23. Oktober 2024

Ein Tierarzt erzählt

Hans Mauer, geboren 1955 in Birthälm/Großkopisch, studierte an der LMU München Veterinärmedizin und war in Niederbayern, Düsseldorf und Köln als Tierarzt tätig. Einige Erlebnisse mit Mensch und Tier aus seinem Berufsleben hat er im Buch „Mein Hund hat Burnout. Geschichten aus der Tierarztpraxis“ (Eulenspiegel Verlag, Berlin, 2021, 144 Seiten, 12 Euro, ISBN 978-3-359-03000-2) veröffentlicht, aus dem wir mit freundlicher Genehmigung des Verlags die folgende Geschichte abdrucken.

Bello bellt nicht mehr oder Mein Hund pfeift

Herr Doktor, mein Bello bellt nicht mehr.
– Das klingt nach Kehlkopfentzündung mit Beteiligung der Stimmbänder. Ich öffne jetzt Bellos Fang, dann muss er nur noch Aaaaah … sagen, und wir haben unsere Diagnose.
Bello sagte weder „Aaaaah“ noch „Beeeh“, er guckte stattdessen ganz ängstlich.
– Herr Doktor, wie soll ich es sagen, Bello piepst nur noch!
Ich tastete den Kehlkopf ab, keine Reaktion.
– Es piepst weiter unten!
– Sie meinen Magenknurren?
– Nicht Knurren – Piepsen!
Ich überlegte kurz, entweder piepste es beim Besitzer, oder wir hatten schon wieder Karneval in Kölle.
– Es piepst in seinem Bauch!
Ich legte das Stethoskop auf Bellos Bauch, um eventuelle Darmgeräusche zu hören. Der Hund wurde nervös und begann sofort stark zu hecheln. Durch das Stethoskop drang ein furchtbar lautes Geräusch an mein Ohr. Es schien wie eine Mischung aus Urknall und LKW-Reifenquietschen. In Windeseile riss ich mir die Hörhilfe vom Kopf, um keinen Hörsturz zu erleiden. Ebenso schnell riss Bello sich von der Leine und sprang wie ein Flummi Richtung Zimmerdecke. Tatsächlich, es piepste und quietschte in seinem Bauch! Mit Froschaugen und ebensolchen Sprüngen hüpfte der Hund durch die Praxis. Wir hüpften wie Sirtakitänzer hinterher, um das arme Tier zu beruhigen.
Erst als es mir gelang, Bellos Fang zuzuhalten, war der Spuk vorbei. ­Diagnostisch gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder war dieser Hund ein Bauchredner, oder er hatte ein Quietschtier verschluckt. Ich verabreichte ihm eine Beruhigungsspritze, anschließend ging es zum Röntgen. Auf dem Bild war kein Fremdkörper zu sehen. Logisch, denn Gummi ist auf einem Röntgenbild nicht sichtbar. Wir mussten den Patienten operieren.
Noch nie war es mir so leicht gefallen, einen Fremdkörper zu orten. Bei jeder Atembewegung änderten sich die Druckverhältnisse im Körper und brachten das Quietschtier zum Quietschen. Narkosebedingt wurde Bellos Atmung schwächer, zugleich hörte sich auch das Tierchen in seinem Bauch schläfrig an. Als wir den Magen geöffnet hatten, schwamm uns eine quietschgelbe Quietschente quietschmunter entgegen. Als wir den Bauch zunähten, konnten wir uns vor Lachen kaum halten. Ich hoffe, man sieht es dem Nahtverlauf nicht an.

Schlagwörter: Erzählung, Tiermediziner, Humor

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