29. Januar 2024

Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof e.V.: Nachruf auf Erika Mühlbacher

Am 11. Januar wurde unsere älteste und hochgeschätzte Nachbarin Erika Mühlbacher in Begleitung einer großen Trauergemeinde zu Grabe getragen. Sie verstarb 101-jährig am 5. Dezember 2023 friedlich in ihrem Zuhause in Unterschleißheim.
Kritisch, weltoffen, politisch sowie vielseitig interessiert und gesegnet mit einem stets wachen Geist, so kannten wir Erika und dafür zollten wir ihr immer Bewunderung und Respekt. Wir Lohhofer Siebenbürger Sachsen trauern in besonderer Weise um Erika, haben wir ihr doch so viel zu verdanken.

Erika Mühlbacher. Foto: privat ...
Erika Mühlbacher. Foto: privat
Geboren wurde Erika am 5. Oktober 1922 in Hermannstadt als ältestes von drei Kindern einer Kaufmannsfamilie. Mitten im Zweiten Weltkrieg verließ Erika mit knapp 19 Jahren ihre Heimat Richtung Berlin zur Berufsausbildung. Aber all die Wirren des Krieges, Bomben und die nahenden Russen vertrieben sie schließlich nach Wien. Dennoch beschloss sie, nicht mehr nach Siebenbürgen zurückzukehren. Doch auch hier zerstörte der Krieg ihre Zukunftspläne, vor allem aber ihren Traum, Journalismus mit Schwerpunkt Literaturwissenschaft zu studieren. Stattdessen musste sie erneut vor den Russen fliehen, diesmal westwärts.

Ihr Lebensweg führte Erika schließlich von Oberösterreich über viele Stationen und Umwege 1953 mit Mann und Kind nach Saarbrücken. Dort gründete sie nur wenige Jahre später zusammen mit einigen ebenfalls inzwischen dort lebenden siebenbürgischen Landsleuten die Landesgruppe Saar. Von Anfang an war sie mit der Aufgabe der Schriftführung betraut, die sie bis zu ihrem Weggang von Saarbrücken fortführte.

Mit Beginn des Ruhestands zog Erika 1988 zu ihrer Tochter Uschi nach Unterschleißheim. 1993 entdeckte sie als Zuschauerin am Straßenrand im Festumzug zum Lohhofer Volksfestplatz eine Gruppe Siebenbürger in Tracht. Der Kontakt war schnell hergestellt und schon im Juli 1993 traten Mutter und Tochter der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof bei.

Gleich von Beginn an entwickelte sich zwischen Erika Mühlbacher und den beiden Gründungsvätern und damaligen Vorständen der Nachbarbarschaft, Hans Zultner und Michael Wellmann, ein reger Austausch in Bezug auf unsere siebenbürgische Geschichte, unsere Sitten und Bräuche. Da lag es nahe, dass die beiden Vorstände schließlich die komplette Ausarbeitung der Festschrift für das 25-jährige Jubiläum, das 1995 anstand, Erika übertrugen. Von diesem Zeitpunkt an ging alles, was schriftlich vom Verein nach draußen sollte, durch ihre Hände. Nach den Vorstandswahlen 1996 war Erika dann offiziell für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Nachbarschaft zuständig. Schreiben war einfach ihr Ding! Erika machte es sich zur Aufgabe, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen mit zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen den Unterschleißheimer Mitbürgern, aber gleichermaßen auch den hier lebenden Landsleuten nahe zu bringen. Über die fast 900-jährige Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen hat man in der kommunistischen Ära in Rumänien recht wenig erfahren. Somit hatten wir hier unseren eigenen Geschichtsunterricht und erfuhren viel über unsere „DNA“. Von da an bekam die Nachbarschaft auch ein ganz anderes Gesicht und endlich wurden wir als Deutsche aus Rumänien wahrgenommen. Vorbei die Zeiten, als man hierzulande immer nur von den „Rumänern“ sprach. Erika trug auf diese Weise sehr viel zur gelungenen Integration unserer Nachbarschaft und ihren Mitgliedern in Unterschleißheim bei. Bei vielen Gelegenheiten war Erika uns mit ihrem reichen Erfahrungsschatz stets eine große Stütze! Über viele Jahre trat sie bei unserem traditionellen Krautessen am Faschingsdienstag als Hexe in die Bütt und gab zum Vergnügen aller in lustigen Reimen Begebenheiten aus dem Vereinsleben des jeweils vergangenen Jahres zum Besten.

Im Jahr 2000 gründete Erika zusätzlich den Seniorenkreis, den sie bis 2018 leitete. Hier konnten unsere Alten in ihrem siebenbürgischen Dialekt aus ihrem Leben erzählen. Die Ältesten unter ihnen wurden 1945 durch die Russen aus der Heimat in die Sowjetunion deportiert und konnten nun in diesem Kreis von all ihren Entbehrungen, dem Leid und Heimweh berichten. So halfen diese Zusammenkünfte einigen auch dabei, diese schrecklichen Erlebnisse ein Stück weit zu verarbeiten.

Erikas vielseitiges Engagement wurde 2016 mit der Silbernen Ehrennadel der Stadt Unterschleißheim belohnt. Aufgrund einer voranschreitenden Makuladegeneration verschlechterte sich jedoch Erikas Sehkraft zusehends. Immer häufiger versagten ihr die Augen beim Lesen und Schreiben den Dienst. Letztlich sah sie sich gezwungen, sich aus allem zurückzuziehen. Dennoch, bis zuletzt nahm sie wach wie eh und je am Leben teil.

Die Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof e.V. wird Erika Mühlbacher immer in ehrenvoller Erinnerung behalten. Möge sie in Frieden ruhen.

Die Vorstandschaft

Schlagwörter: München, Lohhof, Nachbarschaft, Mühlbacher, Nachruf

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