8. Juni 2012

Preisverleihungen 2012 in Dinkelsbühl

Dinkelsbühl, am 27. Mai – Zu den diesjährigen Preisverleihungen begrüßte der stellvertretende Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Hofrat Pfarrer Volker Petri, am Pfingstsonntagnachmittag in der gut gefüllten Sankt-Pauls-Kirche zu Dinkelsbühl das Festpublikum und im Besonderen die Preisträger. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2012 wurden der bildende Künstler Gert Fabritius sowie der Komponist und Musikwissenschaftler Hans Peter Türk ausgezeichnet, „zwei Diamanten, deren Schaffen weit über unsere Gemeinschaft in die Welt hineinstrahlt“, schwärmte Volker Petri. Den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis erhielt Rainer Lehni, den Ernst-Habermann-Preis Mathias Krauss.
Mit Kompositionen des Preisträgers Hans Peter Türk gestalteten die Künstler Prof. Dr. Ursula Philippi (Orgel), Dr. Erich Türk (Orgel) und das Bläserquartett Fuss, bestehend aus Christian (Trompete), Hans-Paul (Trompete), Carsten (Posaune) und Michael Fuss (Posaune), die musikalische Umrahmung der festlichen Veranstaltung.

Aus dem Kunstleben in Deutschland nicht mehr wegzudenken

Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis wird als höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Österreich verliehen. Die Laudatio auf den diesjährigen Kulturpreisträger (neben Hans Peter Türk) Gert Fabritius hielt Dr. Irmgard Sedler, Leiterin der Museen der Stadt Kornwestheim und Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim, die auch die beim Heimattag im Kunstgewölbe gezeigte Fabritius-Ausstellung „Schnittpunkt Heimat“ kuratiert hat. Der 1940 in Bukarest in eine siebenbürgisch-sächsische Kaufmannsfamilie geborene Zeichner, Maler und Holzscheider sei sowohl über seine Herkunft als auch über sein Werk dem siebenbürgischen Kulturraum verbunden. Sein Œuvre sei heute über Deutschlands Grenzen hinaus geschätzt, konstatierte Dr. Sedler. Die Laudatorin ging streiflichtartig auf Lebensweg und Heimatgedanke im Werk des Künstlers ein.
Gert Fabritius (Mitte) nimmt den Kulturpreis von ...
Gert Fabritius (Mitte) nimmt den Kulturpreis von Volker Petri (links) und Dr. Bernd Fabritius entgegen. Foto: Christian Schoger
Die Vita des Wahl-Stuttgarters Gert Fabritius weist zeittypische Brüche auf: Kriegszeit, Verlust des Vaters schon vor der Geburt, nach dem Erdbeben in Bukarest 1940 Umzug ins sächsische Elternhaus der Mutter in Mühlbach – Kriegsende, Enteignung, Hinwendung des jungen Fabritius zur Kunst (Kalligraphen- und Schreibmeisterlehre) – in den 60er Jahren Studium an der Klausenburger Kunstakademie, lernt in Kunststudentin Eva seine künftige Ehefrau kennen – nach dem Studium Presse- und Buchillustrator in Bukarest, fruchtbare Begegnungen u. a. mit den Dichtern Immanuel Weißglas, Oskar Pastior, Paul Celan, Korrespondenz mit dem deutschen Holzschneider HAP Grieshaber – Berufsverbot Mitte der 70er Jahre – 1977 Aussiedlung in die Bundesrepublik – seit 1978 freischaffende Tätigkeit und Lehrauftrag am Heinrich-Heine-Gymnasium in Ostfildern-Nellingen, Kunstatelier in Stuttgart-Zuffenhausen – 1997 Sonderpreis zum Lovis Corinth-Preis.

Vor dem Hintergrund der schmerzhaften Erfahrungen mit dem kommunistischen System berief sich Fabritius auf „Heimat hauptsächlich als Beheimatung in Kunst und Sprache, im Wesen der abendländischen, humanistisch geprägten Kulturtraditionen, wohin er seine ‚gekappten siebenbürgischen Wurzeln‘ zu retten versuchte“, führte Irmgard Sedler aus. Seine Werkphase der 1990er und 2000er Jahre sei „zutiefst auf den Menschen und das Unwägbare seiner Existenz“ ausgerichtet. In seiner „im Figurativ-Expressiven angesiedelten Bildsprache“ füge der Künstler „Chiffren einer mythologischen antiken wie christlichen Glaubenswelt“ zusammen, darunter tragische Helden wie Sisyphos als Alter Ego, Ahasver, der Ewige Jude, Adam und Eva. Der Begriff Heimat komme um das Jahr 2010 als ein „neues Stichwort für die inhaltlich sich tiefer nuancierende Kunst bei Gert Fabritius auf“, so etwa in seinen „Tagebuch-auf-Zeichnungen“.

Wie Dr. Sedler betonte, sei Gert Fabritius „aus dem Kunstleben in Deutschland nicht mehr wegzudenken“. Galerien in Berlin und Stuttgart vertreten ihn, Museen im In- und Ausland stellen ihn aus, seine Arbeiten finden sich im öffentlichen Raum wieder. Sein Werk „zeugt von kreati­ver Offenheit und Experimentierlust“, anerkennt die Kulturpreis-Urkunde.

In seiner Danksagung erinnerte Gert Fabritius an seinen Klausenburger Kunstlehrer und Mentor Ion Mitrea, der ihm ans Herz gelegt habe, seine Identität und Wurzeln nie zu verleugnen: „Diese Aussage hat mir die Kraft verliehen, meine Unabhängigkeit zu bewahren und dort Widerstand zu leisten, wo ich es für richtig fand – sei es in Bukarest oder Stuttgart oder sonst wo“. In seinen Dank schloss der Preisträger die Laudatorin für ihre Kompetenz und ihr Urteilsvermögen ebenso ein wie seine Gattin Eva, die seinen Weg über 50 Jahre vertrauensvoll begleitet habe.

Komponist – Forscher – Pädagoge

Die Urkunde für Prof. Dr. Hans Peter Türk würdigt das ausgreifende Leistungsspektrum des Kulturpreisträgers in einem dreisätzigen Zyklus: „Als Komponist hat er der musikinteressierten Öffentlichkeit in aller Welt ein vielgestaltiges Œuvre geschenkt und den siebenbürgischen Musiktraditionen seine ganz eigene Stimme gegeben. Als Forscher und Autor sowie als Mitglied und Leiter wissenschaftlicher Kollegien und Einrichtungen hat er entscheidende Beiträge zur Musikwissenschaft erbracht. Als Pädagoge und Universitätsprofessor hat er Generationen von Studenten geprägt.“ Die Laudatio hielt der Hermannstädter Musiker und Pädagoge Kurt Philippi. Der Leiter des Hermannstädter Bachchores konzentrierte seine Preisrede auf den Komponisten Hans Peter Türk: „Wir feiern heute einen Mann, der dieses Verhältnis zwischen Dissonanz und Konsonanz, zwischen Spannung und Entspannung für unsere siebenbürgisch-sächsische Musikwelt neu abgesteckt (...) hat.

Nach Abschluss des Studiums an der Staatlichen Musikschule in Klausenburg habe Türk 1970 als erstes Werk eine Kantate, „Weise mir, Herr, deinen Weg“, komponiert. Der 1940 in Hermannstadt geborene Tonkünstler schrieb fortan Instrumentalmusik und Chormusik auf deutsche und rumänische Texte. Man konnte sich an ihn wenden und um eine Komposition bitten. Der „Komponist zum Anfassen“ (Philippi) erhielt vielfältige Bestellungen aus dem Inland, aus Deutschland und der Schweiz. Die vorerst letzte Auftragskomposition war eine Motette für Doppelchor a capella, „Das Herz“, die Türk für den Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden geschrieben hat. Der Laudator streifte persönliche Erfahrungen als Leiter verschiedener Laienchöre mit dem Komponisten Hans Peter Türk. Dabei habe dieser sich, dem Niveau des jeweiligen Ensembles Rechnung tragend, „gerade in der Beschränkung der Mittel als großer Meister“ erwiesen.
Mit dem Kulturpreis ausgezeichnet: Prof. Dr. Hans ...
Mit dem Kulturpreis ausgezeichnet: Prof. Dr. Hans Peter Türk (Bildmitte) neben Bundesobmann Volker Petri und dem Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius. Foto: Christian Schoger
Philippi würdigte Türks „groß angelegte Siebenbürgische Passionsmusik für den Karfreitag“, die, 2007 in Hermannstadt uraufgeführt, auch in Klausenburg, Leipzig und Dresden zur Aufführung kam. Eine Konstante in seinem Œuvre sei das Zurückgreifen auf siebenbürgische Volkslieder: „In freier künstlerischer Gestaltung verbindet er dabei moderne Kompositionstechniken mit musikalischen Bausteinen aus der Tradition des alten siebenbürgisch-sächsischen Volksliedes.“ Zwar habe sich Hans Peter Türk „ein Leben lang den bescheidenen lokalen Bedingungen der siebenbürgischen Musikszene angepasst, er hat aber dabei trotzdem auch Werke geschaffen, die einem europäischen Maßstab durchaus standhalten“, bilanzierte Kurt Philippi am Ende seiner Laudatio.

Hans Peter Türk dankte insbesondere seinem Laudator und dem Kulturpreisgericht. Er freue sich über diese „Wertschätzung eines fünfundvierzigjährigen Wirkens als Komponist, Musikwissenschaftler und Unterrichtender in Siebenbürgen“, die ihn anmute wie ein „Adelsprädikat unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft“. Dankbar sei er den beiden „überragenden Musikerpersönlichkeiten von umfassender humanistischer Prägung“ Victor Bickerich und Sigismund Toduța, die sein musikalisches Denken entscheidend beeinflusst hätten.

Jugendarbeit professionalisiert

Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreis wird seit 1993 von der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum vergeben, 2012 an Rainer Lehni „in Anerkennung seiner herausragenden Verdienste um die siebenbürgisch-sächsische Jugendarbeit in Deutschland, insbesondere seiner langjährigen Förderung der Gemeinschaft und der Kulturpflege auf verschiedenen Ebenen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. und darüber hinaus.“ (Urkunde)

Die Laudatio hielt Ingwelde Juchum-Klamer, SJD-Landesjugendleiterin und Vorsitzende der Landesgruppe Hessen. Schon als Kind habe der 1972 in Zeiden geborene Preisträger sich für die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft interessiert. Nach der Ausreise nach Deutschland (1989) entwickelte sich Rainer Lehnis bemerkenswertes ehrenamtliches Engagement. 1998 gründete Lehni die Jugendtanzgruppe Stuttgart. Er trug in der Jugendarbeit Verantwortung als Pressereferent der SJD-Landesjugendleitung Baden-Württemberg und in der SJD-Bundesjugendleitung. 2001 übernahm Lehni das Amt des SJD-Bundesjugendleiters, das er neun Jahre lang äußerst erfolgreich ausübte, gemeinsam mit dem Vorstand der Bundesjugendleitung: „Die Jugendarbeit wurde auf ehrenamtlicher Basis deutlich professioneller“, bemerkte die Laudatorin und konkretisierte: Die SJD-Mitgliedschaft habe sich im Gesamtverband durchgesetzt, die Jugend habe immer mehr Programmpunkte bei den Heimattagen übernommen, der Volkstanzwettbewerb sei weiterentwickelt worden, das Veranstaltungsangebot für die Jugendlichen größer und vielfältiger, die Zusammenarbeit mit den siebenbürgischen Jugendverbänden außerhalb Deutschlands verstärkt worden. Daneben wirkt Lehni, der mit seiner ebenfalls in der Verbandsarbeit sehr aktiven Frau Heike Mai-Lehni in Köln lebt, in weiteren Funktionen: als stellvertretender Bundesvorsitzender und Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen unseres Verbandes, als stellvertretender Nachbarvater der Zeidner Nachbarschaft, als Beisitzer für Jugendfragen im Präsidium des Bundes der Vertriebenen. Dieses ehrenamtliche Pensum könne Lehni nur bewältigen, indem er „seine ganze Freizeit investiert für die Arbeit in unserem Verband“, unterstrich Juchum-Klamer.
Jugendpreisträger Rainer Lehni (Zweiter von ...
Jugendpreisträger Rainer Lehni (Zweiter von links), flankiert von (v. l.) der Laudatorin Igwelde Juchum-Klamer, Bettina Mai (Studium Transylvanicum) und SJD-Bundesjugendleiter Elmar Wolff. Foto: Christian Schoger
Dieser Preis erfülle ihn mit „Stolz und Genugtuung“, betonte Rainer Lehni und schloss in seinen Dank die Preisstifter SJD und Studium Transylvanicum, die Laudatorin und ganz besonders seine Ehefrau Heike ein. Das Preisgeld stiftete Rainer Lehni der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek.

Ausgezeichnete BWL-Diplomarbeit

Den von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung jedes zweite Jahr verliehenen Ernst-Habermann-Preis erhielt Mathias Krauss jun. für seine Diplomarbeit „Entwicklung einer Marketingstrategie für Aquador – Positionierung und Entwicklungsoptionen der Geschäftsfelder“, mit der der aus Großau stammende Absolvent der Fachhochschule Rosenheim einen wertvollen Beitrag im Bereich der Betriebswirtschaftslehre geleistet hat (s. Bericht "Mathias Krauss jun. mit Ernst-Habermann-Preis ausgezeichnet"). Das vom Vater des Preisträgers Mathias Krauss sen. 1995 in Großau bei Hermannstadt gegründete Unternehmen Aquador veredelt Tafelwasser und stilles Wasser und bietet Wasserspender und Trinkwasseranlagen an. Der Preisträger bekräftigte in seiner Danksagung die Absicht, „meinen Einsatz vor Ort für meine Kirchengemeinde und Burg in Großau“ fortzusetzen.
Hans-Christian Habermann spricht bei der ...
Hans-Christian Habermann spricht bei der Verleihung des Ernst- Habermann-Preises an Mathias Krauss (rechts). Foto: Christian Schoger
Hans Christian Habermann nutzte als Vorsitzender des Stiftungsrats die Gelegenheit, über die Aktivitäten der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung zu sprechen und um Unterstützung zu werben.

Mit Hans Peter Türks Elegie (nach Adolf Meschendörfers Siebenbürgischer Elegie fanden die diesjährigen Preisverleihungen ihren feierlichen Schlussakkord.

Christian Schoger

Schlagwörter: Heimattag 2012, Preisverleihung, Kulturpreis, Jugendpreis, Ernst-Habermann-Preis

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