23. April 2025

Bianca Zylla drehte Dokumentation über ihre Familienherkunft

Was bedeutet Heimat? Dieses Thema ist aktueller denn je und bewegt viele Menschen. Auch Bianca Zylla. Sie hat sich auf die Spuren ihrer Herkunft gemacht – und setzte diese bewegende Frage in bewegte Bilder um. „Daheim.“ – so heißt der 33-minütige Dokumentarfilm, den die Mainzerin mit siebenbürgischen Wurzeln an mehreren Orten in Siebenbürgen und Deutschland gedreht hat. Zusammen mit ihrer Mutter, dem Kameramann Leon Forthmann und Tontechniker Birk Menzel besuchte sie mehrere Orte in Siebenbürgen, an denen ihre Mutter die ersten 21 Jahre ihres Lebens verbracht hat.
Sie sprach mit ehemaligen Weggefährten, Freunden und Familienmitgliedern sowie mit ihrer Mutter. Inzwischen ist der Film für Filmfestivals in Los Angeles/USA und England nominiert worden. Die Weltpremiere von „Daheim.“ findet am 1. Mai auf dem South East European Film Festival (SEEfest) in Los Angeles statt. In Deutschland ist der Film zum ersten Mal am Samstag, 3. Mai, im Lichtspielhaus Ginsheim zu sehen. Das folgende Interview mit der Filmemacherin führte Gero Steinmetz.

Die Crew beim Anschauen des gedrehten Materials, ...
Die Crew beim Anschauen des gedrehten Materials, von links: Birk Menzel, Bianca Zylla, Leon Forthmann und ein interessierter Passant.
Frau Zylla, wie entstand die Idee zu diesem Film?

Der erste Anstoß kam durch ein Projekt zum dokumentarischen Arbeiten an der Uni Mainz mit dem Thema „Heimat“. Dabei wuchs mein Interesse, die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits kennenzulernen. Ich wollte wissen, wo sie genau herkommt und wie sie aufgewachsen ist. Persönlich habe ich mich dann mit der Frage beschäftigt, was es heißt, daheim zu sein, vor allem wenn man ¬– wie meine Mutter ¬– die eigentliche Heimat verlassen hat und viele Jahre seines Lebens an anderen Orten verbringt. Was ist Heimat und wo ist Heimat? Ist Heimat nur dort, wo man geboren ist oder gibt es auch eine „zweite“ Heimat? Welchen Einfluss und Stellenwert haben die Kultur, Familie und die Traditionen auf den Heimatbegriff und das Heimatverständnis – das hat mich brennend interessiert.

Bianca Zylla ...
Bianca Zylla
Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

Ich habe zunächst über Vorrecherchen in Archiven viele historische Fakten über Siebenbürgen und Rumänien zusammengetragen. Anschließend haben wir einen Drehplan erarbeitet und überlegt, an welchen Orten wir filmen wollen. Dazu galt es herauszufinden, welche Stationen und Örtlichkeiten im Leben meiner Mutter wichtig waren. Einige Szenen sind bereits in Deutschland entstanden. Dort haben wir auch mit meiner Mutter ein Interview geführt. Ja, und dann sind wir tatsächlich am 8. August 2024 für einen mehrtägigen Dreh nach Siebenbürgen aufgebrochen.

Welche Orte haben Sie besucht, und wie gestaltete sich die Arbeit vor Ort?

Der Anlass war eine Kirchweihe, zu der Siebenbürger-Sachsen aus der ganzen Welt nach Wolkendorf angereist sind – dort, wo meine Mutter lange gelebt hatte. Des Weiteren haben wir die Orte besucht, die im Leben meiner Mutter wichtig waren: Das Haus in Kronstadt, die alte Schule, die Burg und das Elternhaus sowie einige spezielle Örtlichkeiten, auf die wir beim Drehen gestoßen sind. Spontan durften wir auch noch das Zeitungsarchiv in Kronstadt besuchen, haben immer wieder zufällig Menschen aus dem Verwandtschafts- und Bekanntenkreis getroffen. So ist unser Drehplan des Öfteren durcheinandergeworfen worden. Dadurch sind immer wieder neue spannende Szenen und Interviews entstanden, die in den Film eingeflossen sind. Sie haben die Storyline belebt und ihn aus meiner Sicht besonders authentisch gemacht. Wir sind mit einer großen Herzlichkeit und Freundlichkeit aufgenommen worden. Alle waren bereit, uns zu unterstützen und fanden dieses Projekt klasse.
Bei der Recherche stieß das Team auf so manch ...
Bei der Recherche stieß das Team auf so manch überraschende Drehorte wie hier auf das „dicke Rohr“
Was waren die größten Herausforderungen?

Nun, ich war lediglich ein Mal als Kind in Siebenbürgen und kannte die Gegebenheiten vor Ort nicht bzw. nur aus Erzählungen. Zudem hatte ich für den Film natürlich viele Rollen zu erfüllen: Als Produzentin, Regisseurin und Cutterin. Das gesamte Material anschließend zu sichten und den Film zu schneiden hat noch einmal viel Zeit in Anspruch genommen. Und zudem bin ich ja auch als Familienmitglied ein Teil dieser Geschichte. Das alles professionell und auch emotional unter einen Hut zu bekommen, war schon nicht einfach.

Wie haben Sie diesen Film finanziert?

Der Film ist von der Film- und Mediennachwuchsförderung Rheinland-Pfalz gefördert worden. Zudem haben das Sozialwerk des Verbands der Siebenbürger Sachsen, die Heimatgemeinschaft Wolkendorf und ein ehemaliger Arbeitgeber der Videoproduktionsfirma In The Mirror Films finanzielle Mittel beigesteuert. Auch Freunde und Verwandte haben mit Privatspenden mit dazu beigetragen, den Film zu finanzieren. Ohne dieses Engagement hätten wir das Projekt nicht umsetzen können.

Trotz Ihres persönlichen großen Engagements – dieser Film ist nicht nur eine Einzelleistung ...

Auf keinen Fall. Ohne die Hilfe und Unterstützung meiner Familie und Freunde, ohne das Produktionsteam, ohne die Bereitschaft vieler Menschen, für Aufnahmen und Interviews zur Verfügung zu stehen, wäre dies nicht möglich gewesen. Und hätte auch nur halb so viel Spaß gemacht. Auch dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist Heimat – unabhängig davon, wo man lebt. Dafür danke ich allen ganz herzlich.

Das Poster zum Film ...
Das Poster zum Film
Was nehmen Sie für sich selber an Erkenntnis mit?

Zunächst einmal habe ich ganz viel für mich über die Geschichte Rumäniens und Siebenbürgens sowie die Kultur, Traditionen und Lebensweisen gelernt. Es war faszinierend zu erfahren und hautnah mitzubekommen, wie die Menschen gelebt haben und heute noch leben, was Heimat für sie bedeutet und wie das Ganze auch mit meinem Leben zusammenhängt. Ich habe viele Dinge erfahren, die vollkommen neu für mich waren und unterschiedliche Gefühle ausgelöst haben. Meine Mutter war ja die ganze Zeit mit dabei. Ich habe diese Tage gewissermaßen durch die Augen meiner Mutter gesehen. Und natürlich: Die Frage nach der Heimat und deren Stellenwert hat für mich eine ganz neue Dimension bekommen.

Vielen Dank für das Interview.

Infoblock Bianca Zylla

Bianca Zylla wurde 1999 in Mainz als Tochter einer siebenbürgischen Mutter und eines deutschen Vaters geboren. Die Mutter Bärbel Frantz, heute Zylla, wanderte mit 21 Jahren nach Deutschland aus. Aus Interesse an Menschen, verschiedenen Kulturen und Reisen nahm Bianca Zylla 2018 ein Studium der Ethnologie mit dem Nebenfach „Audiovisuelles Publizieren“ an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz auf. In diesem Rahmen entstanden bereits einige Kurzfilme, Dokumentationen und Videos zu unterschiedlichen Themen. Im Jahr 2022 absolvierte sie ein Praktikum im ZDF-Studio in Nairobi/Kenia und beteiligte sich an der Produktion mehrerer Beiträge für das ZDF-Mittagsmagazin und 3sat.

Textautor Gero Steinmetz

Gero Steinmetz (geb. 1969) ist seit 35 Jahren als freier Journalist tätig. Mehrere Jahre arbeitete er für die Tageszeitung Rheinische Post in seiner Geburtsstadt Leverkusen, in der er auch heute noch lebt und im Bereich Unternehmenskommunikation tätig ist. Seit dem Jahr 2000 ist er mit einer Siebenbürgin verheiratet.

Schlagwörter: Film, Dokumentation, Familie, Zylla, Interview

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Neueste Kommentare

  • 24.04.2025, 07:46 Uhr von Robert: Der 33-minütige Dokumentarfilm ist hauptsächlich in Kronstadt und Umgebung gedreht worden. ... [weiter]

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