ein Kulturzentrum entstehen, das vielen anderen Gruppen als leuchtendes Vorbild diente – und dessentwegen schließlich 2015 in einer großen kollektiven Anstrengung das Schloss aus einer Konkursmasse herausgekauft wurde, denn das Kulturzentrum stand auf einem Höhepunkt, es musste nicht erst erfunden werden.

Der Weg dorthin wäre ohne Professor Walter König, seine hohe Kommunikationsfähigkeit, seine stringente Argumentation, seine Zuverlässigkeit und auch seine Belastbarkeit nicht denkbar gewesen! Zu seinem Engagement für Fragen des Schulwesens kamen im Arbeitskreis noch seine Interessen an der Zeitgeschichte hinzu, denn er drängte auf eine kritische Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit, was er auch mit der Leitung der Sektion Zeitgeschichte zum Ausdruck brachte. Zwei Jahrestagungen des Arbeitskreises, 1982 in Münster/W. und 1984 in Graz, bildeten den Auftakt zu diesem durchaus schwierigen Schritt, denn es waren noch lange nicht alle bereit, sich einer kritischen Aufarbeitung dieser jüngeren Vergangenheit und auch der eigenen Verantwortung zu stellen. Neben vielen anderen Beiträgen erschien 1994 der von König herausgegebene Sammelband zur Geschichte Siebenbürgens zwischen den Weltkriegen, bald danach der ebenfalls von ihm herausgegebene Tagungsband zur siebenbürgischen Schulgeschichte (1996). Seine eigenen, verstreut erschienenen Aufsätze fanden schließlich Eingang in die (knapp 400seitige) Festgabe, die ihm der Arbeitskreis anlässlich seines 80. Geburtstags unter dem Titel „Schola seminarium rei publicae“ [lat. Die Schule ist die Pflanzstätte des Gemeinwesens] überreichte (2005) und die diese Zeitung damals als „Unverzichtbares Kompendium zur Schulgeschichte“ bezeichnete.

In der Zwischenzeit waren ihm das Bundesverdienstkreuz (1995), die Ehrendoktorwürde der Universität Hermannstadt (1996) und der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis (2002) verliehen worden. In seiner Dankesrede für Letzteren benannte er siebenbürgische Geschichte und Landeskunde und die Erhaltung der eigenen Kulturgüter als eine dreifache Aufgabe für die Gegenwart, also auch für uns heute: Dazu seien 1. Dokumentation und aktive Forschung nötig (wobei er ausdrücklich auch das Schulwesen im Blick hatte), 2. ein weiterhin agiles Publikationswesen und schließlich 3. eine aktive Öffentlichkeitsarbeit nicht nur für die eigenen Landsleute, sondern vielmehr für ein übergreifendes Publikum. Alles Aufgaben, die bis heute zum Kerngeschäft des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg gehören, den König nicht nur von seiner Gründung an geprägt, sondern dessen Vorstand er auch über rund zwei Jahrzehnte angehörte und dessen Ehrenmitglied er war. Von einer heimtückischen Krankheit schon lange eingeschränkt, aber geistig kaum weniger aktiv, konnte er in dieser Zeitung im Mai 2015 von einem seiner Weggefährten, Andreas Möckel, noch gebührend gewürdigt werden. Er starb bald danach im Herbst des Jahres 2015 in Reutlingen.

Seine langjährigen Partner in Siebenbürgen und die Sektion Schulgeschichte des AKSL haben anhand landeskirchlicher Unterlagen zur Erfassung der Schulsituation im frühen 19. Jahrhundert ein Dokumentationsprojekt vorbereitet, das sie Mitte Oktober 2025 in Hermannstadt präsentieren werden. Dabei wird des hundertsten Geburtstags von Walter König gedacht werden, genauso wie bereits kurz vorher anlässlich der regulären Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg Ende September in Bad Kissingen. Auf diese Weise wird sein Nachwirken über die ungebrochene Aktivität der Sektion Schulgeschichte hinaus konkret greifbar – und sein Andenken bleibt auch über den 100. Geburtstag hinaus lebendig.

Harald Roth

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Pädagoge, Historiker

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