25. Februar 2025

Wertvolle Mediascher Dokumentation: „Ehrenbuch der Kriegsteilnehmer von 1914-1918 der evang. Kirchengemeinde A.B. in Mediasch“ neu aufgelegt

In zwei Fotoalben und zwei Textbänden hat der Lehrer Michael Braisch (1866-1940) für die evangelische Gemeinde von Mediasch bereits 1916 begonnen, alle Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs aus seiner Stadt zu erfassen, mit allen ihm verfügbaren biografischen Informationen, ergänzt durch fotografische Porträts. So entstand eine umfassende Dokumentation, die auch einen sozialen Querschnitt der männlichen Stadtgesellschaft jener Jahre abbildet.
Cover des 1. Bandes des Ehrenbuches ...
Cover des 1. Bandes des Ehrenbuches
Die zeithistorischen Zäsuren seit 1918 haben dazu geführt, dass dieses „Ehrenbuch“ lange weitgehend unbeachtet geblieben ist. Hansotto Drotloff und mit ihm ein ganzer Kreis von Mediaschern haben sich der verdienstvollen Aufgabe angenommen, die handschriftlichen Texte zu transkribieren, in einer zweibändigen Ausgabe zu edieren und auf diese Weise einer breiten Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Die biografischen Einträge enthalten neben dem Bildmaterial zahlreiche Ego-Zeugnisse – Tagebucheintragungen, Erinnerungen und Feldpostbriefe, die ganz unterschiedliche Perspektiven auf den Krieg und seine Auswirkungen aufscheinen lassen.

Für die Mediascher hat das Werk eine Doppelfunktion: einerseits der ursprüngliche Zweck des Gedenkens an Menschen, die aus dieser Gemeinschaft gerissen wurden, andererseits eine kollektive genealogische Quelle. Doch ist das „Ehrenbuch“ weit über die Heimatgemeinschaft hinaus von hohem Wert: Für Militärhistoriker mag von Interesse sein, in welchen Einheiten und an welchen Frontabschnitten die Mediascher im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden – hier ergibt sich ein geografisch breites Spektrum von Norditalien bis ins Russländische Reich. In sozialgeschichtlicher Hinsicht verdeutlicht die Lektüre des „Ehrenbuchs“, welchen Aderlass der Krieg quer durch alle Gesellschaftsschichten innerhalb einer quantitativ überschaubaren Gemeinschaft bedeutete. Doch auch für die allgemeine Siebenbürgen-Forschung ergeben sich neue Erkenntnisse, wie an einem Beispiel gezeigt werden kann: Einer der Kriegsteilnehmer aus Mediasch war Otto Folberth (1896-1991), der sich als Abiturient freiwillig zum Militärdienst meldete und als Oberleutnant im Feldartillerie-Regiment Nr. 116 diente, das gegen das russische Heer kämpfte (Bd. 1, S. 183-187). Er wurde in der Zwischenkriegszeit zu einem der führenden Stephan-Ludwig-Roth-Forscher und nahm ab 1941 als Kriegsberichterstatter am Zweiten Weltkrieg teil. Seine jugendlichen Kriegseindrücke zeigen frühe Prägungen und Stereotypen und ergänzen so die bisherigen Kenntnisse von Folberths Biografie.
Der Eintrag für Michael Gottlieb Braisch (1897 ...
Der Eintrag für Michael Gottlieb Braisch (1897-1916). Die Trauer um den erst 19-jährigen Sohn dürfte der Antrieb für seinen Vater gewesen sein, das „Ehrenbuch“ in mehrjähriger Arbeit zu vollenden.
Eine fundierte Einleitung stellt die Genese des „Ehrenbuchs“ und seinen Urheber Michael Braisch vor. Zahlreiche Anmerkungen erläutern in den Texten enthaltene Details (etwa heute nicht mehr gebräuchliche Begriffe), korrigieren aber auch manche fehlerhaften Angaben. Diese editorische Sorgfalt verdient Anerkennung, wie überhaupt dem Ergebnis dieser Mühe eine breite Rezeption zu wünschen ist.

Tobias Weger

„Ehrenbuch der Kriegsteilnehmer von 1914-1918 der evang. Kirchengemeinde A.B. in Mediasch“. Hg. von der Heimatgemeinschaft Mediasch e.V., Tutzing, 2024 (2 Bände, insg. 752 Seiten), ISBN 978-3-00-079612-8. Zu beziehen beim Herausgeber, E-Mail: buecher[ät]mediasch.de, zum Preis von 64,50 Euro zzgl. Versand. Weitere Infos unter „Publikationen – Bücher der HG“ auf www.mediasch.de.

Schlagwörter: Mediasch, Erster Weltkrieg, Dokumentation

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