9. April 2011

„Ich musste meine Wurzeln nicht aufgeben“ - Komponist Hans-Peter Türk im Gespräch

Hans-Peter Türk besuchte Ende März erstmals Nürnberg und wohnte zwei Konzerten bei (siehe Bericht in der gestrigen Siebenbürgischen Zeitung Online). Das Interview wurde am 27. März, Türks 71. Geburtstag, von Horst Göbbel geführt.
Herr Türk, was bedeutet Siebenbürgen für Sie?
Siebenbürgen ist die Landschaft, in der ich zur Welt gekommen bin, es ist meine Heimat, da sind meine Wurzeln und bis auf den heutigen Tag lebe ich dort. Es ist für mich auch von Bedeutung, dass ich als Komponist meine Wurzeln nicht aufgeben musste und dass ich meine Anregungen hauptsächlich durch die sächsische Tradition in meine Werke einbauen konnte.





Heute feiern Sie Ihren 71. Geburtstag – weit weg von Siebenbürgen. Wie ist Ihnen zumute?
Soweit ich mich erinnern kann, ist es das erste Mal, dass ich meinen Geburtstag nicht in Siebenbürgen feiere, sondern diesmal in Deutschland. Es ist ein sehr schönes Gefühl, umso mehr, als ich an diesem Tag viele meiner gewesenen Freunde, Klassenkameraden wieder getroffen habe nach langen Jahren der Trennung. Das ist ein besonderes Geburtstagsgeschenk für mich.


Und dazu noch Ihr Sohn …
…und dazu noch mein Sohn, der gerade heute hier in Nürnberg ein Orgelkonzert gegeben hat.


Dazu kommen wir noch. Glaube – Musik – Orgel. Ergibt dieser Dreiklang für Sie einen tieferen Sinn?
Selbstverständlich. Nicht nur dadurch, dass die Orgel an die Kirche gebunden ist. Durch ihre besondere Konstruktion und Klangfülle habe ich früher immer das Bewusstsein gehabt, das ist ein heiliges Instrument, da sollte ich meine Hand nicht anlegen. Aber schließlich hat mich Ursula Philippi dazu bewogen, für dieses Instrument zu komponieren, was ich natürlich nicht bedauere, und der Dreiklang, den Sie angesprochen haben, der findet sich wohl am besten ausgeprägt in meiner siebenbürgischen Passionsmusik auf den Evangelisten Matthäus, ein Stück, das in der Dresdner Kreuzkirche aufgeführt worden ist, ein Stück für Orgel, Chor und Solisten. Und da haben wir es: Glaube – Musik – Orgel.

Hans-Peter Türk. Foto: Erich Türk ...
Hans-Peter Türk. Foto: Erich Türk
Ein Wort von Ihnen zu Ihrem Sohn Erich Türk und zu seinem Konzert heute in der Reformations-Gedächtniskirche hier in Nürnberg.
Es ist ein beglückendes Gefühl, wenn die Kompositionen ausgerechnet von meinem Sohn gespielt werden. In all den Jahren, in denen mein Sohn Stücke von mir gespielt hat, habe ich nie die Notwendigkeit gespürt, ihm etwas zu erklären. Er hat es auf Anhieb verstanden, wie kein anderer meiner Interpreten. Dafür kann ich nur dankbar sein.

Da Sie eben dazugekommen sind, Herr (Erich) Türk, Sie haben das Konzert gerade hinter sich gebracht. Darf man das so sagen oder ist es etwas anderes, als es hinter sich zu bringen?
Na, es ist ja wohl schon etwas mehr, das will ich hoffen.


War es so, wie Sie es sich gewünscht haben? Ist es gut gelaufen?
Ja, schon, ja. Vielleicht ein paar kleine Fehlerchen


Oh, das sagen die Interpreten immer wieder. Wir haben nichts davon gemerkt.
Aber es hat Spaß gemacht. An dieser schönen Orgel.


Nun müssen wir auch bedenken, heute hat Ihr Vater Geburtstag und Sie spielen in Nürnberg.
Ich freue mich sehr, dass mein Vater sich entschlossen hat, mitzukommen auf diese Reise, und dass wir hier seinen Geburtstag zusammen feiern können.


Herr (Hans-Peter) Türk, wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Bei den Zukunftsplänen ist vor allem das Projekt zu nennen, das mich beschäftigt, und zwar schon seit sehr langer Zeit, seit über 20 Jahren: ein Oratorium zu schreiben für Chor, Orchester und Solisten auf Texte der nach Russland Deportierten. Unsere Väter und Großväter sind ja zum Großteil deportiert worden an jenem fatalen 13. Januar 1945 und sowohl mein Vater als auch mein Schwiegervater sind von dort nicht mehr zurückgekommen. Ich habe in den vielen Jahren auch viele Texte von denen, die dorthin deportiert waren, Texte, die zwar nicht von Profis geschrieben worden sind, aber in denen ein sehr tiefes Empfinden mitschwingt. Diese Texte haben mich sehr beeindruckt. Ich habe noch nicht eine definitive Auswahl getroffen. In dem Moment, in dem ich Sicherheit habe über diese Auswahl, werde ich an diesem Stück anfangen zu arbeiten, und ich hoffe, noch so lange leben zu dürfen, um dieses Projekt zu Ende zu bringen. So Gott will.


Ganz lieben Dank, Herr Türk.

Leben und Werk: der Komponist Hans-Peter Türk

Hans-Peter Türk (* 27.3.1940 in Hermannstadt) wuchs in Zeiden und Kronstadt auf, wo er das Honterus-Gymnasium besuchte. In Kronstadt begegnete er der Musik über seinen Klavier- und Cellounterricht. Der Kantor, Organist, Pädagoge, Musikdirektor und Musikwissenschaftler Victor Bickerich gab ihm die entscheidenden Impulse, Komponist zu werden. Türk studierte Musikpädagogik und Komposition an der Musikhochschule in Klausenburg, vor allem beim Casella-Schüler Sigismund Toduță. Nach dem Examen blieb er als Lehrbeauftragter an der Musikhochschule „Gheorghe Dima“ in Klausenburg. Er promovierte mit einer Dissertation über das Verhältnis von Harmonie und Form in den Werken Mozarts und veröffentlichte zahlreiche musikwissenschaftliche Studien. 1979 wurde ihm der George-Enescu-Kompositionspreis der Rumänischen Akademie verliehen. Als Nicht-Mitglied der Kommunistischen Partei Rumäniens wurde er erst 1989 zum Professor an der Musikhochschule Klausenburg ernannt. 1991 gründete er die Sigismund-Todutza-Stiftung, 1992 die Klausenburger Bach-Akademie. 1995 wurde ihm der Johann-Wenzel-Stamitz-Preis der Künstlergilde Esslingen verliehen.

„Neben Kammermusik- und Orchesterkompositionen sind insbesondere seine Vokalwerke mit oft christlicher Aussage und ihrem Bekenntnischarakter von Bedeutung. Auch siebenbürgische Volkslieder hat der Komponist immer wieder einfließen lassen.“ (Johannes Killyen).

Seine Tonschöpfungen wurden in vielen Ländern Europas, in den USA, in Japan und Südafrika aufgeführt. „Hans-Peter Türks musikalische Vision scheint das Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation, zwischen Ausdruckskraft und Akkuratesse zu sein, so dass seine Musik für den Hörer – für den Berufsmusiker wie für den Konzertbesucher – stets eine Freude bleib“ (Christine Chiriac).

Schlagwörter: Musik, Komponist

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