23. November 2022

Bedeutende siebenbürgische Forschungsstätte: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde vor 60 Jahren neu gegründet

Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde – wer kennt diesen Namen? Vielleicht eher als „Landeskundeverein“? Eigentlich ist er viel älter, denn vor sechs Jahrzehnten hatte er unter dem neuen Namen lediglich die Rechtsnachfolge des bereits 1840 in Mediasch gegründeten (und 1842, also vor 180 Jahren, von den österreichischen Behörden genehmigten) „Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ angetreten. Er ist 182 oder zumindest 180 Jahre alt und damit, sehen wir von der deutlich älteren evangelischen Landeskirche ab, die älteste heute existierende sächsische Einrichtung. Grund genug, aus Anlass des 60. Jahrestags der Neugründung an den Landeskundeverein zu erinnern.
Teilnehmer einer Studienfahrt des Arbeitskreises ...
Teilnehmer einer Studienfahrt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde auf den Spuren des Ersten Weltkrieges in den Dolomiten und am Isonzo (2014). Hier vor dem Denkmal für den in den Napoleonischen Kriegen bei der Verteidigung des Forts Malborghet gefallenen k.k. Hauptmann Friedrich Hensel und dessen Kampfgefährten. Foto: Konrad Klein
Schon kurze Zeit nach Gründung der Bundesrepublik hatte ein „Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen“ in den fünfziger Jahren angefangen, bei wiederholten Treffen Fragen nach der eigenen Geschichte und Kultur zu stellen. Aus diesem Kreis kamen wichtige Impulse für die Jugendarbeit in Hilfskomitee und Landsmannschaft, aber es bildete sich auch eine Gruppe heraus, die das Thema Siebenbürgen wissenschaftlich und vertiefend untersuchen wollte. Nachdrücklich ermuntert vom letzten Rechtsträger des alten Vereins, der 1947 in Siebenbürgen zwangsaufgelöst worden war, nämlich vom damals in Innsbruck lehrenden Univ.-Prof. Dr. Karl Kurt Klein, kam es im Januar 1962 in Mannheim zur Gründung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL). Sichtbarer Ausdruck seiner Rechtsnachfolge des alten Vereins waren etwa der Ehrenvorsitz Karl Kurt Kleins und die Fortführung des Vereinsorgans „Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ (1842-1944) schon im Gründungsjahr als „Siebenbürgisches Archiv“. Die Ausrichtung war von Anbeginn gesamtsiebenbürgisch und offen für alle wissenschaftlich Interessierten – der erste Vorsitzende Otto Mittelstraß etwa stammte aus dem Badischen –, wenngleich sowohl die behandelten und publizierten Themen genauso wie die Mitglieder ganz überwiegend sächsisch waren und sind.

1995/96 erwarb der AKSL mit Hilfe einer Erbschaft ...
1995/96 erwarb der AKSL mit Hilfe einer Erbschaft das Haus Schloßstraße 41 in Gundelsheim und richtete es als Institutsgebäude her, in dem bis heute wichtige Archivbestände aufbewahrt werden. Foto: Siebenbürgen-Institut
Die bisherigen sechs Jahrzehnte können als ausgesprochene Erfolgsgeschichte angesehen werden, und zwar auf verschiedenen Ebenen: Zum einen hat der Arbeitskreis eine rege Vereinstätigkeit mit Tagungen und Publikationen (über 150 Einzelbände) entfaltet, zum zweiten hat er ganz wesentlich zur Gründung und zum Aufbau dessen beigetragen, was wir heute alle als „Siebenbürgen-Institut“ kennen, und zum dritten hat sein Wirken zu einer größeren Zahl an Ausgründungen geführt (u.a. Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturrat, Siebenbürgisches Museum), die heute gemeinsam mit ihm die Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck ausmachen – ein Aspekt, der mangels Hintergrundwissen oft übersehen wird. Als interdisziplinär tätige regionalkundliche wissenschaftliche Gesellschaft konnte der AKSL in den neunziger Jahren mit über 750 Mitgliedern eine beachtliche Größe erreichen. Vor allem hat er immer klar gemacht und tut das bis heute, dass er zwar wissenschaftlichen Standards verpflichtet ist, aber offen ist für alle als Mitglied, unbesehen des Berufs oder der Ausbildung – Mitglieder unterstützen die landeskundliche Forschung durch die Teilnahme an Tagungen und den Bezug von Publikationen (die sie meist vergünstigt erhalten können) sowie die Nutzung der zentralen Dokumentationsstätte, nämlich des Siebenbürgen-Instituts. Und dieses Institut ist es auch, was in den letzten Jahrzehnten einen großen Teil der Konzentration des AKSL absorbiert: Das Funktionieren des Instituts mit Bibliothek und Archiv und die Entlohnung der Beschäftigten sicherzustellen allein sind schon Mammutaufgaben; als wissenschaftlich einschlägige Einrichtung ist der AKSL zusätzlich noch dadurch gefordert, als er die fachliche Expertise einzubringen laufend gefordert ist. Dass sich der Landeskundeverein 2015 mit einem Anteil von 100 000 Euro am Erwerb von Schloss Horneck beteiligte, damals fast seinen gesamten verfügbaren Mitteln, zeigt, welche Bedeutung er dem Erhalt der zentralen Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck beigemessen hat. Der Standort Schloss Horneck für die Kultureinrichtungen ging nämlich auf den AKSL zurück, der nur ein Jahr nach seiner Gründung die bis dahin im bayerischen Rimsting am Chiemsee verwahrte „Siebenbürgische Bücherei“ nach Gundelsheim überführte und in der Folge dort seine Geschäfts- und Arbeitsstelle ausbaute. Möglich wurde dies durch eine enge Kooperation mit dem Hilfsverein Johannes Honterus, dem das Schloss gehörte, der das Altenheim betrieb und der die Unterstützung kultureller Einrichtungen ausdrücklich als Vereinszweck definierte – ohne dessen Bereitschaft, nicht benötigte Raumkapazitäten bereitzustellen, hätten sich hier weder Institut noch Museum entwickeln können.

Bereits in den 1950er Jahren wählte der ...
Bereits in den 1950er Jahren wählte der Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen das Lindenblätterdreieck aus dem Wappen der Sieben Stühle (und Hermannstadts) als eigenes Kennzeichen, das der AKSL ab 1962 fortführte und in den 1990er Jahren als eingetragene Marke schützen ließ. Heute ist es auch wieder Teil der Wappen der Stadt sowie des Kreises Hermannstadt.
Vor der politischen Wende in Ostmitteleuropa hatte der AKSL durch seine vielfältigen Kontakte in den Wissenschaftsbetrieb in Rumänien und teilweise auch in Ungarn ein Alleinstellungsmerkmal erworben, dessen sich etwa das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart zu beiderseitigem Nutzen dadurch bediente, als es in Gundelsheim ab 1970 einen „Referenten für transsylvanische Forschung“ unterhielt – also den dort amtierenden Geschäftsführer. Beim AKSL war auch die etwas später hinzugekommene und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Arbeitsstelle des Nordsiebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs angesiedelt. Mit der weiteren Vergrößerung des Teams und der Erschließung neuer Förderungen brauchte es einen institutionellen Rahmen, der zunächst im Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturbeirat gefunden wurde, der schließlich zum Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat wurde und ab 1987 drei weitere Planstellen einrichten konnte – eine davon damals noch die Museumsleitung. Mit der Übernahme der Förderung des Siebenbürgischen Museums durch den Bund 1992 wurden künftig alle Museumsmitarbeiter bei dessen Trägerverein angestellt. Damit erkennt man auch schon die ersten beiden Ausgründungen, die aus dem Wirken des Arbeitskreises hervorgingen. Später kamen noch der Verein der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek (1992) sowie die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek (1999) hinzu. Da zu Beginn auch die Heimatortsgemeinschaften ihre zentrale Anlaufstelle längere Zeit bei der Gundelsheimer Geschäftsstelle hatten, könnte man auch den heute selbstständigen HOG-Verband hinzuzählen.

Den Höhepunkt seiner Tätigkeit konnte der Landeskundeverein wohl in den achtziger und neunziger Jahren erleben, mit Jahrestagungen mit bis zu 200 Teilnehmern und zahllosen Vorträgen, jährlich mehreren Buchtiteln, neuen Schriftenreihen und Zeitschriften, vor allem aber mit vielen aktiven Mitgliedern in allen Disziplinen – etwa in den Sektionen Naturwissenschaften, Schulgeschichte, Genealogie, Volkskunde oder Germanistik. Dies änderte sich während der letzten rund zwei Jahrzehnte wahrnehmbar, nicht nur, weil es zunehmend mehr Institute gibt, die enge grenzüberschreitende Verbindungen nach Rumänien unterhalten, sondern vor allem auch, weil es immer weniger aktive Mitglieder gibt. Und vor allem die im Vorstand Aktiven haben immer mehr Kapazität in die räumliche und finanzielle Sicherung des Siebenbürgen-Instituts investieren müssen und tun es bis heute. Sie haben – auch wegen zahlreicher Tagungen – bisher kaum Luft gehabt, um eine Strategie für die Zukunft des Landeskundevereins zu entwickeln. Dabei wird es wichtig sein, neue Zielgruppen als Mitglieder anzusprechen, da der Zuwachs aus sächsischen Kreisen immer geringer wird. All dies wird sich auf die Tätigkeit de AKSL auswirken; die Anzahl an Publikationen und Tagungen wurde in den letzten drei Jahren bereits geringer und möglicherweise wird sich auch die traditionsreiche Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde (begründet 1878) neuen Lese- und Darstellungsgewohnheiten anpassen müssen. Auch der Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit (über die schöne Internetpräsenz www.siebenbuergen-institut.de hinaus) wäre eine herausfordernde Aufgabe, für die aber neue Kräfte zu gewinnen wären. So steht der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde sechs Jahrzehnte nach seiner Gründung durchaus an einer Wegmarke und will gerne hoffnungsvoll auf eine enge Kooperation sowohl mit den Mitgliedern wie auch mit den wissenschaftlichen Partnern im In- und Ausland hoffen. Bei der soeben in Bad Kissingen stattgefundenen 54. Jahrestagung, die sich mit dem literarischen Aufbruch in Siebenbürgen zu Beginn des 20. Jahrhunderts befasste, konnten unter anderem zwei neue Bände des Siebenbürgischen Archivs angekündigt sowie zu den beiden Jahrestagungen 2023 in Passau zur siebenbürgischen Rechtsgeschichte und 2024 in Hermannstadt zu „800 Jahre Andreanum“ eingeladen werden. Interessenten sind jederzeit herzlich eingeladen, das Angebot des Arbeitskreises auf der genannten Internetpräsenz zu prüfen oder sich aus Gundelsheim Informationsmaterial schicken zu lassen – und als Mitglied beizutreten, ob aktiv oder fördernd, alle sind willkommen!

Harald Roth

Schlagwörter: AKSL, Jubiläum, Geschichte

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