17. April 2012

Der Historiker und Museologe Volker Wollmann wird 70

Immer wieder kreuzten sich unsere Wege am Anfang meines Geschichtsstudiums in Klausenburg. Hastigen Schrittes kam er auf mich zu, um nach kurzem Geplauder schon auf seine nächsten alltäglichen Fixpunkte zuzusteuern – Institut, Druckerei, Archiv oder das George Coșbuc Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache.
Sein Arbeitstag war verplant und doch reiften unsere Gespräche gelegentlich zum ausführlicheren Gedankenaustausch über Gelesenes, Gesehenes und Gehörtes. Seit 1967 war Volker Wollmann wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Archäologie der ehrwürdigen Babeș-Bolyai Universität. Bei seinen Kollegen galt er als ein Faktotum, hatte er doch außer der eigenen Forschungsarbeit auch noch gemeinschaftliche Forschungsaufgaben zu organisieren. Ohne sein Zutun konnte man sich die Technoredaktion und Drucklegung der institutseigenen Publikationen kaum vorstellen. Angesichts des Personalmangels erachtete er es als Pflicht, nebenberuflich am Gymnasium zu unterrichten. Wie wichtig der Unterricht für eine schrumpfende Sprachminderheit ist, das legte ihm seine kurze, aber nachhaltig wirkende Erfahrung an seiner ersten Arbeitsstätte, der deutschen Abteilung des Gymnasiums in Reschitza, nahe.

In Hermannstadt als Sohn des Bistritzer Taschnermeisters Arthur Wollmann und seiner Ehefrau, der Pfarrerstochter Elsa Maria (geborene Wellmann), geboren und in Mühlbach aufgewachsen, prägten wohl die ersten Kindheitserlebnisse sein Interesse für Geschichte. Als Heranwachsender war Vermessungstechniker sein Traumberuf. Daraus ist zwar nichts geworden, dennoch hat seine Berufswahl viel mit Vermessen und Beschreiben von Grabungsarealen und Fundobjekten zu tun. Nach dem Bakkalaureat am Mühlbacher Gymnasium – dem ehemaligen Untergymnasium der ev. Kirche A.B. zu Mühlbach – widmete er sich nämlich von 1959 bis 1964 im Geschichtsstudium an der Babeș-Bolyai Universität schwerpunktmäßig eben jenem Fach, das er später beruflich ausfüllen sollte: der Geschichte des Altertums und der klassischen Archäologie. 1983 promovierte er bei Professor Ioan I. Russu zum Thema „Metallbergbau, Steinbrüche und Salzgruben im römischen Dakien“.
Volker Wollmann und Annemie Schenk, Vorsitzende ...
Volker Wollmann und Annemie Schenk, Vorsitzende des Siebenbürgischen Museums e.V., in Gundelsheim, freuen sich 1993 über die neue Museums­dépendance, eine ehemalige Zigarrenfabrik.
Ausgangspunkt archäologischer Forschungsarbeit sind in der Regel aus Ausgrabungen stammende Artefakte. Es sind weniger neue archäologische Fundstellen als Rettungsgrabungen wie im römischen Dierna (heute Orschowa) oder Nachgrabungen in der römischen Bergbausiedlung Alburnus Maior (Roșia Montană), die Wollmann unternommen hat. Er ist eigentlich ein ­atypischer Archäologe, eher ein klassischer Altertumswissenschaftler modernen Zuschnitts. Die Arbeit erledigte er in Museumssammlungen, Bibliotheken, Archiven und vom Schreibtisch aus. Seine Quellen waren edierte und unedierte Fundobjekte und Inschriften, schriftliche Dokumente zu archäologischen Funden und Ausgrabungen, neuzeitliches Kartenmaterial und Bilddarstellungen. Wollmann wirkte an bedeutsamen Quellensammlungen zum siebenbürgischen Altertum und Neuzeit wie der „Inschriften des römischen Dakien“ (Inscriptiones Daciae Romanae, Bd. III/1-4, 1977-88) und der „Quellen des Bauernaufstands unter der Führung von Horea“ [1784/85] (Izvoarele răscoalei lui Horea, 1983-86) mit. In der Archäologen-Zunft gilt er als ein Beispiel an qualitativ aufgefasster Produktivität. Hauptschwerpunkt seiner thematisch vielseitigen Forschungen bildete, neben Aufsätzen zu archäologischen und epigraphischen Themen, die Geschichte des Bergbaus in der frühen Neuzeit, vor allem im 18. und frühen 19 Jahrhundert. Von seinen Forschungen über die technischen Denkmäler des industriellen Zeitalters in Banat und Siebenbürgen gingen wichtige wissenschaftliche Impulse aus. Nicht zuletzt sind seine gut dokumentierten forschungsgeschichtlichen Arbeiten über die siebenbürgische Altertumskunde („Johann Michael Ackner, Leben und Werk“, 1982, „Briefe zur Geschichte der siebenbürgischen Altertumskunde“, 1983) zu erwähnen.

Obwohl wissenschaftlich erfolgreich, entschloss er sich aus der Zeitwahrnehmung heraus und vor dem Hintergrund der Familienerfahrung, mit seiner Frau Sigrid geb. Tyercha und den beiden Töchtern Anita und Astrid auszuwandern. Als er im Mai 1988 die in Jahrhunderten gewachsene Stadtidylle am Samosch verließ, um kaum ein Jahr später in Gundelsheim am Neckar die Leitung des Siebenbürgischen Museums zu übernehmen, muss ihm klar gewesen sein, dass seine neue Wirkungsstätte keinesfalls ein Schutzraum akademischer Selbstgenügsamkeit war. Von der Forschung musste er auf die Museumsarbeit umstellen. Diese war ihm zwar nicht unbekannt – von 1965 bis 1967 leitete er das Reschitzaer Kreismuseum (heute Museum des Banater Berglands) und richtete dort die zukunftsweisende Abteilung für die Geschichte des Banater Bergbau- und Hüttenwesens ein –, allerdings sah er sich großen Herausforderungen gegenüber. Die günstigen Voraussetzungen des systempolitischen Umbruchs nutzte er für die beträchtliche Erweiterung der Sammlungen. Imponierend war sein Einsatz bei der inhaltlichen Neugestaltung – erst jetzt wurde aus der gehobenen Heimatstube ein richtiges kulturgeschichtliches Museum. Auch wandte er sich der Objektgeschichte zu und bereitete für heimatkundlich Interessierte Themen mit lokalem und subregionalem Bezug – Mühlbach und Unterwald, Bistritz und Nösen – auf. Vor allem kuratierte er aber Ausstellungen mit siebenbürgisch-sächsischem und regionalem Fokus. Aus der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum sind attraktive, thematisch reichhaltige und international viel beachtete Ausstellungen wie „Silber und Salz in Siebenbürgen“ (1999) oder „Das Gold der Karpaten – Bergbau in Roșia Montană“ hervorgegangen. Wissenschaftlich solid dokumentierte Kataloge und Begleitbücher führen Übersichtsdarstellungen, themenbezogene Aufsätze, lexikalisch aufbereitete Grundinformationen und vor allem Text- und Bildquellen in einer ansprechenden grafischen Aufmachung zusammen. Bis zum Eintritt in den Ruhestand Ende 2002 war er in Gundelsheim tätig sein. Mitgliedschaften in archäologischen und historischen Vereinigungen wie auch Ehrungen zeigen, dass seine Fachkompetenz geschätzt wird. Die Karlsburger Universität beauftragte ihn 2000, Lehrveranstaltungen in Montanarchäologie, Industriearchäologie und Museums-Management abzuhalten. Im Januar 2012 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Selbstgewiss und stets gelassen, ist Volker Wollmann ein unternehmerischer und verhalten optimistischer Mensch geblieben. Bei allem Erfolg sind ihm Bescheidenheit und Augenmaß bei der Bestimmung des Mach- und Erreichbaren nicht abhanden gekommen. Zurzeit arbeitet er am dritten Band seiner Topographie der siebenbürgischen und Banater Industriedenkmäler und an einer Geschichte der Karlsburger Münze. In voller Schaffenskraft feiert der Jubilar am 17. April in Obrigheim seinen 70. Geburtstag.

Josef Wolf

Schlagwörter: Porträt, Historiker, Geburtstag, Volker Wollmann

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