4. März 2017

Gerald Volkmer: Siebenbürgen zwischen Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich

Das Fürstentum Siebenbürgen wirkte von 1541 bis 1699 als Akteur internationaler Beziehungen; es unterhielt diplomatische Beziehungen und schloss völkerrechtliche Verträge mit vielen europäischen Mächten. Gerald Volkmer, Kronstädter und promovierter Historiker, untersucht diese Beziehungen und legt die erste Gesamtdarstellung der völkerrechtlichen Stellung Siebenbürgens zwischen christlich-abendländischer und islamisch-osmanischer Völkerrechtsordnung vor. Es ist unmöglich, ein solch umfassendes Werk, wie dieses innerhalb einer Rezension inhaltlich wiederzugeben. Es muss bei der Kurzcharakterisierung der geschichtlichen Epochen bleiben, welche die Arbeit von Volkmer umfasst: Eingangs erläutert der Autor die Herausbildung des siebenbürgischen Staates und seiner verfassungsrechtlichen Ordnung nach 1526.
In den drei Jahrzehnten (1541-1571), in denen die Dynastie der Szapolyai über Siebenbürgen und das östliche Ungarn herrschten, dominierte die Frage der Wiederherstellung der Einheit des mittelalterlichen Königreichs Ungarn und damit das Verhältnis zur Habsburgermonarchie die völkerrechtliche Praxis Siebenbürgens gegenüber den christlichen Mächten. Die in diesem Zeitraum betriebene Schaukelpolitik der siebenbürgischen Eliten zwischen den beiden benachbarten Imperien verfolgte zwei außenpolitische Ziele, die sich auf den ersten Blick widersprachen: die Wiederherstellung der Einheit des ­Königreichs Ungarn und die internationale Absicherung der Autonomie der sich herausbildenden siebenbürgischen Eigenstaatlichkeit. Wenngleich das erste Ziel nicht erreicht werden konnte, gelang es den Szapolyais bis 1571, das zweite Vorhaben in die Tat umzusetzen. Zum Zeitpunkt des Todes Johann Sigismund Szapolyais hatte Siebenbürgen seinen Platz als selbständiger Akteur innerhalb des osmanischen Reichsverbandes konsolidiert und die Anerkennung seiner völkerrechtlichen Stellung durch die Habsburgermonarchie weitgehend durchgesetzt.

Im Kapitel „Aufstieg zum aktiven internationalen Akteur unter den Báthory-Fürsten 1571-1598“ analysiert Volkmer die Zeit nach dem ­Aussterben der Szapolyai-Dynastie. Die siebenbürgischen Stände widersetzten sich den Bestimmungen des 1570 geschlossenen Speyerer Vertrages, der für diesen Fall die Thronfolge der Habsburger im Fürstentum Siebenbürgen vorgesehen hatte. Stattdessen wählte der siebenbürgische Landtag den Magnaten Stefan Báthory zum neuen Herrscher Siebenbürgens. Er begründete eine neue Dynastie, die in den folgenden drei Jahrzehnten das Land im Karpatenbogen regierte und eine Periode prägte, die mit den unterschiedlichsten Veränderungen der völkerrechtlichen Stellung Siebenbürgens verbunden ist.

Während des „Langen Türkenkrieges“ (1598-1606) war Siebenbürgen nicht nur Schlachtfeld, sondern seine völkerrechtliche Stellung auch mehrfach bedroht. In keiner anderen Zeitspanne wechselten Herrschaften so häufig, nahm die völkerrechtliche Stellung des Fürstentums so unterschiedliche Formen an, fand sich Siebenbürgen mal als völkerrechtliches Subjekt, dann erneut als Objekt wieder. Volkmer schreibt dazu: „Die auf dem klassischen abendländischen Lehnsverständnis beruhende Vorstellung des Fürsten war jedoch nicht mit den Realitäten im Donau-Karpaten-Raum kompatibel, in dem die christlich-abendländischen Rechtsvorstellungen auf jene des byzantinischen und islamischen Rechtskreises stießen.“ (S.206).

In diesen Zeitraum fällt auch die kurze Herrschaft von Michael dem Tapferen in Siebenbürgen, welche von der rumänischen Geschichtsschreibung gerne überhöht und als Vereinigung von drei rumänischen Fürstentümern dargestellt wird. Volkmer gelingt es, die Beweggründe für diese Machtübernahme in Siebenbürgen prägnant dar- und damit auch richtig zu stellen: Der walachische Woiwode Michael nahm Siebenbürgen im Auftrag von Kaiser Rudolf II. (in seiner Eigenschaft als König von Ungarn) in Besitz, um Kardinal Andreas Báthory zu vertreiben. Nach wenigen Monaten wurde Michael zu machthungrig; Rudolf II. ließ ihn durch General Basta beseitigen.

Auf die Verwüstungen der Türkenkriege folgte ein „goldenes Zeitalter“ für das Fürstentum Siebenbürgen. Dieses behandelt Volkmer in dem Kapitel „Dynastischer Wandel im Windschatten der Hohen Pforte“. Trotz der vergleichsweise häufigen Herrscherwechsel war dies die außenpolitisch aktivste Periode in der Geschichte des Fürstentums. So hat Gabriel Bethlen (Fürst ab 1613) verstanden, durch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik Spielräume für außenpolitische Initiativen zu schaffen – und diese auch zu ­nutzen. Bethlen erkannte die rechtliche Zugehörigkeit des Fürstentums Siebenbürgen zum Länderkomplex der Stephanskrone an und verpflichtete sich, dem Kaiser gegen alle Feinde, die Osmanen ausgenommen, militärisch beizustehen. In einer geheimen Vertragsurkunde ging Bethlen über die oben genannten Punkte weit hinaus. Er erkannte die Oberhoheit des Königs von Ungarn an, dehnte seine Beistandspflicht auch auf einen möglichen Krieg gegen die Osmanen aus und erklärte sich bereit, nach der Eroberung Mittelungarns durch habsburgische Truppen die Herrschaft seiner Familie in Siebenbürgen aufzugeben und das Fürstentum an den König von Ungarn abzutreten. Damit befand sich erstmals seit 1571 wieder ein siebenbürgischer Herrscher unter der gleichzeitigen Suzeränität des Königs von Ungarn und des osmanischen Sultans. Allerdings streifte Bethlen die Suzeränität der Habsburger ab, sobald er seine Herrschaft im Inneren ausreichend konsolidiert hatte und eine günstige internationale Konstellation eingetreten war.

Im Kapitel „Machtentfaltung unter der Rákóczi-Herrschaft 1630-1660“ untersucht Volkmer die völkerrechtliche Stellung Siebenbürgens und die Handlungen der beiden Fürsten. Für Georg I. Rákoczi stand zunächst die Absicherung seiner Macht gegenüber innenpolitischen Gegnern und außenpolitischen Einflussnahmen der Habsburger und Osmanen im Vordergrund. Nachdem Georg I. seine Herrschaft in Siebenbürgen konsolidiert hatte, griff er nach dem Vorbild seines Vorgängers Bethlen in den Dreißigjährigen Krieg ein, um seine Machtbasis und seinen außenpolitischen Spielraum zu erweitern. Dabei schloss er Allianzen unter anderem mit den Königreichen Frankreich und Schweden, deren Hauptziel darin bestand, ein militärisches Bündnis gegen die Habsburgermonarchie zu bilden. Sein Sohn, Fürst Georg II., konnte zu Beginn seiner Regierungszeit auf eine gefestigte Machtgrundlage zurückgreifen. Er nutzte diese und die temporäre Schwäche des Osmanischen Reiches, um die Suzeränität Siebenbürgens über die beiden benachbarten Woiwodschaften Moldau und Walachei zu etablieren. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges richtet Georg II. seine Ambitionen auf Polen. Seine Fehleinschätzung der Situation in Polen sowie der internationalen Lage kostete Siebenbürgen nicht nur die Oberherrschaft über die Moldau und Walachei, seinen Wohlstand und die Einschränkung der Autonomie im Verhältnis zum Osmanischen Reich, sondern auch der Familie Rákoczi die Herrschaft.

Die letzten Jahrzehnte des teilsouveränen Fürstentums Siebenbürgen waren geprägt von einer deutlichen Einschränkung seiner völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit durch die nach 1656 einsetzende Machtentfaltung des Osmanischen Reiches. Diese Phase analysiert Volkmer im Kapitel „Niedergang unter Michael I. Apafi und Eingliederung in die Habsburgermonarchie 1661-1699“. Die Großwesirdynastie der Köprülü achtete streng darauf, dass die Außenpolitik der christlichen Vasallenstaaten in von der Hohen Pforte kontrollierten Bahnen verlief. Dementsprechend bewegte sich die Außenpolitik des Fürsten Michael Apafi (1661-1690) im osmanischen Fahrwasser. Infolge der vernichtenden Niederlage der Türken bei Wien 1683 verschoben sich die Gewichte zugunsten der Habsburgermonarchie. Die fast vollständige Besetzung des Fürstentums durch habsburgische Truppen führte im Mai 1688 zur Aufkündigung der osmanischen Oberhoheit durch den siebenbürgischen Landtag in Hermannstadt und zur Unterstellung Siebenbürgens unter die Suzeränität des Kaisers und ungarischen Königs. Mit der Ernennung des ersten siebenbürgischen Gouverneurs durch den Kaiser im Jahr 1691 endete die völkerrechtliche Praxis des Fürstentums Siebenbürgen. Die Umwandlung Siebenbürgens von einem Subjekt in ein Objekt des Völkerrechts wurde mit dem Frieden von Karlowitz 1699 abgeschlossen, der den Verzicht des Osmanischen Reiches auf alle Rechte bezüglich des Fürstentums zugunsten der Habsburgermonarchie festschrieb.

In dem abschließenden Kapitel „Das Fürstentum Siebenbürgen zwischen islamisch-osmanischer und christlich-abendländischer Völkerrechtsordnung“ fasst Volkmer das in anderen Veröffentlichungen bereits behandelte völkerrechtliche Verhältnis des Fürstentums Siebenbürgen zum Osmanischen Reich zusammen und untersucht, wie Siebenbürgen in den habsburgisch-osmanischen Friedensverträgen behandelt wird. Schlussbetrachtungen fassen die Ausführungen zusammen und erläutern kurz die Auswirkungen des teilsouveränen Fürstentums auf die Entwicklung Siebenbürgens nach dem Untersuchungszeitraum. In den Anhang aufgenommen wurden einige Karten, eine Regententafel, ein Verzeichnis der von 1541 bis 1699 abgeschlossenen Verträge, das (beeindruckend umfangreiche!) Quellen- und Literaturverzeichnis sowie je ein Register für Personen und Orte.

Das Buch ist – vielleicht überraschend für eine historische Studie dieses Umfangs – kurzweilig zu lesen; manche Abschnitte erinnern an einen spannenden Politkrimi. Und noch ein Vergleich drängt sich auf: Die Vorgehensweise der damaligen Herrscher ähnelt in mancher Hinsicht dem Verhalten heutiger Potentaten: Verträge dienen primär der Sicherung der eigenen Macht; persönliche Bereicherung spielt eine wesentliche Rolle. Und passen völkerrechtliche Verträge nicht mehr zu den eigenen Vorstellungen, so werden sie – ohne mit der Wimper zu zucken – gebrochen und neue – eventuell mit dem bisherigen Todfeind – abgeschlossen. Das Buch ermöglicht einem so manches Déjà-vu-Erlebnis!

Dies soll jedoch nicht über die wissenschaftlichen Qualitäten der fast 700 Seiten starken Monografie hinwegtäuschen. Es wird für einen langen Zeitraum das Standardwerk zum Thema bleiben und sei jedem empfohlen, der sich für die geschichtliche Entwicklung Siebenbürgens interessiert.

Uwe Konst




Gerald Volkmer: Siebenbürgen zwischen Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich; München: Verlag De Gruyter Oldenbourg; 2015; ISBN 10: 3110343991 ISBN 13: 9783110343991; 648 S.; 69,95 EUR (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Band 56)

Schlagwörter: Buchbesprechung, Historiker, Geschichte, Siebenbürgen, Habsburg, Volkmer

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