27. Januar 2025

Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944-1945: eine rumänische Stimme

Inzwischen wird das Thema Evakuierung aus Nordsiebenbürgen auch von rumänischen Historikern nicht außer Acht gelassen. Viorel Rus aus Bistritz veröffentlichte unter dem Titel „Tragicul destin al saşilor din judeţul Bistriţa-Năsăud la sfârşitul celui de-al doilea război mondial şi în anii comunismului/ Das tragische Schicksal der Sachsen aus dem Kreis Bistritz-Nassod am Ende des Zweiten Weltkrieges und während der kommunistischen Zeit“ eine breit dokumentierte Arbeit, die neben der Evakuierung vom Herbst 1944 auch die Deportation der wenigen in Nordsiebenbürgen verbliebenen Sachsen im Januar 1945 präsentiert. Dabei scheut sich Viorel Rus als Rumäne nicht, Klartext zu schreiben.
Treck der Wallendorfer Foto: Römischer – ...
Treck der Wallendorfer Foto: Römischer – Siebenbürgen-Institut Gundelsheim
„Freunde, während der nächsten vier Stunden müssen wir entscheiden!“ Mit diesen Worten – heißt es – habe General Artur Phleps bei seinem Treffen mit den Amtswaltern der Siebenbürger Sachsen aus dem Nösnergau in Bistritz am 5. September 1944 seine Ausführungen begonnen. Er fügte hinzu: „Die Frontlage zwingt mich dazu, den Befehl zur Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus Nordsiebenbürgen zu geben. … Zu diesem Zweck habe ich einen Weg zur Evakuierung freigemacht. Auf diesem Weg müsst ihr schreiten. Es gibt keinen anderen Ausweg, der euch in Sicherheit bringt. Meinen Schutz biete ich euch bis zum letzten Augenblick an.“ Diese Zusammenkunft hat eigentlich den tragischen und demütigenden Exodus der Sachsen in unserem Landkreis ins Große Reich ausgelöst in der Hoffnung auf ihre Sicherheit, die ihnen in höchstem Grade bedroht schien.

Es war eine Tragödie, wie sie unserer Gegend wohl noch nie zuvor begegnet war. Mehr als 30.000 ihrer Einwohner, die zivilisiertesten, die fleißigsten und erfolgreichsten, die hier seit mehr als 800 Jahren siedelten, verließen ihre Heimat, das von ihren Vorfahren schwer Erarbeitete und zogen in die weite Welt. Die Demütigung kam noch hinzu, so als ob der Becher des Schmerzes noch nicht voll genug war. Das stolze und selbstbewusste sächsische Volk musste sich auf den Weg begeben in Koberwägen wie Wanderzigeuner, mit fast nichts, oder sie mussten in Güterwaggons steigen und unter armseligen Bedingungen einer unfassbaren Not losfahren.

Zeitgenossen erklären die Abreise der Sachsen durch eine Psychose der Todesangst vor einer Massenmassakrierung durch die wilden sowjetischen Truppen, verursacht und verstärkt von Soldaten, die von der Front zurückgekehrt waren, aber auch von den lokalen NS-Führern, die sich für die Ausschreitungen, die während ihrer Herrschaft begangen wurden, fürchten mussten und als erste flüchteten.

Dazu kam noch die Mentalität der Solidarität, die bei kleinen Minderheiten stark ist. Diejenigen Sachsen, die sich entschieden hatten zu bleiben, wurden als Feinde und Verräter ihrer Gemeinschaft angesehen, ähnlich wie diejenigen, die es vorher abgelehnt hatten, sich oder ihre Kinder als Freiwillige zur Waffen-SS zu melden.

Quelle: WIR NÖSNER 1944-2014 Die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 und ihre Folgen, Wiehl-Drabenderhöhe 2014, S. 271ff

Textauswahl: Horst Göbbel

Schlagwörter: Flucht und Evakuierung, Nordsiebenbürgen

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