11. August 2023

Gedenken an Ernst Irtel zum 20. Todestag im Rahmen der Sommerlichen Kulturtage auf Schloss Horneck

In dem vielseitigen Rahmenprogramm der sommerlichen Kulturtage auf Schloss Horneck zum Thema „Siebenbürgische Karpaten und die weite Bergwelt“ (siehe Bericht) nahm ein Programmpunkt eine Sonderstellung ein und schien nicht zu dem Generalthema zu passen. Die Gedenkveranstaltung zum 20. Todestag von Ernst Irtel war dennoch ein Höhepunkt dieser Tage. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die Kulturtage an Irtels Todestag (8. Juli 2003) stattfanden. So bettete sich diese Veranstaltung in einen würdigen Rahmen ein.
Den Anstoß dazu gab Margrit Csiky, die noch immer von der musikalischen Mitgift zehrt, die ihr einst der Mediascher Musiklehrer Irtel mit seinen „Komponistenstunden“ mitgegeben hatte. Ein ehrendes Angedenken schien ihr wichtig für den Mann, der es verstanden hatte, seinen Schülern die Liebe und das Verständnis für die Musik zu einem lebenslangen Anliegen zu machen. Im barocken Festsaal des Schlosses, da wo Irtel selber viele unvergessliche Musikstunden zelebriert hat, waren nun lauter ehemalige Weggefährten Irtels angetreten, um seiner zu gedenken. Hier auf Schloss Horneck hatte Ernst Irtel seinen Lebensabend im damaligen Altenheim von 1987 bis 2003 verbracht und sich hier ein Wirkungsfeld erschlossen. Neue Schaffenskraft beflügelte ihn hier, so dass hier eine Reihe seiner späten Kompositionen entstanden sind, wie auch die Beschäftigung und Abfassung einer ersten umfassenden Biographie zu dem „siebenbürgischen Wunderkind“ Carl Filtsch.

All dieses waren Gründe, den auf dem Schloss entstandenen Salon zur Musikgeschichte Siebenbürgens nach Ernst Irtel zu benennen. Wie groß das Interesse des Publikums an diesem Thema ist, zeigte bereits der riesige Publikumsandrang im überfüllten Musikzimmer bei Heinz Ackers morgendlicher Führung durch den „Musiksalon Irtel“.
Mitwirkende beim Irtel-Gedenken auf Schloss ...
Mitwirkende beim Irtel-Gedenken auf Schloss Horneck. Foto: Volker Plattner
Die nachmittägliche Gedenkveranstaltung führte Christian Duca ein, ein Neffe Irtels, der viele liebevolle Erinnerungen an den Onkel hegt, der sich aber damit begnügte, „Bilder sprechen zu lassen“. Die „Siebenbürgische Elegie“, Irtels wohl bekannteste Komposition, dargeboten als Wiederabe einer Platteneinspielung der Cantores Cibiniensis (Madrigalchor Samuel von Brukenthal, 1986) unter Kurt M. Scheiner bildete den klanglichen Hintergrund für eine unkommentierte Bilderfolge, mit der man den Lebensweg des Musikers Irtel durchschritt. Sie führte aus der Jugendzeit in Mühlbach (hier geboren 1912), über seine Arbeitsstationen in Hermannstadt, Schäßburg (Lehrerseminar) und Mediasch (Gymnasium) und zeigte das Bild eines Künstlers, dessen ganzes Streben als Pädagoge und Chorleiter dem Schönen, Humanen und Edlen, als Ausdruck von Literatur und Musik gegolten hatte.

Die dargebotenen Kompositionen aus der Feder Irtels zeigten, mit welcher Sorgfalt er die Texte zu seinen Kompositionen auswählte. Seine Werke lassen den Respekt und die hohen Ansprüche an sich selbst erkennen, mit denen er beim Komponieren ans Werk ging. Die vielfachen Überarbeitungen seiner Werke verraten das Ringen um die bestmögliche Gestaltung, oftmals gepaart mit peinigenden Selbstzweifeln. So finden sich viele seiner Kompositionen gleich in mehrfachen Ausfertigungen, als Instrumentalstück, als Lied oder auch als solistisches Klavierstück. Irtels „Miniaturen für Violoncello“ sind vertonte Lyrik, denn sie entstanden als Transkriptionen ursprünglicher Liedkompositionen.

So auch die beiden von Georg Ongert vorgetragenen Miniaturen „Es ist ein Flüstern“ und „Vöglein Schwermut“. Das „Albumblatt für Doris“ ist eine Dankesgeste Irtels an die hilfreiche Wiener Studentin bei den Filtsch-Recherchen. Der in Heltau geborene und in Nürnberg wirkende Cellist Ongert ist auf Schloss Horneck als Leiter des „Eybler-Trios“ kein Unbekannter mehr. Den drei Irtel-Miniaturen verlieh er mit warmem Timbre liedhafte Gesanglichkeit, am Klavier sensibel begleitet von Angela Seiwerth. Seiwerth, eine gebürtige Mühlbacherin, verdankt frühe musikalische Impulse Ernst Irtel. Aber auch als spätere Balinger Klavierlehrerin fand sie wieder zu Irtel in gemeinsamen Konzertauftritten auf Schloss Horneck.

Vertraut mit Irtels transparenter Musiksprache war sie eine versierte Begleitpartnerin auch für die nun folgende Sängerin Marlene Mild. Ein Glücksfall, dass diese auf den deutschen Opernbühnen mit Rollen wie der „Königin der Nacht“ brillierende Sängerin bei der Gedenkfeier mitwirken konnte. Als gebürtige Mediascherin war sie dem Schaffen Irtels zutiefst verbunden. Ihr Liedprogramm war eine Wiederholung ihres Auftrittes an gleicher Stelle von 1997, bei der diese bis dahin unveröffentlichten Lieder erstmalig erklangen, speziell bearbeitet für Marlene Mild, von der Irtel schwärmte: „Sie singt wie ein Engel!“. Das tat sie auch dieses Mal mit der einfühlsamen Interpretation der Lieder „O süßer Mai (Achim von Arnim), „Lied des Harfenmädchens“ und „Schließe mir die Augen“ (beide auf Texte von Theodor Storm), und zwei Liedern auf Texte von Lulu von Strauß und Tornay: „Und werden Tage“ und „Wenn die warmen Nächte kommen“. In „Der alte Brunnen“ (Hans Canossa) trat Georg Ongert hinzu und ergänzte das nächtliche Stimmungsbild mit warmer Cellogrundierung.

Prof. Dr. Walter Hutter hatte seinen Festvortrag „Übererbte Erfahrung – zum 20. Todestag von Ernst Irtel“ benannt. Hutter war ein langjähriger Freund und Vertrauter von Ernst Irtel und ist der Autor der Irtel-Biographie „Vom Geistigen in der Musik“. Auch er, der Professor für Didaktik der Mathematik und Physik an der Freien Hochschule Stuttgart, zählt zu den Verehrern des Mediascher Musikpädagogen. Er ging der Frage nach, worin das geistig-musikalische Erbe Irtels besteht („übererbte Erkenntnis“)? Er malte das Bild des von der Kraft der Musik beseelten Künstlers, für den nicht das leibliche Wohlergehen zählte, sondern die geistigen Erkenntnisse. „Der Geist muss über den Körper siegen“, so sein Lebensmotto. Auch der Humor, der bei Ernst Irtel immer wieder aufscheinen konnte, kam in zahlreichen schnurrigen Anekdoten zur Sprache. So etwa, wenn er tief gerührt war, in Brahmsens Komponier-Häuschen in Baden-Baden stehen zu dürfen und sich dann empört zeigte, dass im nahegelegenen Clara-Schumann Haus die „Wäsche schlampig aufgehängt“ war. „Die verstehen nichts von Musik“, so der zynische Kommentar des Ästheten Irtel. Von dem technikinteressierten Musiker war auch die Rede, beginnend mit dem ersten selbstgebauten Radiogerät des Vaters, das erste klassische Musikerlebnisse bescherte, bis hin zu dem modernen CD-Player, den ihm Anne-Sophie Mutter in Anerkennung seiner Leistungen schenkte .

Kaum thematisiert wurde Irtels großes Lebenswerk und die Beschäftigung mit der Biographie seines Mühlbacher Landsmannes, des „siebenbürgischen Wunderkindes“ Carl Filtsch. Der Pianist Rolf Binder spielte anfangs zwei Filtsch-Kompositionen („Romanze“ und „Barcarole“) ohne entsprechenden Ansagehinweis.

Der letzte Programmpunkt rundete das Irtel-Gedenken stimmungsvoll ab. Hans Seiwerth, der für die Gesamtkonzeption der Veranstaltung verantwortlich zeichnete, hatte mit dem Lied „Ech gon af de Bräck und kun nemi zeräck“, dargeboten von der Lidertrun in der Besetzung Hans Seiwerth, Michael Gewölb und Karl-Heinz Piringer, einen passenden Schlusspunkt gesetzt. Einmal schon war die Lidertrun mit diesem Lied in Gundelsheim aufgetreten, nämlich kurz vor Irtels Tod. Irtel hatte sich damals von der Darbietung tief beeindruckt gezeigt, gemahnte sie doch an das unvermeidliche Gehen ohne Wiederkehr.

Der Dank gilt auch den Veranstaltern für die drei gelungenen Kulturtage auf Schloss Horneck, den beiden Kooperationspartnern Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“ e. V. und Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V., letzteres gefördert durch Mittel des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

Heinz Acker

Schlagwörter: Schloss Horneck, Irtel, Musik, Gedenken, Hutter

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