20. Februar 2009

"Muse um und von der Steinburg" in Rottweil gekürt

„Es war, als hätt’ der Himmel/ Die Erde still geküsst…“ (Joseph von Eichendorff) Diesem Bild kosmischer Harmonie vergleichbar war die Stimmung beim Fasching der Siebenbürger Sachsen am 31. Januar im Festsaal der Rottweiler Telekom. Dazu beigetragen haben wohl auch das sehr gute Essen, die preiswert-guten Getränke und die stimmige Musik.
Das Wichtigste aber war die aus vielen Teilen Baden-Württembergs und aus Bayern mitgebrachte gute Laune der Gäste und Mitwirkenden. Höhepunkt des abendlichen Faschingsgeschehens war die Kür des siebenbürgischen Ritters wider den tierischen Ernst. Es traf die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter.

19.91 Uhr (20.31). Zu den Klängen eines Marsches formierte sich das hohe Gericht aufzugartig aus vier Jurorenpaaren in siebenbürgischer Tracht, die die Zunfttruhe mit den für die Ritterkür benötigten Insignien, Schwert und Adelsbrief, ins magische Rechteck brachten, angeführt von Landesvater Alfred Mrass, Anwalt und Laudator der zu kürenden Ritterin, im Ritterkostüm und Rittervater Siegfried Habicher als Richter in schwarzer Robe, auf der Brust das siebenbürgisch-sächsische Wappen. Das hohe Gericht postierte sich vor dem Plenum der Siebenbürger.
Herbeigeströmt von nah und fern waren zahlreiche Gäste: eine Gruppe jüngerer Landsleute aus dem benachbarten Schwenningen hatte von der Neckarquelle her auch gut ein halbes Dutzend Kinder mitgebracht, die streckenweise von unserer stellvertretenden Kreisgruppen-vorsitzenden Hildegard Birk betreut wurden. Aus dem Donautal waren Hilda und Martin Brenndörfer, der Vorsitzende der benachbarten Kreisgruppe Tuttlingen, in Begleitung weiterer Ehepaare angereist. Sie wirkten nun als Juroren mit. Von der Schwäbischen Alb waren Ilse und Adolf Mathias, der Gründungsvorsitzende aus Albstadt, zusammen mit Wiebke und Konrad Baku gekommen. Sie sollten später mit einem flotten Tanz, den sie als Quartett aufs Parkett legten, die Stimmung anheizen. Auch der Vorsitzende der Kreisgruppe Zollernalb, Fredi Gökeler, war mit seiner Tochter zugegen. Aus Villingen waren die Lehrer Erna und Hans Teutsch, aus Reutlingen Christa und Dieter Hann, aus Herrenberg das Lehrerehepaar Erika und Kurt Binder, aus Sachsenheim mit Laudator Alfred auch seine Frau Brigitte Mrass, aus Heilbronn Landeskulturreferentin Marianne Hügel und Familie Oczko, aus Illingen Familie Henning, aus Villingendorf bei Rottweil Familie Schmidt zu uns gestoßen. Selbst Oberndorfer waren gekommen, um auf der Tanzfläche aktiv mitzumachen. Von den zweibeinigen Rottweilern waren zugegen: das Ärztepaar Bettina und Dieter Steilner, Musiklehrer Kurt Schuller mit Ehefrau Edith, Heide und Werner Hoch, Eduard Schneider mit Ehefrau, die Familien Filp und Nemenz, Hilda Miklos, Maria Drotleff sowie neben Siegfried auch Traute und Freyja Habicher.

Ehre, wem Ehre gebührt

Noch stand sie als Steinburg bekleidet im Hintergrund, Doris Hutter, als Laudator Alfred von und zu Sachsenheim, Siebenbürgischer Ritter wider den tierischen Ernst, zu erwägen begann, ob sie denn und warum sie zur Ritterin gekürt und geschlagen werden sollte. Von dem Zeitgeschehen ausgehend verdeutlichte der Festredner, dass die Siebenbürger Sachsen, gegen den Strom schwimmend, im Laufe der Jahrhunderte gelernt haben – sich in ihren Kirchenburgen verschanzend –, jedem Gegner zu trotzen. Rednerisch brillant führte der Laudator aus: „In dem Meer der heute weltweiten Hoffnungslosigkeit gibt es jedoch eine Insel. Diese Insel liegt in Rottweil, in der Steigstraße, genau hier in der Telekom-Kantine. Das heißt: Die Männer und Frauen um Siegfried Habicher haben beschlossen, sich gegen den Welttrend zu stemmen und für die Siebenbürger Sachsen aus der Region einen lustigen und besonderen Abend zu organisieren. Damit die Sachsen nicht in Schwermut und Depressionen verfallen. Ich begrüße als Landesvater diese Initiative und danke Euch dafür.“ Wie Mrass betonte, sei es ihm eine Ehre, „die Frau, die zukünftig ernst wider das Tierische, nein, die künftig tierisch wider das Ernste reiten und kämpfen wird, Frau Doris Hutter aus Agnetheln, hier zu würdigen“. Das Preisgericht habe mit dieser Entscheidung klug und weise gehandelt - was man bei Gerichten nicht immer sagen könne.

In seine Laudatio baute Fredi vu Sachsenhiem manch Wortspiel und Verdreher ein. Ein Ritter oder eine Ritterin müsse reiten können. Schlau wie Doris sei, habe sie sich ein Pferd gesucht, dem niemand etwas anhaben könne, den Pegasus, das geflügelte Ross aus der griechischen Sage, das die dichterische Phantasie versinnbildlicht, und so dichtete die studierte Mathematiklehrerin hinfort. Sie verließ also die Welt der Zahlen, der Fakten, und verlegte sich auf das Kreative, das Phantasievolle, den Humor. Der Laudator verwies auf eine Vielzahl von Gedichten, Geschichten, Theaterstücken, Liedern, Musicals, Filmen. Doris Hutter habe 18 eigene Stücke, größere und kleinere, geschrieben. In ihren Schriften komme „der Humor, die Bauernschläue, die Unwissenheit, der treuselige Glaube unserer Siebenbürger Sachsen, die Ignoranz der Intellektuellen, und vieles mehr aus der sächsischen Welt von hüben und drüben zum Ausdruck“. Es gehe ihr darum, Missstände anzuprangern, auf falsche Auffassungen und Meinungen hinzuweisen, menschliche Schwächen aufzudecken, vermittels Humor, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Dabei greife sie oft Anekdoten und humorvolle Ausdrücke von daheim auf. Sie habe dem Volk „aufs Maul geschaut“, wie weiland Martin Luther.

Mrass stellte fest, dass die Kandidatin die Voraussetzungen für eine Ritterin wider den tierischen Ernst erfülle. Ritter lebten auf Burgen und Doris sei auf einer Burg geboren und habe auf dieser Burg auch gelebt: die Steinburg in Agnetheln (auch wenn die Steinburg nur ein Wohnviertel in Agnetheln ist). Nachdem Alfred Mrass auch Erziehung und moralische Haltung redselig-witzig überprüft hatte, kam er zu dem Schluss: „Doris Hutter hat ihre edlen und vornehmen Eigenschaften im Verlauf der Jahre zur Genüge bewiesen. Deswegen verdient sie, heute und hier zur Ritterin geschlagen zu werden. Siegfried, schreite zur Tat.“ Sodann schlug der Richter Habichfried von Hermannsottweil dem Plenum vor, auch die Gegenrede der Kandidatin zu hören, bevor sie als „Muse um und von der Steinburg“ in den Ritterstand erhoben werden würde.

Während der Laudatio hatte Doris Hutter als Steinburg verkleidet stumm im Hintergrund gestanden. Jetzt trat sie vor und beschrieb in ihrer Erwiderung, wie sie in Goethes deutsche Lande gekommen sei. Dabei habe sie den Burgen in Siebenbürgen „Adjee!“ gesagt, wodurch sie nur noch Frau von Stein gewesen sei. Ihre Erfahrungen als Lehrerin hätten ihr gezeigt: „Man kann hier und heute, es sei uns verziehn,/ nur ganz schwer vermitteln Schiss und Disziplin.../ Dabei ist so einfach die Kombination:/ Ich kannt’ es vom Schlangesteh’n um die Ration./ Die 80er Jahre, sie prägten mich tief./ Ich höre noch heut, wie die Nachbarin rief:/ ‚Zur Fleischbank! Dort gibt es Patrioten, ihr Leut,/ da ist sogar Fleisch dran, schaut her, eine Freud!’/ Sie öffnet das Päckchen, ich schaue tief rein/ und seh’ einen Kopf und zwei Füße vom Schwein. (...) Das Schicksal uns wunderlich Freuden aufzwingt.../ Mal seh’n, was für Freuden die Wirtschaftskris’ bringt!/ Drum lasst uns die Gläser erwartungsvoll heben!/ Habt Dank, Lands- und Rittersleut! - Wir mögen leben!“ Während Doris das sagte, warf sie ihren Umhang zu Boden und stand plötzlich als Urzeldame im Zentrum des Interesses. Es folgte der Ritterschlag! Dann das Umhängen der blau-roten Schärpe mit der Aufschrift „Siebenbürgischer Ritter wider den tierischen Ernst“, begleitet vom öffentlichen Verlesen des Adelsbriefes, der die Inhaberin zum Doktor humoris causa promovierte. All das geschah vor der überwältigenden Kulisse siebenbürgisch-sächsischer Trachtenträger mit der kunstvoll bemalten sächsischen Zunfttruhe.

Die „Muse um und von der Steinburg“ hatte noch einen Auftrag der Heimatortsgemeinschaft Agnetheln auszurichten: Sie überreichte dem Gründer dieser Ritterkür, Siegfried Habicher, das Buch „Wer bist du? - Die Urzelmaske“ mit folgender Urkunde: „Hirräiii! dem tücht’gen Attaché/ von Hermannsottweil, den ich seh/ den Schalk im Aug’ des Habichfried/ und kür als Muse ihn hiermit/ zum „URZEL-RITTER-SCHLÄGER“. Im Verlauf des Abends gab es noch einen Höhepunkt, als Kurt H. Binder seine Broschüre „Humor ist in!“, der „Muse um und von der Steinburg“ gewidmet, vorstellte und unter Beifall die treffenden Reflexionen zur ersten Kür einer dichtenden Ritterin vorlas.

Traute Habicher

Schlagwörter: Fasching, Ehrung

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