12. September 2018

Die Kronstädter Prachtmedaille von 1886: eindrucksvolles Beispiel siebenbürgisch-sächsischer Identitätsstiftung

Die großformatige Medaille misst 85,15 mm im Durchmesser und wiegt 162,90 g. Sie zeigt in der Mitte des Avers das Wappen Siebenbürgens, umgeben von 20 Medaillons mit den Brustbildern der 20 Fürsten von Siebenbürgen, jeweils mit Namen und Regierungszeit. Die Legende lautet: „SIEBENBÜRGEN 1538-1690“.
Beginnend bei 12 Uhr sind in zwei konzentrischen Ringen im Uhrzeigersinn abgebildet: Johann I. Zapolya (1538-1540), Ferdinand I. (1551-1556), Johann II. Sigism. Zapolya (1556-1571), Steph. Bathori (1571-1575), Christ. Bathori (1576-1581), Sigism. Bathori (1581-1602), Andreas Bathori (1599), Rudolph II. (1588 & 1602-1605), Steph. Bochkay (1604-1607), Sigism. Rakoczi (1607-1608), Gabriel Bathori (1608-1613), Gabriel Bethlen (1613-1629), Catharina Bethlen (1629-1630), Stephan Bethlen (1630), Georg Rakoczi (1630-1648), Georg Rakoczi II. (1648-1660), Franz Rhedey (1657-1658), Achatius Barcsai (1658-1660), Johann Kemeny (1661) und Michael Apafi (1661-1690).

Am unteren Rand haben sich Medailleur und Graveur verewigt: „ENTWORF. V. AD. RESCH GRAV. V. J. SCHWERDTNER“.

Der Revers stellt im Zentrum das Wappen von Kronstadt dar mit der Legende „KRONSTADT 1886“, umgeben von den Wappen der 16 größten Orte Siebenbürgens. Beginnen bei 12 im Uhrzeigersinn: Hermannstadt, Klausenburg, Bistritz, Broos, Leschkirch, Mediasch, Sächsisch-Regen, Schäßburg, Fogarasch, Reps, Nagy-Enyed (Aiud), Großschenk, Mühlbach, Reußmarkt, Maros-Vásárhely (Târgu Mureș) und Karlsburg.
Kronstädter Prachtmedaille von 1886. ...
Kronstädter Prachtmedaille von 1886.
Die Medaille nimmt damit eine sehr regional-patriotische Haltung ein in einer Zeit, die seit dem Jahr 1867 durch die rigide Magyarisierungspolitik mit der alleinigen Verwendung der ungarischen Sprache in der ungarischen Reichshälfte der Habsburger Doppelmonarchie gekennzeichnet war. In Siebenbürgen vermochten die Siebenbürger Sachsen jedoch meistens, anders als im übrigen Ungarnreich, durch die gesellschaftliche Stellung der lutherischen Kirche und durch Vereine und Stiftungen, vor allem die Stiftung der Nationsuniversität, die deutsche Sprache und damit ihre Identität zu behalten. Auch bei dieser Medaille, aus Anlass der Vereinstage in Kronstadt 1886, ist die deutsche Sprache genutzt worden.

Der Graveur der Kronstädter Prachtmedaille, Johann Schwerdtner, hat sich anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums auf der Vorderseite einer Bronzemedaille bei der Arbeit in seinem Wiener Atelier verewigt. Die Legende lautet: MEINEN GÖNNERN UND FREUNDEN ZUR ERINNERUNG 1847-1897. Auf der Rückseite hat der Künstler seine Vita so beschrieben: „JOHANN SCHWERDTNER GEB. WIEN 14. JULI 1834 GRAVEUR U. MEDAILLEUR ISEIT OSTERN 1847 ASSENTIRT ZUM INF. REG. HOCH U. DEUTSCHMEISTER No. 4 KUPFERSTECHER ELEVE DES K.K. MILIT. GEGR. INSTITUTS ETABLIRT AM 6. JULI 1887 VI. MARIAHILFERSTRASSE 47 K.K.M.G. SCHÄTZMEISTER GRÜNDER UND VORSTEHER D. GENOSSENSCH. D. GRAVEURE AUSSCHUSS DER FACHSCHULE GEWERBESCHULINSPECTOR MITGL. D. COMM. BÜRGER VON WIEN“

Schwerdtner war seinerzeit ein berühmter Graveur, er erhielt zahlreiche in- und ausländische Auszeichnungen für seine Werke. Aus seiner Werkstatt gingen weitere berühmte Graveure hervor. Zu seinen Werken gehören u.a. Porträtmedaillen, Abzeichen, Orden, Wappengravierungen und ein Großteil der gravierten Sargplatten der Kaisergruft in Wien. Er starb 1920 in Wien.

Der Medailleur Adolf Resch ist uns bekannt durch sein 1901 in Hermannstadt veröffentlichtes Buch „Siebenbürgische Münzen und Medaillen 1538 bis zur Gegenwart“, das auch heute noch als das Referenzwerk für Numismatik in Siebenbürgen gilt. Im Vorwort seines Buches schreibt der Autor: „Seit zwanzig Jahren mit dem Studium der siebenbürgischen Münzen beschäftigt, habe ich eine eigene Sammlung von rund 2000 Stück angelegt und außerdem noch etwa 1000 Stück in Abdrücken gesammelt und zwar aus dem Baron Brukenthal’schen Museum in Hermannstadt, dem Ungarischen Nationalmuseum in Budapest, dem. kaiserl. Münzkabinet in Wien und dem königl. Münzkabinet in Berlin“.

Wahrscheinlich wurden diese Medaillen an die Besucher der Vereinstage 1886 in Kronstadt ausgegeben, Herstellung und Prägung oblag vermutlich der Vereinsgemeinschaft.

Es gibt die Medaille in verschiedenen Materialien, nämlich Silber, Braunbronze, Kupfer, Messing, Goldbronze, Nickel, und Zinn. Das hier beschriebene und abgebildete Exemplar ist aus Zinn. Die Prachtmedaille ist ein eindrucksvolles Beispiel siebenbürgisch-sächsischer Identitätsstiftung in einer schweren Zeit übergreifender Magyarisierung. Kunsthistorisch ist sie eine Ikone der Medaillen- und Gravierkunst des späten 19. Jahrhunderts.

Dr. Roland Siegmund

Schlagwörter: Kronstadt, Medaillen, Österreich-Ungarn, Identität

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