27. Mai 2016

Ausgezeichnet, nicht ausgezeichnet - Preisverleihungen in Dinkelsbühl

Alte ungarische Tänze aus dem 17. Jahrhundert erklangen zum Auftakt, in der Mitte und am Ende der diesjährigen Preisverleihungen in Dinkelsbühl. Beschwingt und harmonisch interpretierten die Querflötistinnen Andrea Kulin, Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei, und Kathrin Drotleff die drei Sätze Intrada, Lassú und Lapockás tánc aus dem Arrangement von Ferenc Farkas (1905-2000). Der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Georg Aescht, Amtsnachfolger von Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth, begrüßte das feierlich gestimmte Publikum, die Preisträger und ihre Laudatoren in der gut gefüllten Sankt-Pauls-Kirche.

Zeichen- und Objektkunst mit Leben und Natur verwirkt

Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis, die höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen, wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen, in diesem Jahr an die 1938 in Hermannstadt geborene Künstlerin Sieglinde Bottesch „für eine überwältigende Lebensleistung und den bildnerisch-schöpferischen Dienst an der Gemeinschaft“ (Preis-Urkunde). „In der Vielfalt ihres Schaffens“, heißt es weiter in der Urkunde, „an dessen Anfang die Malerei stand, das sie alsbald mit Zeichnung, Graphik und Illustration abrundete und später auf Plastik und Objektkunst ausdehnte, erweist sich Sieglinde Bottesch als ausnehmend kreative Persönlichkeit, die ihr Können auch als Kunstpädagogin zu vermitteln wusste“. Nicht zuletzt habe die Preisträgerin „eine eigene Bildersprache mit siebenbürgisch-sächsisch geprägter Motivik entwickelt und damit maßgeblich an einer traditionsreichen siebenbürgischen Ikonographie mitgewirkt, die zum Gemeingut der Siebenbürger Sachsen geworden ist“. Als Laudator fungierte Günther Köppel, Professor für Kunstpädagogik an der Universität Eichstätt, zudem Stadtrat (Freie Wähler) und städtischer Kulturbeauftragter. Während des Vortrags wurde mittels Powerpoint-Präsentation gleichsam eine selektive Werkschau auf die Kirchenwand projiziert mit Illustrationen zum sagenumwobenen Land Siebenbürgen, mit Zeichnungen, Malerei und Objektkunst. Eingangs bescheinigte Köppel der Künstlerin eine „überaus gelungene Symbiose aus Leben und Werk“; ein „Lebensbeispiel für viele, die sich neu finden, neu orientieren mussten, ohne ihre Identität, ihr Selbstwertgefühl zu verlieren“. Er habe Sieglinde Bottesch 1988 kennen gelernt, als sie sich nach ihrer Ausreise aus Rumänien um eine Stelle im bayerischen Schuldienst bewarb. Ihn als damaligen Seminarlehrer für die Ausbildung von Kunstlehrern an Realschulen habe Botteschs bescheidenes Auftreten „tief berührt“, immerhin sei sie als Dozentin für Kunstpädagogik in der Ausbildung von Lehrern und Erziehern sehr erfolgreich gewesen und ihr künstlerisches Potenzial habe sich in den von ihr vorgelegten Arbeiten gezeigt. Gleichwohl musste sich die Hermannstädterin nochmals als Referendarin bewähren, dank bayerischer Ministerialbürokratie, befand Köppel mit kritisch-ironischem Unterton. Schlussendlich habe die bayerische Schule eine „hochmotivierte, fachlich und menschlich überaus kompetente Lehrkraft“ gewonnen.
Freudestrahlend zeigt die Siebenbürgisch ...
Freudestrahlend zeigt die Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträgerin 2016 Sieglinde Bottesch ihre Auszeichnung, flankiert von den Vorsitzenden der den Kulturpreis verleihenden Verbände der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel (Dritte von links), und Österreich, Manfred Schuller, sowie ihrem Laudator Prof. Günther Köppel (Vierter von links). Foto: Christian Schoger
Sodann wandte sich der Laudator der Kunstschaffenden Sieglinde Bottesch zu, die ihr Selbstverständnis zunächst über das Grafische, über die Zeichnung entwickelt habe. Dabei habe sie keineswegs ihre Wurzeln geleugnet, diese reichten vielmehr zurück „bis tief in die Erlebniswelt das Zaubergartens der Großmutter in Siebenbürgen“. Die Grafiken der Künstlerin, die ein halbes Menschenleben in Rumänien verbracht habe, Einschränkungen und Zwänge des sozialistischen Staatsapparates inbegriffen, würden zur „Chiffre des Übergangs in ein zweites Leben, polarisierend zwischen Ernsthaftigkeit und Heiterkeit, Gebundensein und Wagemut, Zartheit und vehementer Dynamik“. Ihr Oeuvre bleibe dabei stets stimmig und stilsicher. Dann habe sich Bottesch, Grafik und Malerei hinter sich lassend, der Objektkunst zugewandt und überraschend unmittelbar „beeindruckende Qualität“ erreicht. So erfinde sie für sich neue Daseinsformen, mit technischer Brillanz, „in preziöser und vor allem humorvoller Weise“, befand Köppel, mitunter schlichen sich auch „schaudernd schöne Assoziationen“ ein. Metamorphose, Alterung werde hier nicht als „Abstieg“ thematisiert, die Zeit nicht als „Vernichter“, sondern „Modulator“. Der Laudator nannte die Preisträgerin eine „Gedanken-Fischerin“, die dem Betrachter sinnlich wahrnehmbare Köder auswerfe, „zum Anbeißen jede Menge freier Assoziationen“ ermöglichend.

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Die außerordentliche Kreativität und der „Formungswille“ basierten auf genauester Naturbeobachtung. Die „aufwändige Oberflächenbehandlung“ durch Glätten, Bemalen, Abschaben und Abschleifen, Ritzen und Polieren lasse „subtile, bisweilen irritierende Strukturen“ entstehen. Die aus dem Schöpfungsakt erwachsenen Oberflächenkontraste erzeugten Spannung, Neugier und das „Verlangen nach Berührung“. Die Arbeitsweise der Künstlerin veranschaulichte Prof. Köppel am Beispiel eines Donauschilfkörbchens („ein Moses-Körbchen, in das sie ihre Arbeit, die Muse, legen wollte“). Zwölf von Roma geflochtene Körbe seien nach eineinhalbjähriger Lieferzeit endlich bei Sieglinde Bottesch „angelandet“, die diese zwei Jahre lang der Witterung ausgesetzt habe – der Laudator beschrieb die einsetzenden Prozesse als „ästhetische Evolution“ –, bis die Körbe „reif für die Kunst“ gewesen seien. Im Ausdrucksrepertoire von Bottesch spielten Gras und Haut eine wichtige Rolle. Die fiktiven Häute aus Papier und Wachs „reduzieren die Information ‚Rind' auf die Silhouette“, die „ästhetisch ambitioniert“ als „Idee des Eigentlichen“ viele Deutungen offen lasse. Dies sei „die Kunst, die Gedanken anstößt, die es wert ist, als große Kunst zu gelten“, unterstrich Prof. Günther Köppel. Folgerichtig habe Sieglinde Bottesch durch zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen sowie Publikationen „internationale Resonanz gefunden“.

Das „Geheimnis ihrer Kunst“ verortete der Laudator einerseits in ihrem Fleiß, ihrer Genauigkeit, Bescheidenheit und Selbstdisziplin, zum anderen in ihrer großen Offenheit und Toleranz, ihrer „immensen Kreativität, mit der sie der Vielfalt sinnlicher Wahrnehmungen begegnet“. Dabei nehme sie zeitgenössische Kunst sehr ernst, sie registriere alle Stile und Trends, „vor allem den übermächtigen virtuellen Kosmos, den Siegeszug des Digitalen“. Wie wunderbar es doch sei, bekundete Köppel, „wenn wir in einer Welt der manipulierten Bilder, der virtuellen Irritationen die Präsenz von realen Objekten genießen können“. Zwar seien heuer in Dinkelsbühl keine Arbeiten von Bottesch zu sehen, bedauerte Köppel abschließend, doch werde beim nächsten Heimattag eine Ausstellung präsentiert.

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In ihrer Danksagung rief Sieglinde Bottesch Kindheitserinnerungen wach. Damals „war ich sehr nahe dem Erdreich“; der Boden sei eine unbegrenzte Zeichenfläche und das Zeichnen wie Spiel gewesen; „damit konnte man die Welt erobern, die Linie führte in das Reich der Fantasie“. Sie zeichnete immer weiter „die Linie als Lebensspur“, bis heute – „und heute ausgezeichnet“. Diese Ehrung nehme sie dankend entgegen, auch „stellvertretend für all jene Menschen, die mich begleitet haben und noch begleiten bis heute“, „die mich gefördert haben, mich verstanden haben, an mich geglaubt haben“. Sie hege freilich noch einen Wunsch, nämlich jenen, „noch eine Weile lang nicht ausgezeichnet zu haben“. Heiterer Applaus der Festgemeinde.

Jugend- und Trachtengruppen in Österreich gefördert

Seit 1993 verleihen die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum jährlich den dotierten Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis. 2016 wird Manfred Schuller, in Doppelfunktion Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und Landesobmann in Oberösterreich, geehrt „für seine Verdienste um die siebenbürgisch-sächsische Jugendarbeit durch seine herausragenden Leistungen im Bereich der Förderung siebenbürgisch-sächsischer Jugend- und Trachtengruppen in Österreich“ (Preis-Urkunde). Die Laudatio hielt, geradezu prädestiniert als langjähriger Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), der Stellvertretende Bundesvorsitzende Rainer Lehni.

Manfred Schuller sei ein würdiger Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises, sein Beitrag zur siebenbürgisch-sächsischen Jugendarbeit „ist enorm und wichtig für die Zukunft der Siebenbürger Sachsen in Österreich“, urteilte der Laudator. Er sei nun schon 40 Jahre aktiv zum Wohl unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft und Volkskultur.

Geboren wurde er 1962 in Gmunden am Traunsee als Sohn siebenbürgisch-sächsischer Eltern – der Vater stammt aus Waldhütten, die Mutter kam durch die Flucht über Sächsisch-Regen schließlich nach Österreich. Seit seinem 13. Lebensjahr ist Schuller landsmannschaftlich engagiert, zunächst als Volkstänzer in der Siebenbürgischen Jugend- und Volkstanzgruppe Gmunden-Laakirchen. Zwei Jahre nach deren Auflösung gründete er 1984 die neue Tanzgruppe Gmunden-Laakirchen, in der er zugleich Tanzleiter und Obmann war. Schuller machte Fortbildungen in den Bereichen Tanzunterricht, Rhetorik und absolvierte die Tanzleiterausbildung erfolgreich. Wie Lehni in seiner Laudatio ausführte, gründete Schuller mit Unterstützung der örtlichen Schulen eine Kindertanzgruppe. Bald erfolgte seine Berufung zum Jugendleiter der Nachbarschaft Gmunden-Laakirchen, deren Nachbarvater er 2004 werden sollte. Im selben Jahr wurde er dann auch Landesjugendsprecher in Oberösterreich und Bundesjugendsprecher für Österreich.
Jugendpreisträger Manfred Schuller (Dritter von ...
Jugendpreisträger Manfred Schuller (Dritter von links) neben (von links nach rechts) dem Laudator Rainer Lehni, Bettina Mai (Studium Tran­- sylvanicum) und SJD-Bundesjugendleiter Edwin-Andreas Drotleff. Foto: Christian Schoger
Ein „Traum“ habe sich erfüllt, so Lehni, mit der Bildung einer Bundestanzgruppe der Siebenbürger Sachsen im Februar 2005. Mit der Gründung dieses „Nationalteams“, das jungen Menschen eine attraktive Aktionsform bieten sollte, sei die Idee verbunden gewesen, die Kommunikation unter den siebenbürgisch-sächsischen Tanzgruppen in Österreich zu fördern. Bis zu 13 Tanzgruppen aus mehreren siebenbürgischen Tanzgruppen Österreichs trafen sich in der Folge drei Monate lang wöchentlich und stellten ein gemeinsames Repertoire zusammen. Ihren ersten Auftritt hatte die Bundestanzgruppe im Sommer 2005 in Wien bei einer Benefizveranstaltung zugunsten rumänischer Straßenkinder. Manfred Schuller habe mit diesem Projekt bezweckt, „Gemeinschaftssinn, Tradition, Brauchtum und Kultur zu leben“, betonte Rainer Lehni. Heute wirken in dieser Formation Tänzerinnen und Tänzer aus Vöcklabruck, Laakirchen, Wels, Traun und Rosenau mit.

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Darüber hinaus sei es Schuller durch seine „permanente Fürsprache und ständige Präsenz bei den vielen Veranstaltungen des Landesverbandes der Heimat- und Trachtenvereine“ in Oberösterreich „hervorragend gelungen, die Siebenbürger Jugend- und Volkstanzgruppen bekannt zu machen und damit die ganze Kultur der Siebenbürger Sachsen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln“. Seine Kontakte gingen jedoch über die Grenzen Österreichs hinaus, reichten nach Deutschland ebenso wie nach Siebenbürgen, wohin er mehrmals im Jahr reist, „ob mit der Politik, den Tanzgruppen oder mit Hilfsgütern“. 2008 habe Schuller in Probstdorf bei Agnetheln ein einwöchiges Tanzseminar für die deutsche Tanzgruppe aus Oberwischau (Maramuresch) veranstaltet. Überdies sei der Preisträger 2009 der federführende Organisator des siebenbürgisch-sächsischen Föderationsjugendlagers in Österreich gewesen, 2014 der österreichische Part des Organisationsteams, das die - höchst erfolgreiche - erste internationale siebenbürgisch-sächsische Volkstanzveranstaltung in Wels, der Partnerstadt der Heimatvertriebenen in Österreich, durchgeführt hat. Eine Fortsetzung sei auf dem Großen Ring in Hermannstadt als Prolog zum Sachsentreffen im August 2017 geplant. In Anbetracht dieses langjährigen breiten Engagements verwundere es nicht, dass Manfred Schuller erst zum Landesobmann in Oberösterreich und vor wenigen Wochen dann zum Bundesobmann in Österreich gewählt worden sei. Daneben bestehen seine Tätigkeiten in den HOGs Felldorf und Bistritz, in der Landlerhilfe Österreich sowie dem Siebenbürgischen Musikverein Laakirchen fort. 2012 habe ihm der Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, den Ehrentitel „Konsulent für Volksbildung und Heimatpflege“ verliehen. An dieser Stelle hob der Laudator die starke Unterstützung von Manfred Schullers Gattin Ingrid hervor, die ebenfalls als Bundesfrauenreferentin im Verband der Siebenbürger Sachsen in Österreich engagiert ist.

Manfred Schuller nahm den Preis dankend entgegen „im Namen all jener, die vor meiner Zeit die Jugend begleitet haben und auch immer wieder den Blick nach vorne richten“ und nannte beispielhaft als „Pioniere der Jugendarbeit“ in Österreich Misch Krauss, Dietmar Lindert und Christian Schuster.

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Den klangvollen Schlussakzent der diesjährigen Preisverleihungen in Dinkelsbühl setzten die Querflötistinnen Andrea Kulin und Kathrin Drotleff, indes die Abendsonne durch die Kirchenfenster flammte.

Christian Schoger

Schlagwörter: Preisverleihungen, Heimattag 2016, Dinkelsbühl, Kulturpreis, Jugendpreis, Künstlerin, Bottesch, Schuller Österreich

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