8. Dezember 2023

Die Blaue Biennale in Kronstadt

Als 2019 das Künstlerehepaar Victoria Ţăroi Galbenu und Ioan Aron Ţăroi ihre Idee, eine Biennale in Kronstadt zu organisieren, wahr machten, konnten sie nicht voraussehen, dass diese schnell Fuß fassen würde. Es schien, dass Menschen mit künstlerischer Begabung schon lange in den Startlöchern standen, ihr Können der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die dritte Blaue Biennale (Bienala Albastră – Oxymoron) fand unter der Leitung von Victoria Ţăroi Galbenu und Ioan Aron Ţăroi mit einem Team von fünf amtlichen und sechs ehrenamtlichen Personen in der Stadt unter der Zinne statt, und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese sich in den großen Reigen internationaler Biennalen auf Augenhöhe einfügen kann.
Es gehört schon eine erhebliche Gesamtorganisation dazu, eine Beteiligung von 400 KünstlerInnen, von einer Jury auserwählt, die über 1000 Werke brachten, die in 24 vorhandenen oder neu erstellten Galerien in Kronstadt und Umgebung (u.a. in Zeiden, Marienburg, Fogarasch) ausgestellt wurden, in ein machbares Konzept zu vereinen und es bis ins Detail durchzusetzen. Nicht zu vergessen, dass dazu noch 15 Künstlerinnen und Künstler, mit einer Sondereinladung bedacht, dazu kamen, die der Biennale nochmal einen hochwertigen Charakter verliehen.

Unter den Eingeladenen befand sich auch Alexandra Vassilikian, wohnhaft in Schloss Guggenberg, Augsburg und in Paris, welche die Ehre hatte, das zweite Mal der Biennale beizuwohnen. Geboren 1946 in Bukarest als Tochter deutsch-armenischer Eltern, machte sie ihr Diplom an der Akademie der Künste in Bukarest und war ein Jahr lang Kunstlehrerin an der Hochschule für Bildende Künste in Kronstadt. Wir berichteten in dieser Zeitung über die Künstlerin im Zusammenhang mit Einzel- und Gruppenausstellungen in Augsburg, Ebersberg bei München sowie in außereuropäischen Ländern.
Eröffnung der Blauen Biennale im Weißen Turm in ...
Eröffnung der Blauen Biennale im Weißen Turm in Kronstadt, von links nach rechts: Pavel Susara, Victoria T,a˘roi, Thomas Fackler, Alexandra Vassilikian. Foto: Silviu Preda
Doch dieses Mal ist es ein besonderer Anlass, Vassilikian als Künstlerin zu erwähnen, die nicht nur als Ehrengast bei der Blauen Biennale dabei war, sondern auch als Kuratorin fungierte. Außerdem bot man ihr die Möglichkeit, eine Künstlerin oder einen Künstler ihrer Wahl nach Kronstadt mitzunehmen. Für beide übernahmen der Dachverband der Organisation (Asociaţia Artessentzia), die Gemeinde und einige Sponsoren die vollen Kosten der Reise, des Transports der Werke, die Übernachtung und Verpflegung. Vassilikian wählte aus den Mitgliedern der BBK Augsburg den Künstler Thomas Fackler, der nicht nur als Fotograf, sondern sich im Besonderen mit Installationen und außergewöhnlichen Objekten befasst. Kronstadt kannte er nur vom Hörensagen, umso gespannter war er auf das, was ihn erwartet. Seine aus recycelten Objekten bestehende Installation (Das Schweigen Fragend) ist ein „Memento mori“, das auch durch Klang mit dem Besucher interagiert und ihn mehr noch zum Meditieren einlädt. Als das Rahmenprogramm und die Galerien für die Ausstellenden feststanden, erfuhr die Künstlerin, dass ihr und ihrem Gast einer der begehrtesten Standorte der Biennale, nämlich der restaurierte historische „Weiße Turm“ – hoch über Kronstadts Altstadt – zugewiesen wurde. Welche Anerkennung! Bei der sehr gut besuchten Eröffnung ihrer Ausstellung, bei der die Crème de la Crème von KunstexpertInnen aus der Region Kronstadt, Bukarest bis Deutschland zugegen war, bemerkte der Kunstkritiker und Galerist Vladimir Bulat, dass die Künstlerin durch ihre „hypnotische Technik“ ihrer Zeichnungen und Malerei, nicht nur durch Thematik überzeugt. Vassilikians Arbeiten zeichnen sich durch gefühlvolle Aussage, durch ihren besonderen Strich und die Farbgebung aus, die für sich allein die Ängste und die Wut, ja, ihre Ohnmacht im Suchen einer Lösung zur Abwendung einer drohenden globalen Katastrophe.

Die lockere Art der Hängung der elf Papierbahnen, die einem scheinbar den Weg versperren, täuscht darüber hinweg, wie wichtig es der Künstlerin ist, Zeichen zu setzen. Die BesucherInnen sind gezwungen anzuhalten und Acht zu geben, nicht über die teilweise weit auf den Boden liegenden, von der Decke hängenden und in Falten gelegte Bahnen zu treten.

Wie wichtig der Künstlerin diese Werke sind, bezeugt, dass sie das kostbare Arches-Aquarell-Papier aus Frankreich – handgefertigt – verwendet, das als Meterware im Handel nicht mehr zu haben ist. Alles wirkt im ersten Moment als willkürlich, doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man Feinheiten im Ausdruck der Thematik und auch die drei kürzeren Bahnen nebeneinanderstehend, als „Engel des Zorns“ betitelt (die der Schau den Namen gaben), scheinen einen anzusprechen. Passend – und nicht voraussehbar – umrahmt das Ensemble eine Zyklopenwand: sie suggeriert eine beruhigende, ausgeglichene Atmosphäre.

Alexandra Vassilikians Werke spiegeln ihr Innerstes wider, ihre Furcht vor der Vergänglichkeit dieser unserer „einen“ Welt, auch weil der Einzelne zu wenig Verantwortung übernimmt; da schließt sie sich nicht aus. Doch dann entdeckt man durch helle Farbgebung an essenziellen Stellen auf den Papierbahnen Lichtblicke, die eindeutig für eine zu rettende Zukunft hindeuten. Ihr Können, ohne Worte – allein durch ihr Handwerk – der Natur ein Gesicht zu verleihen, ja, sie sogar zu personifizieren, hat sich die Künstlerin in jahrzehntelangem Studium und durch Einfühlen in ihr Umfeld angeeignet. Gezielt verwendet sie ausschließlich natürliche Materialien, arbeitet mit Asche und Aquarell, mit Pigmenten, mit Erde, Pflanzen und auch gar mit tierischem Blut. Der Mensch ist figurativ nie vorhanden, auch wenn man manchmal seine drohende Absenz spürt. Ein starkes Bild.

Keine Betrachterin, kein Betrachter bleibt vor dieser Installation unberührt. Und fast wie ein Omen tritt man beim Verlassen des ehrwürdigen Turmes ins Freie, steht inmitten von Bäumen, atmet unwillkürlich tief und erlebt den herrliche Ausblick auf eine heimelige Dachlandschaft, auf die ehrwürdige Schwarze Kirche, auf eine pulsierende Stadt, die vor über 800 Jahren von deutschen Siedlern gegründet wurde.

Antje Krauss-Berberich

Schlagwörter: Ausstellung, Biennale, Kunst, Kronstadt, Vassilikian

Bewerten:

12 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.