16. November 2016

W. A. Baumgärtner hielt in Stuttgart Vortrag über Volksgruppe zwischen Bestand und Wandel

Auf Einladung des Vereins für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. Arbeitskreis Stuttgart hat der Journalist, Historiker und Buchautor Wilhelm Andreas Baumgärtner am 22. Oktober im Haus der Heimat in Stuttgart über „850 Jahre Siebenbürger Sachsen – eine Volksgruppe zwischen Bestand und Wandel“ referiert.
Baumgärtner beantwortete in seinem übersichtlich strukturierten Vortrag die von ihm selbst gestellten Fragen detailliert und überzeugend: Wie konnte vor 850 Jahren ein so kompaktes Siedlungsgebiet entstehen und wie war es möglich, dass diese Minderheit bis heute überlebte, während andere benachbarte Siedler verschwunden waren? Wer waren die Siebenbürger Sachsen und wie kam der Begriff „Saxones“ von den Adeligen auch zu den bürgerlich bäuerlichen „Teutonici et Flandrenses“? Wie kamen die Sachsen nach Siebenbürgen? Dazu gibt es mehrere Theorien, die eines gemeinsam haben, es fehlen Beweise, Belege für die aufgestellten Behauptungen. Die aufmerksamen Zuschauer, nicht ausschließlich Siebenbürger Sachsen, erfuhren, dass man sich von der klassischen Ansiedlungstheorie des 19. Jahrhunderts verabschieden könne, weil es dafür keine Dokumente gebe, die beweisen, dass es einen Treck von Siedlern gegeben habe, die dem Aufruf des ungarischen Königs Geisa II. gefolgt waren. Es spricht vieles für die Theorie der gescheiterten Kreuzfahrer, so Baumgärtner, die der historischen Wahrheit am nächsten komme. Dieser Ansatz wurde später auch lebhaft diskutiert.

Der Referent erklärte, woher die Siedler kamen und woher der Name „Siebenbürgen“ sich ableitet. Diese mussten im Verlauf der Jahrhunderte einige Gefahren überstehen, zum Beispiel die der Zersplitterung, gegen Tataren und Türken kämpfen, Katastrophen, die zu viele Opfer abverlangten. Es entstanden die heute zum Teil wunderbar restaurierten Kirchenburgen, die den Vorsitzenden des Vereins, Dr. Kemmerich, sehr beeindruckt haben und deren Mauern aus dem 13. Jahrhundert stammen, aber erst unter dem Druck der Türkeneinfälle ausgebaut worden waren.

Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit wurde eine ernste Gefahr für die Selbstständigkeit der Siebenbürger Sachsen, als die Habsburger das Land im Karpatenbogen in Besitz nahmen. Im 19. Jahrhundert, im Zeitalter der Nationalstaaten, konnte es keine Sonderrechte für kleine Volksgruppen mehr geben. Das 20. Jahrhundert mit Nationalsozialismus und Kommunismus gefährdete stark den Bestand der siebenbürgischen Minderheit. Es begann der Exodus mit dem Ergebnis, dass heute noch sehr wenige Sachsen in Siebenbürgen leben, trotzdem hat Rumänien heute einen siebenbürgischen Staatspräsidenten, Klaus Johannis, der sich unter anderem für die Integrität im Land einsetzt. In der anschließenden lebhaften und zum Teil kontroversen Diskussion wurden Fragen laut, wo der Anfang vom Ende des Sachsentums anzusetzen sei, wie umfangreich eine Rückwanderung sei, welche Bedeutung dem Ritterorden zukomme und nach der Rolle der Siebenbürger im Dritten Reich.

Der informationsreiche und interessante Abend endete mit der Frage nach der heutigen Beziehung zwischen Rumänen, Siebenbürger Sachsen und Sinti und Roma. Ein dankbares und zum Teil nachdenkliches Publikum begab sich auf den Heimweg.

Heidemarie Bonfert

Schlagwörter: Stuttgart, Haus der Heimat, Vortrag, Volksgruppe, Journalist, Historiker

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