19. November 2013

Jugendliche Begeisterung für die Musik - Ingeborg Acker im Gespräch

Freude an der Musik, bunte Auftritte, junges Durchschnittsalter und interkulturelles Zusammenwirken – etwa dies sind die prägenden ­Merkmale von „Canzonetta“, dem Vokal- und Instrumentalensemble der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Kronstadt (Honterusgemeinde). Deutschsprachige Kinder und Jugendliche, hauptsächlich Schüler des Honterus-Lyzeums, machen seit 1981 unter der Leitung der Musikerin Ingeborg Acker ihre ersten Erfahrungen als Musikinterpreten und lassen sich für die Tonkunst begeistern. Seit bald zwanzig Jahren musiziert das Ensemble in der heutigen Zusammensetzung: Chor, Blockflöten, Gitarren, Klavier sowie Orffsches Instrumentarium, von Glockenspielen über Metallophone, Xylophone bis hin zu Rhythmusinstrumenten. Seit 1999 trägt es den Namen „Canzonetta“.
Tourneen, CD-Aufnahmen, Fernsehpräsenz, Workshops mit Profimusikern sowie jährlich 15 bis 20 öffentliche Auftritte im gottesdienstlichen Rahmen oder auf Konzertbühnen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Kulturensembles – all das macht viel Arbeit. Dessen ist sich Ingeborg Acker bewusst. Die Gründerin und Leiterin der Gruppe versucht den Kindern nicht nur das fleißige Üben beizubringen, sondern auch nachhaltigen Spaß an der Musik und der Gemeinschaft zu vermitteln. Auch sie hatte von Kindesbeinen an engen Kontakt zur Musik und lernte die Welt der Klänge in ihrer Familie und dank des regen sächsischen Kulturlebens der Heimatgemeinde Rosenau schätzen.
„Canzonetta“-Gründerin Ingeborg Acker ...
„Canzonetta“-Gründerin Ingeborg Acker
Ingeborg Acker absolvierte das Honterus-Lyzeum und die Organistenschule in Hermannstadt und nahm 1980 die Tätigkeit in der Honterusgemeinde im Bereich „Musikalische Kinder- und Jugendarbeit“ auf. Für ihre Projekte wurde sie 2011 mit dem Jugendpreis geehrt, der von der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland und „Studium Transylvanicum“ verliehen wird. Bekannt ist sie aber nicht nur für ihr Wirken am Pult von „Canzonetta“, sondern ebenso als Vokalsolistin des Hermannstädter und des Kronstädter Bachchors sowie als Lieder- und Chansons-Sängerin. Mit Ingeborg Acker sprach in Kronstadt unsere Korrespondentin Christine Chiriac.


Frau Acker, die Mitglieder von „Canzonetta“ sind etwa zwischen neun und achtzehn Jahre alt und stehen musikalisch auf sehr unterschiedlichem Niveau. Wie kann es gelingen, aus der bunten Gruppe ein homogenes Musikensemble zu bilden?

Mit sehr viel Fantasie und mit meinem „Büro“, dem Laptop, den ich immer bei mir habe. Die Musikbearbeitungsprogramme sind ein Segen für mich! Früher schrieb ich mit der Hand jede Stimme und jede Note für jedes einzelne Kind auf. Es war ein Kraftakt – heute ist es dank der Technik unvergleichlich einfacher geworden. In unser Repertoire nehmen wir auch immer gezielt leichte Stücke für Anfänger auf, damit sie sich gut fühlen können und die Älteren trotzdem noch gerne mitmachen. Bei den etwas komplizierteren Stücken wird eine vereinfachte Version herausgearbeitet, sodass die Unerfahrenen problemlos mithalten. Sie haben dann dieses wunderbare Gefühl, dass SIE die Musik machen.


Muss man als Anfänger Vorkenntnisse mitbringen?

Darauf lege ich großen Wert. Selbst die ganz Jungen sollten Noten lesen können und die Grundbegriffe beherrschen. Anhand von Spielen mit Rhythmusinstrumenten und Blockflötenunterricht führe ich die Neuankömmlinge ins ABC der Musiktheorie ein, denn die ersten Schritte muss man meiner Meinung nach sehr sachte angehen. Wenn Grundschulkinder ohne jede Erfahrung direkt in die Ensembleprobe gebracht werden, ist es ein Kulturschock für sie. Dazu muss ich sagen, dass ich es traurig finde, wie wenig Musik in der Schule unterrichtet wird. Abgesehen von einigen Kinderliedern und höchstens ein wenig Musiktheorie gibt es wenig Kontakt zur Musik. Auf der anderen Seite werden auf Schulfeiern musikalische Programme nach dem Motto „Wir suchen den Superstar“ aufgeführt – begabtere Kinder singen dann als Solisten ins Mikrophon, werden von lauten Negativen beschallt und fühlen sich als Stars. Dass dies langfristig Freude an der Musik und solide Grundkenntnisse bringt, bezweifle ich sehr.


Welches sind die Schwerpunkte im Repertoire von „Canzonetta“?

Wir spielen Instrumental- und Chormusik verschiedener Stilepochen – Renaissance, Barock, Klassik – bis hin zur Unterhaltungsmusik des 20. Jahrhunderts sowie Volksmusik aus der siebenbürgisch-sächsischen, rumänischen, ungarischen, deutschen, jüdischen Tradition Siebenbürgens. Das bewirkt bei den jungen Sängern und Instrumentalisten, die selbst unterschiedlichen Ethnien angehören, noch mehr Toleranz anderen Nationalitäten gegenüber.

Das Ensemble konzertiert regelmäßig in der ...
Das Ensemble konzertiert regelmäßig in der Schwarzen Kirche in Kronstadt. Foto: Cătălin Stoia
Kinder sind nicht immer motiviert, selbstständig zu üben. Wie kultiviert man diese Disziplin?

Unser Vorteil ist, dass „Canzonetta“ freiwillig läuft – deshalb ist es einerseits etwas einfacher, die Kinder zu begeistern. Andererseits fehlen gerade die „klassischen“ Methoden des Schulunterrichts, etwa der Katalog und die Noten. Der Leiter einer Gruppe wie „Canzonetta“ muss viel Geduld aufbringen und ständig etwas Neues, Spannendes „erfinden“, um die Kinder „bei der Stange“ zu halten. Die Formel „Knochenarbeit hinter den Kulissen“ bringt es auf den Punkt. Außerdem kommt es immer darauf an, wer von den Mitgliedern gerade „den Ton angibt“. Es gibt Kinder, die dank ihrer Persönlichkeit bewusst oder unbewusst die unmittelbare Umgebung stärker beeinflussen als andere. Wenn das Ensemble dadurch ein konstruktives Konkurrenzgefühl entwickelt, kann man nur dankbar sein.


Hat „Canzonetta“ auch Profimusiker hervorgebracht?

Ja, mehrere ehemalige Mitglieder stehen heute aktiv auf der Bühne, und das ist eine große Genugtuung. Jedoch ist nicht dies das Hauptziel unseres Ensembles – „Canzonetta“ ist keine Vorbereitung für eine musikalische Karriere.


Welches ist also der Grundgedanke?

Uns geht es um die Förderung von Teamgeist, Kollegialität und Gemeinschaftssinn anhand der Musik. Auf menschlicher Ebene bringt das gemeinsame Musizieren den Kindern eine Stärkung des Selbstbewusstseins, der Kommunikationsfähigkeit, mehr Freude an den Klängen und Rhythmen ohne Jagd nach guten Noten und schließlich auch ohne i-Phones, Computerspiele und Facebook. Außerdem vermittelt man der jungen Generation ein Stück Kultur, das sich die Kinder zu eigen machen und nicht nur passiv zur Kenntnis nehmen. Deshalb versuche ich das Repertoire so zu gestalten, dass die „Canzonettisten“ in alle musikgeschichtlichen Stilrichtungen „hineinschnuppern“ können und sich begeistern lassen. Allein mit Klassik wäre diese Resonanz schwer zu erreichen. Davon bin ich durch meine Erfahrung überzeugt, auch wenn unsere Repertoirewahl gelegentlich als „nicht erzieherisch genug“ kritisiert wurde.


Stoßen Sie auch auf andere Schwierigkeiten in Ihrer Arbeit?

Eine davon ist, dass die Eltern heutzutage unwahrscheinlich beschäftigt sind und ihre Kinder von früh bis spät in unterschiedliche Aktivitäten einbinden, die von Nachhilfestunden und Sport bis Fremdsprachenzusatzunterricht und Tanzkursen reichen. Oft ist es zu viel, und deshalb wird bei manchen Kindern die überdurchschnittliche musikalische Begabung einfach übersehen. Außerdem erlebt das Ensemble regelmäßig zu Anfang des Schuljahres eine Einbuße bezüglich der Mitgliederzahlen, vor allem dadurch, dass die zwölften Klassen ausfallen. Gewöhnlich dauern die Schwankungen bis zu den Adventskonzerten, danach ist die Gruppe wieder kompakt.


2014 feiert „Canzonetta“ sein zwanzigjähriges Bestehen. Welches sind Ihre Pläne?

Im Jubiläumsjahr wird es wie immer Konzerte in kirchlichem Rahmen geben, aber wir haben uns auch einige Sonderkonzerte vorgenommen, an denen wir schon arbeiten. Die Kinder bereiten fleißig eine bebilderte Festschrift vor, in der sie den Werdegang der Gruppe, ihre Erfolge, die witzigen Proben, die Picknicks, Workshops und Konzertreisen dokumentieren und sich bei den Förderern – von ­denen ich vorab das Presbyterium der Honterusgemeinde und die Leitung der „Honterus“-Schule nennen möchte – herzlich bedanken. Wir hoffen auch für das Jubiläumsjahr 2014 auf ein „Crescendo“!

Schlagwörter: Acker, Canzonetta, Musik, Kronstadt

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