8. Juli 2012

Dem Tiermediziner Michael Bonfert zum 125. Geburtstag

Mitte des 19. Jahrhunderts, Siebenbürgen gehörte noch zur Österreich-Ungarischen Donaumonarchie, führten die Bedürfnisse der Landbevölkerung dazu, dass die Siebenbürger Sachsen für ihren wichtigsten Wirtschaftszweig, die Landwirtschaft, eigene Bildungsstätten benötigten. Eine dieser Schulen war die siebenbürgisch-sächsische landwirtschaftliche Lehranstalt Mediasch. An dieser Schule, bekannt als Ackerbauschule, wirkte Dr. Michael Bonfert als Professor für Tierzucht und Tierheilkunde.
Michael Bonfert wurde am 8. Juli 1887 in Heltau geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums an der Brukenthalschule in Hermannstadt und nach bestandener Matura studierte er von 1906 bis 1912 Veterinärmedizin an der Tierärztlichen Hochschule in Budapest. Während seiner Studienzeit verbrachte er ein Auslandssemester in Berlin und famulierte zudem an den tierärztlichen Bildungsstätten Wien und München. Sein Studium schloss er mit dem Tierärztlichen Diplom ab und begann seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Tierzucht bei Prof. Wellmann. Er gründete mit der aus Heltau stammenden Maria Handel in Budapest eine Familie. Während seiner Assistentenzeit wurde er als Pferdetierarzt zur Armee eingezogen. Nach Beendigung des Krieges kam Michael Bonfert wieder an sein ehemaliges Institut nach Budapest zurück, wo er das wissenschaftliche Thema der „Zahnalterbestimmung beim Pferd“ als Dissertation bearbeitete.

Das Pferd hatte damals sowohl als Arbeitstier in der Land- und Forstwirtschaft, als auch in kriegerischen Auseinandersetzungen eine große wirtschaftliche Bedeutung. Obwohl sich schon ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts weltbekannte Wissenschaftler, wie der aus Böhmen stammende Wiener Professor Ignaz Pessina mit dem Problem der Zahnaltersschätzung beim Pferd auseinandergesetzt hatten, gab es noch ungeklärte Aspekte. Pessina hatte vor allem Tabellen mit Zahnquerschnitten von toten Pferden für bestimmte Altersgruppen erstellt, um damit das Alter der Pferde zu bestimmen. Michael Bonfert hatte die Idee, Gipsabdrücke von Gebissen lebender Pferde, deren Alter bekannt war, anzufertigen und diese für seine Untersuchungen zu verwerten. Bonfert betrieb seine Forschungsarbeit mit großer Energie. Ein geschickter Schmied fertigte ihm Formen an, mit denen er 393 Gipsabdrücke von Gebissen erstellen konnte. In der damaligen Zeit, als es noch keine Beruhigungs- oder Betäubungsmittel für die Pferde gab, mussten die Tiere von vielen Helfern festgehalten werden, um die entsprechenden Abdrücke abzunehmen. Als Basis für die schriftliche Fassung seiner Dissertation verwendete er über 50 Titel der damals verfügbaren Fachliteratur. 1919 verteidigte er seine wissenschaftliche Arbeit vor dem Fachgremium der Hochschulprofessoren und erhielt den Titel Doktor Medicinae Veterinariae. Seine Arbeit wurde 1920 publiziert. Sie stellt einen Meilenstein zum Thema Altersschätzung des Pferdes dar und wird heute noch in Fachbüchern und Dissertationen zu ähnlichen Themen zitiert.

Michael Bonfert (1887-1978) ...
Michael Bonfert (1887-1978)
Nach seiner Promotion verließ Dr. Bonfert die ungarische Hauptstadt. Er erhielt einen Ruf an die bereits 50 Jahre alte siebenbürgisch-sächsische landwirtschaftliche Lehranstalt Mediasch für die Fächer Tierzucht und Tierheilkunde. Neben der Lehrtätigkeit war er auch als freiberuflicher Tierarzt tätig. Seine praktischen Kenntnisse und sein großes Geschick sicherten ihm einen herausragenden Ruf weit über Mediasch hinaus. Von weit her kamen Bauern, um sich Rat bei ihm zu holen.

Neben Lehre und Praxis vernachlässigte Dr. Bonfert seine wissenschaftlichen Untersuchungen nie. In den damals in Siebenbürgen erscheinenden „Landwirtschaftlichen Blättern“ stammen zahlreiche Publikationen aus seiner Feder. Er gründete den „Verband für Zucht und Milchkontrolle des Simmenthaler Rindes“. Erstmals an der Mediascher Ackerbauschule führte Dr. Bonfert in der Rinderzucht die systematische Milchkontrolle ein. Durch seine Maßnahmen gelang es, die Milchproduktion von 151 kg im Jahre 1919 auf 3865 kg im Jahre 1927 zu erhöhen. Für die kleinbäuerlichen Betriebe Siebenbürgens, deren Boden weniger fruchtbar war als der des Banats, war das eine beachtenswerte Leistung.

Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde Dr. Bonfert von den kommunistischen Machthabern zur Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeerkanal verurteilt. Die Anklage lautete: „Kollaboration mit den Deutschen“. Einfache Bauern aus dem Kreis der rumänischen Bevölkerung setzten sich vehement für den auch bei ihnen äußerst beliebten Tierarzt ein. Er hatte ihnen mit seinem Wirken und Können stets geholfen. Die Behörden mussten einsehen, sich getäuscht zu haben, und Dr. Bonfert durfte wieder nach Hause zurückkehren.

Die deutschsprachige siebenbürgisch-sächsische Ackerbauschule wurde 1946 vom rumänischen Staat übernommen und in eine Bildungsstätte für Veterinärtechniker umgewandelt. An dieser Schule wurden in einer Zeitspanne von drei Jahren Maturanten zu Veterinärtechnikern ausgebildet, die Tierärzten unterstellt waren und einfache Arbeiten auf Anweisung des Tierarztes ausführen durften. Bald nach Eröffnung der Schule erinnerte man sich an Dr. Bonfert. Er durfte bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1962 weiter an seiner Schule unterrichten, allerdings wurde dort nun Rumänisch als Unterrichtssprache verwendet. Sicher war diese Umstellung für ihn mit Schwierigkeiten verbunden. Er meisterte diese ebenso wie seinerzeit das Verfassen seiner Dissertationsschrift in ungarischer Sprache. Veterinärtechniker, die anschließend in Bukarest Veterinärmedizin studierten, erinnerten sich mit Freude und Hochachtung an den herausragenden Lehrer, Wissenschaftler und Praktiker Dr. Bonfert. 1965 erhielt er von seiner ehemaligen Alma Mater, der Veterinärmedizinischen Hochschule Budapest, das goldene Ehrendiplom, eine Auszeichnung, die ihm für seine wissenschaftlichen Leistungen nach dem Hochschulabschluss verliehen wurde. Dr. Michael Bonfert starb am 25. Juli 1978, kurz nach seinem 91. Geburtstag, im Kreise seiner Familie in Mediasch.

Horst Erich König

Schlagwörter: Tiermediziner, Mediasch, Porträt

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