28. September 2025
Ein Fazit aus Robert Gassners Erlebnisbericht 1945
Robert Gassner gelangt Ende April 1945 zu seiner Familie nach Hinterstoder in Oberösterreich, erleidet einen Blinddarmdurchbruch, wird operiert und schreibt während des monatelangen Krankenstandes zeitnah im Sommer 1945 – vom 6. Juli bis September – einen 98-seitigen Erlebnisbericht, da seine Tagebuchaufzeichnungen gegen Kriegsende in Wien verschollen waren. Darin blickt er auf sein bisheriges Leben und besonders auf seine Tätigkeit als Gebietsführer für Nordsiebenbürgen und die Evakuierung zurück und versucht das gesamte Geschehen auch politisch und historisch einzuordnen.

Vorläufig, vielleicht aber auch für immer hat damit mein Dienst am Volk seinen Abschluss gefunden. Ich habe immer nur das Beste gewollt. Habe niemals eigene Interessen verfolgt, glaubte an den gerechten Weg des Nationalsozialismus und den Führer. Nach all dem, was ich von dem Treiben der Russen gehört habe, bin ich, trotzdem wir den Krieg verloren haben, der Überzeugung, dass wir den einzig richtigen Weg (mit der Evakuierung) gegangen sind. Was wäre uns als den ersten Deutschen diesseits der Karpaten geschehen? Wie viele Frauen wären noch gesund da? Wie viele unserer Gefolgschaft am Leben? Ob wir unsere Heimat je wieder sehen. Sie ist für uns alle unersetzbar! Besonders traurig ist, dass nun die 800-Jahreswende unserer Sachsengeschichte, unser Volk, Nord- und Südsiebenbürgen getrennt, völlig unverschuldet, ein so tragisches Schicksal erleidet. … Inzwischen sind Wochen dahingegangen. Der Krieg an allen Fronten ist beendet, die Zeit des Friedens ist gekommen. Leider ist jedoch wenig von einem wirklichen Aufbruchsfrieden zu merken. … Es wird noch immer dauernd Hass gesät. Die Kirche schweigt … Wie gerne möchte ich auf einer Kanzel Gottes Wort verkündigen, ich bin jedoch wegen meiner politischen Einstellung und aufbauenden Tätigkeit ein Verbrecher. So weit sind wir im 20. Jahrhundert. Wir können für unser Volk und uns selbst, für die ganze Menschheit nur beten: „Dein Reich komme! Dein Willen geschehe!“ (S. 96-98)
Es sei hier auch angeführt, dass es ein Verdienst von Robert Gassner war, dass die Evakuierung 1944 weitgehend reibungslos funktioniert hat und er sich tatsächlich nach dem Krieg im Dienst der sächsischen Gemeinschaft in demokratischer Art Meriten erworben hat und zum eigentlichen Begründer („Vater“) der Siedlung Drabenderhöhe wurde. Zugleich hat er als NS-Funktionär, als Gebietsführer bis zur Evakuierung auch schwere Schuld auf sich geladen und vermieden, dies öffentlich deutlich zuzugeben. In einem Brief hat Robert Gassner sich zu seiner Verstrickung in den Nationalsozialismus folgendermaßen geäußert: „Lassen Sie mich zu Beginn festhalten, dass ich persönlich Schuld auf mich geladen habe, die ich nicht leugne, unter der ich leide und die allein Gott mit mir abrechnen wird.“ (Oliver Klöck, Norbert Wallet: „Vergessene Fährten – Der große Treck der Siebenbürger Sachsen, Gummersbach 1993“, S. 101)
Quelle: Manuskript von 1945, Horst Göbbel zur Verfügung gestellt 2014 von Sohn Günther Gassner
Textauswahl: Horst Göbbel
Schlagwörter: Geschichte, Flucht und Vertreibung, Gassner, Weltkrieg, Nordsiebenbürgen
6 Bewertungen:
Noch keine Kommmentare zum Artikel.
Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.