23. Dezember 2018

Paul Niedermaier als erster Siebenbürger Sachse Vollmitglied der Rumänischen Akademie

Ende November wurde der Historiker, Architekt und langjährige Direktor des Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften in Hermannstadt, Prof. Dr. Paul Niedermaier, mit 43 zu einer Stimme zum Vollmitglied der Rumänischen Akademie gewählt. Korrespondierendes Mitglied ist er bereits seit 2001. Der 81-Jährige ist damit der erste Siebenbürger Sachse, dem diese hohe Ehre zuteilwird. Vor ihm waren der Historiker Friedrich Teutsch, der Linguist Gustav Kisch und der Kunsthistoriker Viktor Roth Ehrenmitglieder oder korrespondierende Mitglieder. „Nach dem Kommunismus wurde Hermann Oberth post mortem gewählt. Der Musiker Wilhelm Berger war korrespondierendes Mitglied, wie bisher auch ich, und Christoph Klein ist Ehrenmitglied“, erklärt Niedermaier in einem Interview mit der ADZ. Im Ganzen gibt es rund 170 Akademiemitglieder, davon etwa die Hälfte Vollmitglieder.

Bereits früh in Richtung Geschichte orientiert

Bereits in der Hochschulzeit hatte sich der Student der Architektur mit Architekturgeschichte beschäftigt: „Schon im ersten Jahr bin ich mit Hermann Fabini täglich zu den Kirchenburgen gefahren.“ Seine erste Arbeit darüber sollte auf einer wissenschaftlichen Tagung vorgetragen werden, aber da es sich um eine Kirchenburg – also Kirche – handelte, ist sie gestrichen worden. Für die Dissertation wählte er als Fachthema die Entwicklung der siebenbürgischen Städte vom Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert.
Dr. Paul Niedermaier wurde als erster ...
Dr. Paul Niedermaier wurde als erster Siebenbürger Sachse Vollmitglied der Rumänischen Akademie. Foto: www.icsusib.ro
Nach der ersten Anstellung im Freilichtmuseum von Hermannstadt verbrachte Paul Niedermaier seine weitere Karriere im Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften Hermannstadt, das zur Rumänischen Akademie gehört. „Dort bin ich seit 1971, davon 24 Jahre als Direktor.“ Dann ging er in Rente. „Bei der Akademie sagte man mir: Suchen Sie jemanden, der bereit ist, Ihr Nachfolger zu werden und der Ihrem Anspruch genügt.“ Den hat er in Prof. Dr. Rudolf Gräf gefunden, Historiker, seit neun Jahren Prorektor an der Babeș-Bolyai Universität in Klausenburg. Niedermaier selbst ist jetzt nur noch halbtags angestellt. „Ich hab mich in den letzten Winkel des Instituts zurückgezogen und mir vorgestellt: Jetzt kannst du dich nur der Wissenschaft widmen!“

Spannende neue Erkenntnisse

Derzeit schreibt der Gelehrte an einem Buch über Studien zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter bis zum 13. Jahrhundert. „Teil 1 ist fertig und jetzt arbeite ich an Teil 2, die Südkarpaten in der frühen Geschichte der Rumänen. Das ist ein Thema, das ich vorher nicht behandelt habe und das mich jetzt sehr interessiert, weil da vieles herauskommt, an das man gar nicht denkt.“ Zum Beispiel, dass es dort früh Verbindungen zwischen dem Gebiet um Fogarasch und der Walachei gab, während der Rest der Altsenke stark bewaldet war. „Nur um Fogarasch herum, in einem größeren Gebiet, ist dicht gesiedelt worden. Das hatte bisher kein Mensch bemerkt!“ Im Fogarascher Gebiet waren rumänische Siedlungen, betont Niedermaier, der das Thema gerade jetzt interessant findet, weil er sich bisher vorwiegend mit Sachsen und Ungarn beschäftigt hatte. Doch auch viele andere Völker tummelten sich in der Region: In Siebenbürgen wurden die Komitate, die Verwaltungseinheiten, von den Ungarn im Laufe der Zeit immer weiter nach Osten ausgedehnt, wofür eine Menge Hilfsvölker verwendet wurden. Die bekanntesten sind die Szekler, dann gibt es die Oghusen, in der Gegend um Dej siedelten Chasaren. Das sind vor allem Turkvölker, die aus dem Osten eingewandert sind. „Im Mittelalter ist die Bevölkerung enorm schnell gewachsen“, erklärt Niedermaier. „Das ist eine Sache, die in der Geschichtswissenschaft bisher praktisch nicht berücksichtigt wurde.“

Im Prinzip war das Zusammenleben dieser Völker geregelt. Als Beispiel erwähnt er eine Urkunde von 1224, die den Sachsen der Wald der Rumänen und Petschenegen zur Mitverwendung zur Verfügung stellt. Die Petschenegen waren im ersten Jahrtausend aus dem Osten in die Moldau und auch nach Siebenbürgen eingesickert und machten Raubzüge. Nachdem sie 1068 von den Ungarn vernichtend geschlagen wurden, zogen sie sich wieder zurück, doch einige sind geblieben. Spuren petschenegischer Siedlungen sind an alten Ortsnamen zu erkennen: Heidendorf bei Bistritz hieß auf ungarisch Besenyö; in Hermannstadt gibt es einen Berg namens Beșineu; Olteț im Kreis Kronstadt hieß Beșimbac und in Tulcea gibt es einen Ort namens Peceneaga.

Die wohlhabenderen Rumänen wohnten damals zum großen Teil am Fuß der Gebirge und zogen im Sommer mit ihren Schafen auf die Hochweiden. Doch Transhumanz in dem Sinne, dass sie weite Strecken zurücklegten, wäre zu gefährlich gewesen, erklärt Niedermaier. „Zumal in der Walachei auch zuerst Petschenegen waren. Dann kamen die Kumanen, die schlugen die Petschenegen. Muntenia hieß früher Kumania. Die Geschichte ist eine sehr komplizierte Sache.“

Auf die Frage, woher die Rumänen kamen, erwähnt er zwei Theorien – die eine, dass sie schon immer hier waren, und die andere, dass sie vom Balkan herkamen, wo es auch heute noch rumänische Stämme gibt, die Aromunen. „Ich glaube – aber das ist meine persönliche Überzeugung – dass diese schwarz-weiß Theorien eigentlich überlebt sind.“ Bei einer geringen Bevölkerungsdichte seien die Leute mal hier, mal dort gewesen mit ihren Herden, sicher auch in Siebenbürgen und in der Pannonischen Tiefebene. In einer früheren Chronik wurden dort zwar nicht rumänische, aber romanische Hirten erwähnt. Diese sind von den Ungarn verdrängt worden. „Zu einer sehr frühen Zeit dürfte es keine so klaren, festen Siedlungsgebiete gegeben haben.“

Nina May

Schlagwörter: Niedermaier, Architekt, Historiker, Akademie, Rumänien, Wissenschaft

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