5. Juli 2007

Hermannstadt-Abend in München

Anlässlich der Ernennung Hermannstadts zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007 sowie des EU-Beitritts Rumäniens veranstaltet die Deutsche Gesellschaft e.V., Berlin, eine Lesereihe repräsentativer rumäniendeutscher Autorinnen und Autoren in mehreren deutschen Städten. Die Deutsche Gesellschaft ist ein überparteilicher Verein, der sich der kulturellen und politischen Bildungsarbeit in Europa widmet. Mitglieder des Kuratoriums sind unter anderen Angela Merkel, Wolfgang Thierse, Martin Walser, Armin Müller-Stahl und Lothar de Maizière.
Den Auftakt bildete im November 2006 ein Abend mit Herta Müller (Berlin), der dem verstorbenen, aus Hermannstadt stammenden Dichter Oskar Pastior gewidmet war. Die Reihe wurde mit Richard Wagner (in Leipzig), Dieter Schlesak (in Stuttgart), Herta Müller (zum zweiten Mal, in Eichenwalde/Berlin) und am 20. Juni mit Claus Stephani (in München-Pasing) fortgesetzt.

Die von Petra Winnerlein geleitete Veranstaltung in der Stadtbibliothek Pasing wurde von der zu diesem Abend aus Berlin angereisten Literaturwissenschaftlerin Bärbel Schürrle eröffnet, die sachkundig über die Bedeutung dieser Lesungen sprach. Die siebenbürgisch-deutsche Kultur sei eine besondere Bereicherung Europas, und die Lesereisen vermittelten somit den Beitrag rumäniendeutscher Schriftsteller zum besseren Kennenlernen ihres Herkunftslandes. Danach stellte sie den Autor des Abends vor und würdigte seine vielseitige Tätigkeit als Schriftsteller, Ethnologe und Kunsthistoriker, wobei sie besonders auf seine Aufzeichnungen von rumäniendeutschen Lebensgeschichten und Volkserzählungen hinwies. Stephani habe bisher, so Bärbel Schürrle, über 2 000 Volkstexte von Siebenbürger Sachsen, Zipsern, Ostjuden, Sathmarschwaben u. a. aufgezeichnet und in 16 Büchern veröffentlicht.

Claus Stephani, der enge familiäre Bezüge zu Hermannstadt hat, las aus seinem Buch „Niemandmensch“ und aus einem neuen Erzählband „Die Rumänen kommen!“ verschiedene Episoden vor, in denen Siebenbürger Sachsen, Zipser, Rumänen und Zigeuner auftreten und die für gewisse Situationen vor 1990 bezeichnend sind. So bewegte sich die Erzählung zwischen der Begegnung mit einer rumänischen Bergbäuerin in der Maramuresch und einem Zigeunermädchen in Porumbacu de Jos. Dazwischen stand ein Aufenthalt am Zibin in Hermannstadt.

Die farbige, multiethnische Welt der siebenbürgischen Landschaft zog in lebhaften, poetischen und doch auch humorvollen Bildern am Auge des Zuhörers vorbei. Zur klanglichen Einstimmung trugen – als Wiedergabe von einer CD – alte sächsische Balladen bei, die von der aus Hermannstadt stammenden Musikergruppe „De Lidertrun“ (Michael Gewölb, Hans Seiwerth und Karlheinz Piringer) einfühlsam interpretiert wurden.

Es folgten zahlreiche Fragen, die sich sowohl auf die vorgelesenen Texte als auch auf die Geschichte Siebenbürgens und der deutschen Bevölkerung Rumäniens, einst und heute, bezogen. Stephani versäumte nicht darauf hinzuweisen, dass 1910 der rumänische Bevölkerungsanteil in Hermannstadt aus einer kleinen Minderheit bestand, und sogar 1925 die Sachsen immer noch die absolute Mehrheitsbevölkerung darstellten. Das sollte man, trotz „kulturhauptstädtischer Euphorie“, nicht ganz vergessen.

Die nächsten Autoren der Veranstaltungsreihe „Deutsche Literatur aus Rumänien“ sind Franz Hodjak (am 18. Juli in Frankfurt am Main), Georg Aescht (am 9. August in Düsseldorf) und Ernest Wichner (am 17. August in Berlin). Nähere Informationen können im Internet unter www.deutsche-gesellschaft-ev.de erfragt werden.

Heidi Marscher

Schlagwörter: Kulturhauptstadt, München, Lesungen

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