18. Mai 2006

Im Schatten der Kirchenburgen

Die Rückgabe des Brukenthalmuseums an die Evangelische Kirche (diese Zeitung berichtete) soll Anlass geben, den Blick auf ein umfassendes Phänomen zu lenken. Während am Brukenthalmuseum die Weichen zu einer besseren Zukunft gestellt werden, sind im Schatten vieler sächsischer Kirchen und Kirchenburgen kleine Museen mit dem Ziel entstanden, hinterlassenes Kulturerbe vor vollständigem Verlust zu retten. Um zu überdauern, benötigen die antiken Gegenstände besondere Pflege und ein Publikum, das sich für sie interessiert. Eine fachgerechte Unterstützung der Kuratoren bei der Bewahrung und Vermittlung würde die langfristige Erhaltung der Gegenstände sicherstellen und aus der Not eine Tugend machen.
Angesichts der schieren finanziellen und praktischen Herausforderungen muss heute unbedingt gewürdigt werden, dass von unserer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe ernstzunehmende Bemühungen ausgehen, gewissermaßen aus der Ferne eine ganze Kulturlandschaft zu retten. Die weitverbreitete Fehlvorstellung einer Perspektivlosigkeit des deutschsprachigen Lebens in Siebenbürgen stellt solche Initiativen zusätzlich täglich in Frage. Ein übergreifendes Konzept zur Erhaltung der bedeutendsten Denkmalgruppe, der Kirchenburgen, wie es z.B. Hermann Fabini schon vor Jahren (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien vom 23. März 1995 und 5. Mai 2000) gefordert hat, hat sich offenbar noch nicht durchgesetzt. Die Erhaltungsmaßnahmen an den Kirchenburgen bleiben notgedrungen verdienstvolle Einzelinitiativen. Neben jenen gibt es aber eine zweite Gruppe von Denkmälern, die mit der jüngsten Entwicklung am Brukenthalmuseum wieder in den Blickpunkt rücken sollte.

Sächsisches Museum in der Evangelischen Kirche zu Mediasch. Foto: Frank-Thomas Ziegler
Sächsisches Museum in der Evangelischen Kirche zu Mediasch. Foto: Frank-Thomas Ziegler

Nach einer diplomatischen Glanzleistung ist der Evangelischen Kirche sowohl das Besitzrecht am Brukenthalpalais und den bis zur Verstaatlichung 1948 inventarisierten Museumsgütern, als auch eine Mitverwaltung des Museumskomplexes zugesprochen worden (diese Zeitung berichtete am 20. Januar 2006, Seite 1; ein Rundtischgespräch zum Thema war am 17. März auf TVR International zu sehen). Das Eigentum der Kirche wird zu einem symbolischen Mietpreis in die hoffentlich zukünftig verantwortungsvolleren Hände der staatlichen Museumsinstitution und seines Personalkörpers gelegt und bleibt weiterhin als Ausstellung zugänglich. Die Evangelische Kirche wird finanziell nicht impliziert. Ganz abgeschlossen sind die diplomatischen Gespräche nicht, denn die heikle Ausformulierung des Mitgestaltungsrechts bleibt noch vorzunehmen. Es besteht aber bereits berechtigte Hoffnung, dass jene Sammlung, die Samuel von Brukenthal per Testament "zum immerwährenden Eigenthum des Hermannstädter Evangelischen Gymnasiums ausdrücklich gewidmet, legieret und unwiderruflich geschenkt" hat, endlich einen angemessenen Rahmen erhält. Ein positiver Wandel ist bereits eingetreten: Ende März ist der neuen Verwaltergemeinschaft mit der Berufung des Generaldirektors Prof. Dr. Sabin Luca eine erste wichtige gemeinsame Entscheidung gelungen. Der neue Generaldirektor hat bereits mit dem Umbau des Eingangsbereiches begonnen: Wenn alles gut geht, werden ein Museumscafé und ein behindertengerechter Aufzug den Besucherservice deutlich verbessern, im zweiten Innenhof wird ein Barockgarten angelegt, und die Enfilade der Ausstellungsräume wird durch Verlegung des Direktorenbüros ins Erdgeschoss wieder als Rundgang geöffnet. Darüber hinaus werden Engagement und Eignung des Führungspersonals evaluiert, und das traditionsreiche Fachperiodikum des Museums soll nach Jahren des Ruhens wieder aufleben. Währenddessen gehen die Inventarisierungskommissionen durch das Haus, um die rückzuerstattenden Güter auf Vollständigkeit zu überprüfen. Die nächsten Schritte sollen ebenfalls Entscheidendes bringen: Zum einen bereitet sich das Museum auf die für dieses Jahr vorgesehene Rückkehr der 19 Kronjuwelen der Gemäldesammlung aus ihrem unfreiwilligen Bukarester Exil vor. Damit geht sicher für manchen Hermannstädter ein Traum in Erfüllung. Zum anderen darf man auf das neue museologische Konzept der Kunstgalerie gespannt sein, das die Sammlungsbestände didaktisch aufbereiten wird. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Programm des Museums nationenübergreifend sein muss. Tatsächlich wäre wünschenswert, dass die intellektuelle Größendimension und übernationale Weitenwirkung der Sammlungen in ihrem kulturstiftenden Potential für die Region endlich erkannt werden. Das wäre der Intention des aufgeklärten Stifters angemessen. Die wenigen sonstigen Äußerungen von kirchlicher Seite konzentrieren sich diplomatischerweise auf Zukunftshoffnungen. Aber im Rückblick muss doch auch die Stirne gerunzelt werden: über die merkwürdige Unsichtbarkeit und lieblose Zurechtretuschiererei ewiger Baumaßnahmen, über die selbstverachtende Beschneidung der Forschungsarbeit und das Ausblenden jeglichen Geschichtsbildes. Es fehlten z.B. erläuternde Begleittexte und Provenienzvermerke, wie sie in allen Museen üblich sind. Als Folge fanden sich selbst Samuel von Brukenthal und die deutsche Kulturgemeinschaft samt ihres Gründungsverdienstes ins Halbdunkel der Geschichte entlassen.

Man kann deshalb davon reden, dass mit der Erwirkung des Besitzrechts die Pflege dieses gemeinsamen Erbschatzes überhaupt erst vor der Aufnahme steht. Solchen weitsichtigen Initiativen sei bei allen Landsleuten ein breiter Rückhalt, und, falls gefordert, Unterstützung von genuin fachlicher Seite gewünscht. Es wäre schön, an der Einbindung der Fachwelt ablesen zu können, dass die Nachwuchsförderung der Siebenbürger Sachsen Früchte trägt.

Daran schließt sich ein akutes Phänomen an: Im Schatten der Kirchen und Kirchenburgen ist inzwischen eine gesamte sächsische Museenlandschaft entstanden. Angeführt von dem vor der Gründung stehenden Landeskirchlichen Museum in Hermannstadt, gibt es sie in Mediasch, Schäßburg, Tartlau, Deutschweißkirch, Bartholomae, Wurmloch, Eibesdorf, Meschen - und sicher in vielen anderen Ortschaften mehr. Sie beherbergen von Bauernstuben bis zu gotischen Gestühlen, Kerzenständern, Taufbecken, Kanzeln, Tafelbildern teils interessante, teils wertvolle, aber immer ehemals verehrte und geliebte Gegenstände des sächsischen Lebens. Besitzer sind offenbar zumeist die Kirchengemeinden. Die größten Probleme dieser Museen sind die Überalterung der Betreuer und das fehlende Wissen um die Notwendigkeit fachlicher Hilfe, wenn z.B. das Gestühl unter Wurmbefall leidet. In Ermangelung einer geeigneten zentralen Stelle für Denkmalpflege, an die sich die Sammlungskustoden wenden können, stellen sich im Unterpunkt noch mehr Probleme: 1. Die Einrichtung der Sammlungen verläuft nicht immer unter angemessenen konservatorischen Bedingungen, so dass im schlimmsten Fall Gegenstände, die Jahrhunderte überdauert haben, in kurzer Zeit verloren gehen. 2. Es gibt selten Inventarlisten, so dass Verluste, vor allem bei Übergaben, sehr schwer nachzuweisen sind (womöglich hat u.a. der Kulturrat hier bereits Bestandsaufnahmen vorgelegt). 3. Die Sammlungen sind für Besucher zwar geöffnet, aber in den meisten Fällen ist ihre Existenz kaum bekannt. Angesichts dieser Probleme hat sich in Siebenbürgen vor kurzem eine Initiative, die Arbeitsgemeinschaft Museenlandschaft Siebenbürgen gebildet, die den Sammlungsbetreuern assistierend bei der Lösung zur Seite zu stehen will, sich aber noch in einem Anfangsstadium befindet (mit der sperrigen Abkürzung ARGE MUSE. Kontakt unter eas@neppendorf.de). Sie versucht, quasi stellvertretend für ein kirchliches Amt für Denkmalpflege jene Rettungsarbeit zu leisten, die eigentlich von geschultem Fachpersonal in Vollzeit sichergestellt werden sollte. Nachhaltigkeit wird auf lange Sicht nur durch Letzteres in überkonfessioneller Kooperation erreicht werden können. In einem ersten Schritt erfordert die angesammelte Denkmalsubstanz in unserer Gemeinschaft eine verantwortungsbewusste Selbstbefragung darüber, inwiefern eine grundlegende Mithilfe bei der Koordination der Einzelinitiativen und der fachgerechten Minimalbetreuung des Bestandes an diesen Museen und Sammlungen gewünscht ist und geleistet werden kann. Sicher ist hier auch eine Zusammenarbeit, z.B. mit Institutionen wie dem Berliner Kulturforum östliches Europa, möglich. Die Güter unserer Vergangenheit sollten Teil unserer Zukunft bleiben.

Frank-Thomas Ziegler

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. Mai 2006, Seite 10)

Schlagwörter: Kirchenburgen, Eigentumsrückgabe

Bewerten:

4 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.