3. Oktober 2023
Kurt H. Binder: BeWandtnis - Gewissenskonflikt eines Machwerks
Lyrischer Beitrag von Kurt H. Binder zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. Der siebenbürgische Humorist beging am 28. Juni seinen 90. Geburtstag (s. Dem Wort verhaftet: Der 90-jährige Humorist Kurt H. Binder in Selbstaussagen)
Kurt H. Binder
Es stand einst eine starrsinnige Wand,
die seit Jahrzehnten stur und unverwandt
das frisch erblühte, stolze, junge Hüben
gar wehrhaft trennte von dem Feind des Drüben.
Doch sieh, das Hüben, es begann zu darben,
und als infolgedessen Menschen starben,
ermordet von den Hütern dieser Übeln -
da kam die sture Wand alsbald ins Grübeln.
Denn statt all den verheißenen Genüssen,
erzitterte die Luft von Todesschüssen,
die Menschen, die an Glück in Freiheit glaubten,
feig hinterrücks ihr junges Leben raubten.
Und als sie sich als Trennsymbol erkannt,
in Selbstgefälligkeit total verrannt,
bemerkte sie, dass sie bis heut verstört
getrennt hat, was zusammen doch gehört.
Nun ward sie zwar des Trennens überdrüssig,
doch ohne Trennbestimmung überflüssig,
denn wollte sie als Wand so fortbestehn,
dann musste ja das Trennen weitergehn.
Lehnt sie jedoch das Trennen künftig ab,
bedeutet das für sie das Trümmergrab.
Und schwer bedrängt’ das innere Zerwürfnis
ihr dennoch starkes Existenzbedürfnis.
Doch als das Hüben immer mächt’ger grollte,
weil es partout zum andern Drüben wollte,
und Mauerspechte flink die Wand erklommen -
ward die Entscheidung ihr jetzt abgenommen.
Denn hämmernd schlug die Logik der Geschichte
die merkwürdige Illusion zunichte,
man könne hinter Stacheldraht und Mauern
ein Leben lang - in Freiheit überdauern!
So definiert sich jene Konstruktion
per se als zynisches Paradoxon.
BeWandtnis - Gewissenskonflikt eines Machwerks
Es stand einst eine starrsinnige Wand,
die seit Jahrzehnten stur und unverwandt
das frisch erblühte, stolze, junge Hüben
gar wehrhaft trennte von dem Feind des Drüben.
Doch sieh, das Hüben, es begann zu darben,
und als infolgedessen Menschen starben,
ermordet von den Hütern dieser Übeln -
da kam die sture Wand alsbald ins Grübeln.
Denn statt all den verheißenen Genüssen,
erzitterte die Luft von Todesschüssen,
die Menschen, die an Glück in Freiheit glaubten,
feig hinterrücks ihr junges Leben raubten.
Und als sie sich als Trennsymbol erkannt,
in Selbstgefälligkeit total verrannt,
bemerkte sie, dass sie bis heut verstört
getrennt hat, was zusammen doch gehört.
Nun ward sie zwar des Trennens überdrüssig,
doch ohne Trennbestimmung überflüssig,
denn wollte sie als Wand so fortbestehn,
dann musste ja das Trennen weitergehn.
Lehnt sie jedoch das Trennen künftig ab,
bedeutet das für sie das Trümmergrab.
Und schwer bedrängt’ das innere Zerwürfnis
ihr dennoch starkes Existenzbedürfnis.
Doch als das Hüben immer mächt’ger grollte,
weil es partout zum andern Drüben wollte,
und Mauerspechte flink die Wand erklommen -
ward die Entscheidung ihr jetzt abgenommen.
Denn hämmernd schlug die Logik der Geschichte
die merkwürdige Illusion zunichte,
man könne hinter Stacheldraht und Mauern
ein Leben lang - in Freiheit überdauern!
So definiert sich jene Konstruktion
per se als zynisches Paradoxon.
Schlagwörter: Deutrschland, Einheit, Mauerfall, Binder, Lyrik
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