16. August 2025
Rückkehr ins Ungewisse: Vor 80 Jahren Evakuierung aus Nordsiebenbürgen 1944-1945
Die bei Kriegsende in den sowjetischen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs sowie in der Tschechoslowakei befindlichen Siebenbürger Sachsen wurden im Juni/Juli 1945 auf Befehl der sowjetischen Besatzung nach Siebenbürgen rückgeführt (ca. 6000). Da ihr Besitz samt Häusern enteignet worden war, mussten die meisten außerhalb ihrer Heimatgemeinden Unterkunft suchen. Die arbeitsfähigen Männer und Frauen wurden interniert und zu Zwangsarbeit an verschiedenen Stellen eingesetzt. Repressalien, Verfolgungen und Demütigungen kamen hinzu. Die Anerkennung der rumänischen Staatsbürgerschaft wurde zunächst verweigert. Die einzige Institution, die den Rückgeführten beistand, war die evangelische Kirche. Mittlerweile haben fast alle Sachsen Nordsiebenbürgens im Zuge der Familienzusammenführung und Aussiedlung dieses einst deutsche Gebiet verlassen und leben vorwiegend in Deutschland, zum Teil in Österreich, in Kanada und den USA.

„Nach der Kapitulation des Zweiten Weltkrieges befanden wir uns noch in Österreich. Alle Bürger von Jaad waren im Kreis Perg auf mehrere Ortschaften verteilt. Man beriet damals, was besser wäre, weiter nach dem Westen zu ziehen oder zurück in die Heimat; denn wir mussten Österreich verlassen. Es wurde uns von der dortigen Besatzungsmacht (Russen) versprochen, dass wir unser Eigentum in Siebenbürgen zurückerhielten, wenn wir wieder heimführen. So blieb uns keine andere Wahl, als in die Heimat zurückzufahren, da sich die Mehrheit dazu entschlossen hatte. Wir fuhren am 22. Juni 1945 in Österreich (St. Georgen am Walde) ab, wiederum mit Pferdefuhrwerken. Bei großer Hitze und Lebensmittelmangel ging es donauabwärts durch Österreich und Ungarn, wo wir mehrmals kontrolliert und geplündert wurden. Am 2. August 1945 kamen wir in unserer Heimat an. Welche Enttäuschung! Wir erhielten gar nichts zurück, sondern mussten sogar die von der Reise abgemagerten Pferde samt Wagen abliefern. Die ersten vier Wochen verbrachten wir in einem Lager. Danach durften wir nur mit Genehmigung unsere Häuser betreten, die von Rumänen bewohnt waren. Ein schweres, aussichtsloses Schicksal hatte uns Deutsche getroffen! Wir wurden einquartiert und mussten in unseren eigenen Häusern Miete bezahlen. Da wir jedoch kein Geld hatten, mussten wir die Miete durch Arbeit abzahlen. Dazu kam noch im Herbst 1945 die Zwangsarbeit. Die Männer von 17-45 und die Frauen von 18-35 Jahren mussten am Wiederaufbau mithelfen. Viele wurden nach Klausenburg gebracht. Dort beschäftigte man sie am Flugplatz oder an den Bahngleisen, die durch den Krieg besonders getroffen worden waren. Diese Menschen erhielten kein Geld für ihre Arbeit. Sie erhielten täglich zweimal kalorienarmes Essen. Ihre Angehörigen mussten sie noch mit Lebensmitteln unterstützen.
1946 und ’47 waren die schwersten Jahre, denn die Deutschen waren kaum noch in der Lage, sich über Wasser zu halten. Zur Verfolgung und Verachtung kam dann noch die Missernte von 1946 hinzu, so dass man ganz der Verzweiflung ausgesetzt war. Doch auch diesmal wussten die Deutschen, ihr Schicksal zu meistern und sich in dieser knappen Zeit, deren Höhepunkt im Mai und Juni 1947 bald zur Hungersnot geführt hätte, durchzusetzen.
1948 erhielten die Deutschen wieder gleiche Rechte wie die übrige Bevölkerung, und die Verfolgungen hörten so ziemlich auf. Man erhielt zwar sein Eigentum nicht mehr zurück, doch als Arbeiter war man den anderen gleichgestellt. Nun zogen viele Deutsche in rumänische Städte, um dort Arbeit zu finden. Ein Teil befand sich in Deutschland und Österreich, hauptsächlich Männer, die bei der deutschen Wehrmacht waren und deshalb nicht mehr nach Rumänien zurückkonnten. Mein Vater war nach dem Kriege in amerikanischer Gefangenschaft und durfte nicht mehr in unsere Heimat zurück. Daher schickte er uns 1951 die Einreisebewilligung nach Deutschland. Es gelang uns, mit viel Mühe und mehr Glück, die Ausreisebewilligung zu erhalten, und wir kamen am 5. Oktober 1951 in Birstein an. Seitdem befindet sich unsere Familie hier in Obersotzbach. Die noch in Siebenbürgen befindlichen Deutschen haben sich trotz der schweren Verhältnisse wieder hochgearbeitet. Viele nehmen heute sogar führende Stellen in der Staatswirtschaft ein. So setzt sich deutsche Tüchtigkeit und Redlichkeit auch unter schwierigsten Verhältnissen durch und wird zum Segen für jedes Land. …“ (die umfassend bebilderte Arbeit wurde am 20. März 1956 mit „sehr gut“ bewertet, gez. Teschke)
Quelle: WIR NÖSNER 1944-2014 Die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 und ihre Folgen, Wiehl-Drabenderhöhe 2014, S. 173f
Textauswahl: Horst Göbbel
Schlagwörter: Geschichte, Flucht und Evakuierung, Nordsiebenbürgen
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