5. Oktober 2017

Stiftung Kirchenburgen

Siebenbürgen, Land der Burgen: 270 Monumente, davon 164 Kirchenburgen, die regelmäßig gepflegt, ihr Bauzustand überwacht, erst notdürftig repariert und schließlich fachgerecht restauriert werden wollen. Philipp Harfmann, Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, erzählt von der Idee, die 2007 zur Gründung der bis 2010 existierenden Leitstelle Kirchenburgen führte, die von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt wurde: „Man dachte, man repariert einfach alle Kirchenburgen durch und ist nach 10 Jahren fertig.“ Die Realität sieht anders aus: Fertig ist man nie! Hier und dort ein Dach flicken, eine Decke abstützen, damit nicht noch mehr kaputtgeht, bis „richtige Hilfe“ kommt. Es ist ein ständiger Wettlauf mit der Zeit. Und ein Fass ohne Boden.

Kampf an allen Fronten

Seit zwei Jahren existiert die Stiftung Kirchenburgen, eine Institution der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), nach Auflösung der Leitstelle Kirchenburgen ins Leben gerufen. Nur als Stiftung kann man längerfristige Aufgaben wahrnehmen, im Gegensatz zu vorher, wo alles Projektcharakter haben musste. Nötig war die Gründung auch, weil die meisten Fördergelder religiöse Institutionen ausschließen. Heute verfügt sie über fünf feste Angestellte: Neben Philipp Harfmann Sebastian Bethge als Beauftragter für Baudenkmalpflege, Andreea Mănăstirean, Kulturreferentin des Siebenbürgenforums, Ruth Istvan, Referentin für Tourismus und Öffentlichkeitsarbeit, Wieland Köber für die Projektverwaltung. Harfmann und Bethge sind Bundesdeutsche: Harfmann pendelt zwischen den Ländern, Bethge hat sich vor 15 Jahren in Trappold niedergelassen, wo der gelernte Zimmermann selbst einen Verein (CasApold) zur fachgerechten Restaurierung von Kirchenburg und Pfarrhaus betreibt, aber auch kulturelle und erzieherische Projekte. Hinzu kommen Volontäre: projektbezogene Experten, Praktikanten, Studenten, die eine Arbeit schreiben. Ein Glücksfall ist die Kooperation mit einer Handwerker-Fachschule aus München, die ein- bis zweimal pro Jahr Gesellen im Rahmen ihrer Meisterausbildung zum Praktikum nach Mardisch und Martinsdorf schickt. „Sie kommen mit ihren Lehrern und arbeiten in kurzer Zeit sehr viel“, erklärt Harfmann. 25000 Handwerksstunden hatte er einmal ausgerechnet. „Wenn man das in Geld umrechnet, könnten wir das gar nicht bezahlen!“ Dem Erhalt der Kirchenburgen kommen nicht nur die Baumaßnahmen selbst zugute, sondern auch die Sensibilisierung der lokalen Einwohner.
Sebastian Bethge (links) und Philipp Harfmann ...
Sebastian Bethge (links) und Philipp Harfmann engagieren sich für die siebenbürgischen Kirchenburgen. Foto: George Dumitriu
Ein Projekt in Mardisch, ein marginalisiertes Dorf mit hauptsächlich Roma-Bevölkerung, macht dies deutlich: Bewusst wurde es 2009, damals unter der Leitstelle, für eine Maßnahme ausgewählt, bei der lokale Arbeiter angeheuert werden sollten, erzählt Bethge. „Die Münchner kamen – und es hat sehr gut funktioniert. Man hat zusammen gearbeitet, abends ein Bier getrunken, mal einen Bauabschnitt gefeiert.“ So ist es gelungen, eine Identifikation mit der Kirchenburg herzustellen, für die sich zuvor kein Mensch interessiert hatte; essentiell zur Vermeidung von Vandalisierung.

Seit der Gründung der Stiftung Kirchenburgen wurden jährlich etwa zehn Projekte durchgeführt, weitere für das Folgejahr geplant. Die Strategie: nicht gleich die ganze Anlage „durchrestaurieren“, sondern stetig etwas tun. Bei der Masse an Objekten dennoch ein riesiger Aufwand.

Lobbying, Fachtourismus, Bildungsarbeit

Zwar liegt der Fokus auf Baumaßnahmen und Koordinierung, doch auch Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising, politisches Lobbying, Fachtourismus und Bildungsarbeit gehören mit dazu. „Wenn wir nicht informieren, haben wir keine Ansprechpartner. Wenn wir keine Politiker begeistern, keine Unterstützung“, erklärt Harfmann. Um ihr Anliegen bekannter zu machen, hat man neben Flyern, Broschüren und spielerischem Lehrmaterial eine Wanderausstellung konzipiert, mit der sich die Stiftung am Heimattag in Dinkelsbühl und beim Sachsentreffen in Hermannstadt vorstellte. Die Resultate ließen nicht auf sich warten: Allein während des Sachsentreffens sprachen zehn Leute aus HOG-Vorständen vor, die bisher gar nicht wussten, dass es diesen zentralen Ansprechpartner gibt. Die Ausstellung soll demnächst auch im Ausland die Runde machen.

Zur letzten Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission in Bukarest war Harfmann als Redner eingeladen. Dass das Thema Kirchenburgen in den politischen Fokus gerückt ist, sei einem Unglücksfall zu verdanken: „Hätte es die Turmeinstürze von Rothbach und Radeln nicht gegeben, wäre das nicht geschehen“, meint er. Als Resultat wurde nun ein deutsch-rumänisches Gemeinschaftsprojekt zur Untersuchung der Standfestigkeit aller Kirchenburgen ins Leben gerufen: Ab sofort bis Ende 2018 werden Vorschläge für Notrettungsmaßnahmen erarbeitet. Finanziert wird dies von der deutschen Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Nachhaltigkeitsfonds der EKR und dem rumänischen Kulturministerium. Eine weitere Hilfe ist die Einrichtung eines Notfonds durch den Förderverein der Stiftung, für akute Notfälle gedacht, wo schnelles Eingreifen erforderlich ist. Zunächst mit nur 1000 Euro jährlich dotiert, hofft man, dass bei transparenter Handhabung weitere Spender den Betrag aufstocken werden.

Was der Stiftung besonders zu Gute kommt, auch wenn kein direkter finanzieller Beitrag damit verbunden ist, ist die gemeinsame Schirmherrschaft des rumänischen und des deutschen Präsidenten, Klaus Johannis und Frank-Walter Steinmeier. „Ein Präzedenzfall“, freut sich Harfmann, „seit 1949 hat noch nie ein deutscher Bundespräsident eine Schirmherrschaft im Ausland übernommen.“

Ein weiteres wichtiges Standbein der Stiftung ist Fachtourismus – eine besondere Nische, die sich an Berufsverbände, Fachhochschulen und Universitäten richtet. „Ein normaler Tourist kommt einmal“, meint Harfmann, „doch wenn sie kommen, bleibt nach jeder Reise etwas hängen.“ Masterarbeiten werden geschrieben oder es ­ergibt sich eine Kooperation. Manchmal entstehen separate Initiativen, wie der Verein „Churchfortress e.V. Friends of Hundertbücheln“, der sich in der Restauration der Kirchenburg engagiert und das akut vom Einsturz bedrohte Lehrerhaus saniert hat. Potenzielle Kandidaten werden auf Messen angesprochen, oder Bildungseinrichtungen direkt eingeladen. Siebenbürgen ist für sie oft aus wissenschaftlicher Sicht interessant, weil sie ständig auf der Suche nach neuen Themen sind.

Schaltstelle und zentraler Ansprechpartner

Die wichtigste Aufgabe der Stiftung Kirchenburgen besteht darin, Maßnahmen zu koordinieren, Akteure zu vernetzen, Aufsicht zu führen und zu beraten. „Guter Rat ist teuer“, lacht Betghe, „bei uns ist er kostenlos!“ Doch nicht immer ist es leicht, alle Interessensgruppen an einen Tisch zu bringen – das Denkmalamt, die HOG, die Diaspora der Siebenbürger Sachsen, die Förderer, den ehrenamtlichen Verein vor Ort, den Bürgermeister – und Einigkeit zu erzielen. Auch wollen Spender meist schnell Ergebnisse sehen. Dann muss man erklären, was alles zu tun ist, bevor es zum konkreten Einsatz kommt: Genehmigungen einholen, Gutachten erstellen etc. Oder, dass, wenn man 17000 Euro in eine Mauer steckt, ein paar Tausend erst in die Bauplanung gehen. Diplomatische Überzeugungsarbeit ist auch nötig, um zu erklären, warum die Erhaltung von Altem besser, allerdings auch teurer ist und man, wenn es fachgerecht gemacht wurde, danach nicht viel Unterschied sieht. Dann heißt es schnell: „Wir haben euch 2000 Euro für das Dach gegeben – was ist mit unserem Geld passiert?“ Deshalb wurde jetzt beim Bischof angeregt, verbindliche Richtlinien herauszugeben.

Transformation und Wiederbelebung

„Unsere Ansprechpartner sind meist HOGs“, fährt Harfmann fort, „doch die Sachsen sind nur der eine Teil.“ Nachdenklich fügt er an: „Die Erben der Erbauer der Kirchenburgen gibt es noch, aber langfristig wird wohl auch schön langsam ein Erbnachfolger gesucht – und der wird nicht immer evangelisch sein.“ An vielen Orten gibt es keine sächsische Gemeinschaft mehr, auch keine HOG. Gleichzeitig aber steigt das Interesse an der Kirchenburgenlandschaft: Während die Zahl der ausländischen Besucher konstant bleibt, wächst die der Rumänen. Auch Ausländer oder zurückgekehrte Siebenbürger Sachsen engagieren sich für den Erhalt von Kirchenburgen. Siebenbürgen wird längst nicht mehr nur mit Tradition in Verbindung gebracht, sondern mit Aufbruch und Abenteuer, oder als Plattform für jene, die ein neues Lebensmodell suchen.

„Vielleicht sehe ich da mehr als andere“, räumt Harfmann ein. Doch er kann auf Anhieb einige Beispiele nennen: Felldorf: Der Österreicher Georg Fritsch hat die Kirchenburg gepachtet und engagiert sich gemeinsam mit dem Verein Arcus aus Neumarkt. „Sie haben eine Schule und ein kleines Museum – eine sehr schöne Erfolgsgeschichte!“ Kelling: „Das finden wir interessant, weil dort schon lange eine rumänische Initiative läuft“. Der Kunsthistoriker Marius Porumb und die Künstlerin Zoe Vida haben Kirche und Gräfenburg gepachtet, der von der Rumänischen Akademie geförderte Verein „Ars Transilvaniae“ organisiert Aktivitäten. Schönberg: Dort betreibt die Bukarester Universität Ion Mincu eine Zweigstelle für bäuerliche Architektur und hält Kurse ab. Kleinschenk: Schule und Pfarrhaus wurden zu einem Pensionskomplex umgebaut, die Kirchenburg restauriert. Initiatorin ist eine zurückgekehrte Sächsin, Carmen Schuster. Eher ungewöhnlich ist, was in Felmern geschieht: Dort lebt ein rumänisches Ehepaar, Alina Pătru und Radu ­Bârlea, die mit dem Verein Renascendis die Kirchenburg restaurieren wollen und erzieherische Projekte zum Thema Kulturerbe durchführen. „Obwohl orthodox geprägt“, bemerkt Harfmann, „waren sie die ersten, die gesagt haben, wir hätten hier gerne wieder evangelischen Gottesdienst. Wann kommt der Pfarrer?“ Viele wollen wiederbeleben, was früher war – doch nicht als Museum. Nicht in allen Fällen ist der Erhalt der Kirchenburg Teil des Projekts, etwa in Hahnbach, wo Anja Schneider und Willi Tartler eine Bio-Imkerschule betreiben. „Doch für mich ist es ein Pluspunkt, wenn sich jemand vor Ort engagiert - wenn ich neues Leben entdecke“, resümiert Harfmann. So werden Kirchenburgen zu Kondensationskeimen, an denen eine neue Zukunft auskristallisiert. Neue Menschen, neue Ideen, neue Impulse flechten sich in Geschichte und Kulturlandschaft ein. Neue Hoffnung – auch für die Kirchenburgen.

Nina May

Schlagwörter: Stiftung Kirchenburgen

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