27. März 2009

Kreisgruppe Bonn: Zottel-Urzeln im Jecken-Land

In Siebenbürgen – insbesondere in Agnetheln und in den benachbarten Harbachtalorten Mergeln, Marpod und Großschenk – hat sie früher jeder gekannt: Die fröhlichen und zugleich ernsten, vermummten Gestalten, die zur Fastnachtszeit in zotteligen Kostümen und Furcht erregenden Masken mit lautem Peitschengeknall und Schellengeläut durch die Straßen liefen. Als Folge des Massenexodus der Sachsen nach Deutschland wurden die jahrhundertealten Umzüge 1990 eingestellt.
Doch die Urzeln leben weiter ... Einerseits wird die Brauchtumsveranstaltung seit 2006 im siebenbürgischen Agnetheln wieder abgehalten und auch auf Hermannstadt ausgeweitet. Andererseits setzen sich ausgewanderte Sachsen sowie der eingetragene Verein Urzelnzunft Sachsenheim und andere Gremien schon seit vielen Jahren für die Pflege und Überlieferung des Urzellaufens in deutschen Städten und Gemeinden ein.
Bonner Gruppe: Die Agnethler Urzelgruppe hat sich ...
Bonner Gruppe: Die Agnethler Urzelgruppe hat sich erneut bei den Richters in Bonn-Niederholtorf eingefunden. Foto: Dieter Göllner
Vor allem im süddeutschen Raum, in Städten wie Sachsenheim und Traunreut, Fürth und Geretsried oder Herzogenaurach und Nürnberg, haben die Urzelauftritte schon einen festen Platz im Veranstaltungskalender in der Faschingszeit. Inzwischen haben die Urzeln auch das Rheinland erobert. Bereits 2006 nahm eine Schar gebürtiger Agnethler im „Häs“, mit bemalter Drahtmaske, peitschenknallend und schellenrasselnd am Jeckenzug von Bonn-Niederholtorf teil. Das Interesse und die Neugierde der Zuschauer war riesig, der Auftritt ein voller Erfolg.

Auch in diesem Jahr kam eine 30-köpfige Gruppe großer und kleiner, junger und alter, männlicher und weiblicher Urzeln bei den Gastgebern Edda und Hans Georg Richter in Bonn-Niederholtorf zusammen. Schon vor dem traditionellen „Zoch“ ging das fröhliche, laute und dennoch gemütliche Urzeltreiben los. Im zotteligen Kostüm und mit Furcht erregender Maske „knallte“ sich so mancher mit seiner Lederpeitsche schon mal warm, während andere ihre Quetschen aus Eschenholz mit den von Zuschauern so heiß begehrten Krapfen bestückten. Dann war es endlich soweit: Die Urzeln liefen gemeinsam mit anderen Kostümgruppen durch die Straßen. Immer wieder wollten neugierige Rheinländer wissen, was der Brauch symbolisiert beziehungsweise woher er kommt. Viele ließen sich „in die Peitsche nehmen“ und waren für ein Tänzchen zu haben.

Auch die gebürtige Agnethlerin Doris Hutter – die als stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., als Kulturreferentin der HOG Agnetheln und als Geschäftsleiterin im Haus der Heimat Nürnberg tätig ist – ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit ihrer Tochter in selbst genähten Urzelanzügen an der Begegnung in Bonn teilzunehmen. Mit lautem Peitschenknallen und Kuhglockenlärm fand sich die Gruppe nach dem Umzug wieder im Hause der Richters ein und genoss – so wie früher in der alten Heimat – das gesellige Beisammensein und typische kulinarische Spezialitäten. Unter den Gästen war auch das Ehepaar Ruth und Horst Fabritius, die sich dem Agnethler Brauchtum sowohl aus eigenem Erleben, aber nicht zuletzt auch als publizistische Chronisten nahe fühlen.

Mit der Frage, ob der Urzelbrauch auch von der jungen Generation in Deutschland bewahrt und weiter gepflegt wird, muss sich wohl derzeit niemand ernsthaft beschäftigen. Auch in Bonn zeigten die jungen Frauen und Männer sowie nicht zuletzt die Kinder, dass sie mit Begeisterung dabei sind. Zu den Jüngsten gehörten die achtjährigen Mädchen Melina Sturm und Paula Herbert, die stolz im „Häs“ und mit bemalter Maske mitliefen. Selbst wenn in Bonn nicht der vollständige, historisch gewachsene Brauch mit der Parade der Traditionsfiguren aufgeführt wurde, haben die umherschwirrenden Zottelgestalten wie anno dazumal versucht, die bösen Geister fernzuhalten und den Winter zu vertreiben. Ob es ihnen wohl gelungen ist?

D. G.

Schlagwörter: Urzeln, Nordrhein-Westfalen, Agnetheln

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