28. Juli 2010

Gut, besser, Arne Franke

Auf eine kunsthistorische Rundfahrt durch Siebenbürgen mit Arne Franke hatte das Münchner Haus des Deutschen Ostens für den 8. Juli um 19 Uhr aus Anlass seines neuen Städte-Reisefüh­rers geladen – leider bei schönstem Biergartenwetter und gefühlten 40 Grad im Schatten. Das zahlreich erschienene Publikum gab den Veranstaltern recht. Und hatte nachher einen Grund mehr, den Abend bei einem kühlen Bier ausklingen zu lassen.
Arne Franke, 51, ein aus dem hessischen Dieburg stammender, heute in Berlin und Görlitz ­lebender Kunsthistoriker, Denkmalpfleger, Ausstellungsmacher und akademischer Reiseleiter, ist auch in siebenbürgischen Kreisen kein Unbe­kannter mehr. Vier Kunstführer zu Siebenbürgen hat er bislang auf den Markt gebracht und damit jedes Mal eine Marktlücke gefüllt: einen Kirchenburgführer, der auch die Szekler Kirchenburgen berücksichtigt („Das wehrhafte Sachsenland. Kirchenburgen im südlichen Siebenbürgen“, 2007), zwei Stadtführer von Hermannstadt und Kronstadt in Zusammenarbeit mit dem renommierten Kunstverlag Schnell & Steiner (2007 bzw. 2008) sowie als neuesten Führer „Städte im südlichen Siebenbürgen. Zehn kunsthistorische Rundgänge“ (vgl. Siebenbürgische Zeitung vom 20. Mai 2010).

Auch auf seiner Münchner Buchpräsentation verließ Franke die touristischen, meist saxozentristischen Trampelpfade. Nachgerade als Terra incognita erschienen einem plötzlich Städte wie Broos und Aiud/Großenyed (beides Stadtkirchen­burgen mit jeweils zwei Kirchen), das armenisch geprägte Elisabethstadt („noch ein reiches Betätigungsfeld für Kunsthistoriker“) oder Karlsburg. Vielleicht musste jemand die Unbefangenheit ­eines Arne Franke haben, um einem die machtpolitische Demonstration des jungen großrumänischen Staates zu verdeutlichen, als dieser in Karlsburg und Broos den Katholiken und Protestanten eine orthodoxe Kathedrale vor die Nase setzte – ein Schicksal, das den Mediaschern durch Iorgas persönliche Intervention erspart blieb, wie Franke zu berichten wusste. Ein weiteres Übel folgte dann nach 1948 mit dem Anlegen von spießig-kitschigen Stadtparks (Franke: „sozialistische Erholungsrefugien“) auf den für die ostmitteleuropäischen Siedlungsstädte so typischen Marktplätzen in Städten wie Hermannstadt, Mediasch, Fogarasch usw.

Franke, der Siebenbürgen erst 1999 kennen und lieben lernte – sein Spezialgebiet ist eigentlich Schlesien –, riet allen, das Sachsenland bald­möglichst zu besuchen. Die Veränderungen in den historischen Stadtbildern seien dramatisch – sei es, dass in denkmalgeschützten(!) Häusern Jalousien gegen Rollläden oder die schönen alten Sprossenfenster gegen Einscheibenfenster ausgetauscht werden – „dem Haus die Augen ausstechen“, wie es Franke formuliert; sei es, dass die historische Farbgebung oft grellen Dispersionsfarben weichen muss, die jeden Textmarker blass aussehen lassen. Ganz abgesehen von stilfremden Eingriffen in die Bausubstanz altehrwürdiger Bürgerhäuser oder der Errichtung protziger Säulen-Villen à la Carabulea, wie jüngst geschehen im Jahrhundertwende-Nobelviertel Hallerwiese in Hermannstadt (rechts von Carabuleas Residenz steht die von Architekt Heinrich C. Eder errichtete Villa „Fritzheim“ des Mädchenschullehrers Fritz Reissenberger. Fragt sich, wie lange noch, seit der Großunternehmer (Atlassib, Carpatica-Bank) halbe Straßenzüge aufkauft und dort nach Gutsherrenart schaltet und waltet).
Begibt sich gern auch mal ins „touristische ...
Begibt sich gern auch mal ins „touristische Abseits“: Arne Franke nach dem Vortrag mit der aus Kronstadt stammenden Kunsthistorikerin Monika Jekel. Foto: der Verfasser
Fragen nach dem eineinhalbstündigen Parfor­ceritt des auch rhetorisch brillanten Architekturhistorikers gab es keine – was auf eine, nun ja, erschöpfende Behandlung des Themas schlie­ßen lässt. Desto schneller drängte es die Zuhörer zum improvisierten Bücherstand, wo der Kunstführer binnen weniger Minuten ausverkauft war. Restlos vergriffen ist mittlerweile der in gleicher Aufmachung erschienene Band „Das wehrhafte Sachsenland“. Eine aktualisierte Neuauflage soll noch im August erscheinen.

Geplant ist in der gleichen Reihe ein dritter Band zu den Städten im nördlichen Siebenbürgen (Sächsisch-Regen, Klausenburg, Bistritz, Siebenbürgisches Erzgebirge). Damit wäre Fran­kes „siebenbürgische Trilogie“ abgeschlossen. Dass sie das Zeug zum Sachbuch-Klassiker hat, steht außer Frage. Es gibt nichts Vergleichbares, was den Kunst- und Kulturreisenden ähnlich schnell, gründlich und zuverlässig über die ehemals deutschen Städte und die Kirchenburgen in Siebenbürgen informiert. Nützlich auch die Kurz­biographien am Ende der Bände, die knapp, aber stets themenrelevant formuliert sind. Dabei sind es oft die Querverbindungen, die Frankes Bücher kennzeichnen, etwa wenn er die Zuwan­derungen von Künstlern aus der Zips (Sigismund Möß, Orgelbauer Fest/Vest usw.) thematisiert. Und wer könnte das besser als Franke, hat er doch sogar zwei Kunst- und Architekturführer über die „Karpatendeutschen“ und das Gebiet zwischen Hauerland, Zips und Kaschau/Košice (= Kulturhauptstadt 2013) in Arbeit. Auch diese natürlich nicht deutschtümelnd-nostalgisch, sondern in kritischer und zukunftsorientierter Auseinandersetzung mit der Geschichte der deut­schen Siedlungsgebiete in Osteuropa, so wie es das „Deutsche Kulturforum östliches Europa“ in Potsdam fordert (das Kulturforum ist auch der Verleger der Franke-Bücher).

Unterm Strich ein flotter und informativer Vor­trag mit sparsam eingesetztem Bild- und Karten­material, frei vom Powerpoint-Schnickschnack technikverliebter Referenten. Stattdessen viele Anregungen und Tipps für spannende Kunstreisen in einen Kulturraum, in dem es noch viel zu entdecken gibt. In einem schwachen Augenblick verriet Franke dem Publikum auch, dass für ihn Hermannstadt die schönste siebenbürgische Stadt sei. Dafür könne sich Kronstadt der schöneren Berge rühmen.

Konrad Klein

Hier noch einige Berichtigungen zu Frankes neuem Buch (siehe auch Besprechung in der Siebenbürgischen Zeitung), zumal manche Fehler bereits im Hermannstadt-Führer auftauchen:

Franz Michaelis ist nicht der Künstler, sondern nur der Verleger des von Adam Slowikows­ki gefertigten Bildes der nächtlichen Lügenbrü­- cke (S. 183). Die von Michaelis verlegten Slowikowski-Ansichten sind nicht Lithographien, son­dern Lichtdrucke. Sie stammen auch nicht aus der Zeit „um 1850“, sondern vom Anfang der 1880er Jahre (S. 170). Emil Sigerus trat nie als Fotograf in Erscheinung (S. 80), besaß aber eine große Bildersammlung, die mit dem Stempel des Besitzers („Direktor Emil Sigerus Hermannstadt“) versehen waren. Octavian Goga wurde in Rășinari/Städterdorf, nicht „in Hohe Rinne/Rășinari“ geboren (S. 287). Last not least ist Herrn „k.u.k. Oberwachtmeister“ Kaspar von Erdögh das „u“ in seiner Berufsbezeichnung zu streichen – 1822 gab es noch keine k.u.k. Donaumonarchie (S. 218).

Schlagwörter: Buchpräsentation, Kunstgeschichte

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