14. August 2011

Großprojekt soll Kirchenburgen retten

Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien setzt in diesem und dem nächsten Jahr ein Projekt zur Instandsetzung von 18 Kirchenburgen um. Insgesamt werden rund 5,5 Millionen Euro eingesetzt, um die Kirchenburgen in ihrem Bestand zu sichern und aufzuwerten (siehe "Kirche setzt Kirchenburgenprojekt um"). Außerdem ist ihre Erschließung für Touristen und eine Vernetzung mit Routen geplant. Das Projekt finanziert sich aus Fördermitteln der Europäischen Union, die von der Leitstelle Kirchenburgen im Jahr 2008 beantragt wurden, und wird von Partnern wie dem Kreisrat Hermannstadt und dem Mihai-Eminescu-Trust unterstützt. Die Managementfirma GPA organisiert die Durchführung des Vorhabens und arbeitet dabei eng mit Dr. Stefan Cosoroabă zusammen, der der verantwortliche Projektmanager des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche ist. Der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, unterstützt die Arbeiten ebenfalls, indem er eine wissenschaftliche Begleitung durch Dipl.-Ing. Philipp Harfmann ermöglicht. In diesem Umfang hat es noch kein Projekt zum Erhalt der Kirchenburgen gegeben. Grund genug, die einbezogenen Bauwerke und die Einzelprojekte in den kommenden Monaten in dieser Zeitung näher vorzustellen. Parallel zu dieser Serie hat die Leitstelle Kirchenburgen eine Broschüre herausgegeben, die die 18 Bauwerke mit Bildern und kurzen Geschichten vorstellt. Die Broschüre liegt in den Touristeninformationen der Stadt aus und kann außerdem direkt über die Leitstelle Kirchenburgen bezogen werden.

Von der Projektidee zum Baubeginn

In diesen Tagen beginnen in Neithausen und acht weiteren Kirchenburgen die Instandsetzungsarbeiten: Die Firmen richten sich ein, lassen Material liefern, räumen die Kirchen und beginnen mit den Reparaturen. Anlässlich dieses Baubeginns blicken wir auf die lange und komplexe Vorbereitung zurück, die mehr als drei Jahre in Anspruch nahm. Während dieser Zeit war von allen Beteiligten Energie, Geduld und viel Nervenstärke gefordert. Der Hauptanwalt des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche, Friedrich Gunesch, betont rückblickend, dass man nur wegen der hervorragenden Zusammenarbeit aller Beteiligten so weit kommen konnte: „Seit dem ersten Tag haben wir die Entwicklung des Projektes als Gemeinschaftsaufgabe der gesamten Landeskirche begriffen. Sämtliche Mitwirkende und Unterstützer in allen Phasen zu nennen, würde den Rahmen sprengen. Der Erfolg ist auf das hohe und selbstlose Engagement aller Beteiligten im Landeskonsistorium, in den Bezirken und Gemeinden sowie bei unseren Partnern zurückzuführen.“
Karte mit den 18 Kirchenburgen des EU-Projektes. ...
Karte mit den 18 Kirchenburgen des EU-Projektes. Quelle: Leitstelle Kirchenburgen
Die Idee zum Vorhaben entstand im Jahr 2007. Damals wurde klar, dass Fördermittel für Projekte zum Erhalt von Baudenkmälern und deren touristische Erschließung zu günstigen Bedingungen beantragt werden können. In ersten Gesprächen zwischen Gunesch und Steffen Mildner, dem Berater der Leitstelle Kirchenburgen, wurden die Grundzüge des Projektes geplant. 2008 lag in der ersten Phase der Projektentwicklung und Antragserstellung die Hauptlast bei der Leitstelle Kirchenburgen. Dazu gehörte auch die Erstellung der Machbarkeitsstudien für die 18 Burgen, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit/GTZ) mit 100 000 Euro finanzierte. Sie erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner Mihai-Eminescu-Trust. Mitte Dezember 2008 konnten eine über 1100 Seiten starke Antragsdokumentation sowie 18 Aktenordner mit Planungsunterlagen und Gutachten bei der Regionalen Entwicklungsagentur in Karlsburg eingereicht werden. Eine der letzten Arbeitsschritte vor Abgabe war die vorgeschriebene Unterzeichnung jeder einzelnen Seite des Antrages durch den Bischof und den Hauptanwalt, was mehr als einen Tag in Anspruch nahm.

Das Projekt wurde nach einer ersten Prüfung im Jahr 2009 für förderwürdig eingeschätzt und das Landeskonsistorium zur Ausarbeitung der Technischen Projekte aufgefordert. Daran waren erneut zahlreiche Architekten, Statiker und Fachgutachter beteiligt. Die Koordination der Arbeiten erfolgte diesmal durch Projektmanager Stefan Cosoroabă und die Bauabteilung des Landeskonsistoriums. Nach der Prüfung der Technischen Dokumentationen konnte im September 2010 ein Fördervertrag zur Umsetzung des Vorhabens unterzeichnet werden. Dies war gleichzeitig der Startschuss für die Vorbereitung der Arbeiten. Die Steuerung der Projektumsetzung erfolgt durch die Managementfirma GPA und die Kanzlei des Landeskonsistoriums. Der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien stellt eine wissenschaftliche Begleitung für das Vorhaben sicher. Hauptanwalt Gunesch unterstreicht, dass es nur gemeinsam gelingen konnte, „das seit Jahrzehnten größte und wichtigste Projekt zur Reparatur von Kirchenburgen so weit zu bringen.“

Neithausen – Entdeckungen auf den zweiten Blick

Die Kirche auf dem Dorfanger von Neithausen wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas gedrungen und unscheinbar, doch in ihrem Inneren birgt sie wahre Schätze. Deshalb ist sie eine der 18 Kirchenburgen des EU-Projektes zu. Über 200 000 Euro werden hier investiert, um dieses Baudenkmal in den kommenden Monaten instand zu setzen und für Besucher zugänglich zu machen. Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt bei der Reparatur der beschädigten Dachkonstruktionen von Kirchenschiff, Turm und ehemaligem Torhaus. Außerdem erfordert die hohe Feuchtigkeit in und um die Kirche, die auf den sumpfigen Untergrund zurückzuführen ist, dringende Eingriffe: Nach der Trockenlegung der Außenmauern erfolgt als präventive Maßnahme eine Verbesserung der Wasserableitung vom ehemaligen Burghof. Außerdem werden Türen und Fenster nach den Ansprüchen des Denkmalschutzes repariert beziehungsweise ersetzt. Um die Attraktivität der Anlage für Besucher zu steigern, erfolgt eine Neugestaltung der Freiflächen um die Kirche und die Reparatur der erhaltenen Teile der Ringmauer.
Die Kirchenburg Neithausen. Foto: Leitstelle ...
Die Kirchenburg Neithausen. Foto: Leitstelle Kirchenburgen
Die Arbeiten sollen bis Mitte nächsten Jahres abgeschlossen werden, so dass im kommenden Sommer die ersten Besucher die Geschichte dieser Kirchenburg entdecken können. Sie werden vor allem im Inneren der Kirche viele Spuren aus der wechselvollen 700-jährigen Vergangenheit des Bauwerks vorfinden. Während der Wehrbarmachung um das Jahr 1500 hat sich die aus dem 14. Jahrhundert stammende gotische Kirche grundlegend verändert. Über dem Chor entstand ein mächtiger Ostturm. Dieser ist nur über einen Zugang zu erreichen, der hinter dem heutigen Altar beginnt. Dort verbirgt sich ein kleiner Durchgang, der früher mit einem Fallgatter gesichert war. Durch ihn gelangt man in einen düsteren Raum. Das wenige Tageslicht fällt durch ehemals gotische Spitzbogenfenster, die zu Schießscharten vermauert wurden. Haben sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt, erkennt man, dass sich hier der ehemalige Chor befindet, der zu einem Schutzraum mit deutlich verstärkten Außenwänden ausgebaut wurde. An den Wänden sind Fragmente von Malereien des ausgehenden Mittelalters zu erkennen. Aus der gleichen Zeit stammt die steingefasste Sakramentsnische. Neben ihr befindet sich der Zugang zur ehemaligen Sakristei, der vor 500 Jahren während der Errichtung des Ostturm zugemauert wurde. Dieser Turm ist über Leitern und ab dem zweiten Geschoss durch Stollentreppen begehbar. So gelangt man zum Wehrgeschoss, von dem aus man Neithausen und den Kirchturm des benachbarten Neustadt erkennen kann. Ursprünglich hatte die Kirche einen zweiten massiven Wehrturm im Westen. Dieser wurde um 1859 abgetragen – was die heute etwas ungewöhnlich wirkenden äußeren Proportionen der Kirche erklärt – und durch einen chorartigen Anbau ersetzt. Dieser beherbergt unter anderem die Orgelempore.

Die Neithausener Kirchenburg ist ein schönes Beispiel dafür, wie Geschichte ein Bauwerk über Jahrhunderte immer wieder verändert. Im Rahmen des EU-Projektes sollen die Spuren der Vergangenheit erhalten und so aufbereitet werden, dass sie für Besucher erlebbar sind.

F.F.


Weitere Informationen auf der Internetseite der Leitstelle Kirchenburgen .

Schlagwörter: Kirchenburgen

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Neueste Kommentare

  • 24.09.2011, 09:12 Uhr von Melzer, Dietmar: Es wundert mich, warum nicht auch die Ortschaften Streitfort, Großschenk und Felldorf, wenigstens ... [weiter]
  • 23.09.2011, 17:14 Uhr von hanshedrich: Gutes Projekt, teilweise katastrophale Umsetzung! Das Projekt ist eindeutig gut konzipiert, wichtig ... [weiter]

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