18. Februar 2007

Beispielhaftes Arbeitsethos: Herta Gündisch

Am 25. Februar 2007 jährt sich der Geburtstag der Archivarin und Historikerin Dr. Herta Gündisch, geb. Bittner, zum hundertsten Mal. Die Passion der Wienerin für ihre Wahlheimat Siebenbürgen prägte ihr Leben: hier gründete sie eine Familie, fand ihren Freundeskreis und ihre Kirchengemeinde und war darüber hinaus über vierzig Jahre lang wissenschaftlich tätig.
Am 25. Februar 1907 in Wien als Tochter des Direktors des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Prof. Dr. Ludwig Bittner, geboren, zeigten sich schon früh zwei ihrer zentralen Eigenschaften: ihre große Zielstrebigkeit und ihr reges Interesse an historischen Studien. Nach Absolvieren des Fachs Geschichtswissenschaft an der Universität Wien mit der Dissertation zum Thema „Russland und Österreich 1859-1863“ beschloss sie, den Weg ihres Vaters einzuschlagen und in den Archivdienst einzutreten. Dieses Unterfangen gestaltete sich für die junge Frau äußerst diffizil, denn im Institut für österreichische Geschichtsforschung, der renommierten akademischen Archivschule Österreichs, herrschten strenge Zugangsbeschränkungen für weibliche Kandidatinnen. Doch Herta Bittner setzte sich trotz aller Widerstände durch und schaffte es, als erste Frau überhaupt, von 1929 bis 1931 den Ausbildungskurs des Instituts besuchen zu dürfen. Nach ihrem Abschluss mit der Hausarbeit „Die Vertragsurkunden der Herzöge von Österreich (1282-1330)“ trat sie als Archivassistentin sofort ins Berufsleben ein.

Die Archivarin und Historikerin Herta Gündisch (1907-1981)
Die Archivarin und Historikerin Herta Gündisch (1907-1981)

Ihre Zeit am Institut beeinflusste nicht nur ihr berufliches, sondern auch ihr privates Leben entscheidend. Am 6. November 1934 heiratete sie den Kurskollegen Dr. Gustav Gündisch, einen Siebenbürger Sachsen, den sie wenig später in dessen Heimat begleitete. In Hermannstadt, ihrem neuen Lebensmittelpunkt, angekommen, widmete sie sich zuallererst der Familie, nahm aber schon nach kurzer Zeit ihre berufliche Tätigkeit wieder auf, neben der Betreuung der zwischen 1935 und 1951 geborenen sechs Kinder. Während der Kriegs- und Nachkriegsjahre vertrat sie ihren Mann, der sich im Fronteinsatz befand, als Leiterin des Sächsischen Nationsarchivs (1940 - 1945) und wurde 1950 bis 1959 Archivarin am nunmehrigen Staatsarchiv Hermannstadt. Sie verfasste Artikel zu den Archivbeständen und wurde Mitherausgeberin des Inventars der Magistratsprotokolle von Hermannstadt aus den Jahren 1521 bis 1700. Sie führte Archivbesichtigungen und Inventuren in ganz Siebenbürgen durch. Trotz mehrerer persönlicher Schicksalsschläge gelang es Herta Gündisch stets, die Balance zwischen dem Arbeitsleben und ihrer Familie zu halten. Einen Ausgleich boten ihr ausgedehnte Wanderungen in der Natur. 1960 wechselte sie ins Archiv der Berufsschule Hermannstadt, wo sie bis zu ihrem Pensionseintritt beschäftigt war. In ihrem wohlverdienten Ruhestand ließ sie die wissenschaftliche Tätigkeit nicht ruhen. Diese konzentrierte sich auf die Unterstützung und dann Mitherausgabe der Bände IV-VII des „Urkundenbuchs zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“, einem editorischen Großunternehmen der siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsschreibung. Kurz vor der Vollendung des 7. Bandes entriss sie der Tod am 19. März 1981 ihrer Arbeit und ihrer Familie. In der Einleitung zu diesem Band heißt es: „Seit dem Jahr 1934 stand Dr. Herta Gündisch der Arbeit an unserem Urkundenbuch zunächst beratend, dann immer mehr auch helfend nahe. […] Ihrem mitreißenden Schwung muß es zu gutem Teil zugesprochen werden, wenn das Material […] in so ungemein kurzer Zeit gesammelt und bereitgestellt werden konnte. Wir neigen uns in dankbarer Verehrung vor diesem beispielhaften Arbeitsethos, dem damit für uns ein imperativer Charakter zukommt.“

Katharina Fleissner-Rösler


Schlagwörter: Landeskunde, Frauen, Porträt

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