25. März 2008

Kurtfritz Handel und Andrei Șchiopu stellen in Brüssel aus

Es gibt nichts, alles ergibt sich! So auch diese Ausstellung. Sie hat sich aus dem Vorhaben der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel, dem Donauraum einige Veranstaltungen zu widmen, herauskristallisiert. Es geht um Länder, die die Donau mit Baden-Württemberg verbindet und mit denen das Land Baden-Württemberg durch geschichtliche Ereignisse verbunden ist. Diesmal steht Rumänien im Mittelpunkt. Die Brücke zum Land bietet die Kunst: Zwei Künstler, der heute in Frickenhausen lebende, siebenbürgische Bildhauer und Kunstpädagoge Kurtfritz Handel und der heute in Klausenburg lebende Maler und Bühnenbildner banatschwäbischer Abstammung, Andrei Șchiopu, stellen vom 27. März bis zum 2. Mai 2008 ihre Werke in der Landesvertretung in Brüssel (Rue Belliard 60-62) aus. Der Vernissage am 27. März wird die Anwesenheit I.K.H. Diane von Württemberg einen besonderen Glanz verleihen.
Zum Zufall wird nur das, dessen Zusammenhänge im Verborgenen bleiben. Wer diese gemeinsame Ausstellung der Bilder von Andrei Șchiopu mit den Skulpturen von Kurtfritz Handel als Zufall betrachtet, der irrt. Es ist vielleicht nicht auf den ersten Blick zu sehen, aber die Arbeiten der beiden Künstler haben einen gemeinsamen Nenner: Es ist die Bühne, die Bühne als Ort ästhetischen Angebotes. Darum auch der Titel der Ausstellung: „Bühnenwelten“. Und schon scheiden sich die Geister: Denn für Andrei Șchiopu ist die Bühne auch berufsbedingt ein geschlossener Raum, auch wenn immer wieder stilisierte Natursequenzen, Laub, Äste oder Äcker ihre Rhythmik bestimmen. Für Kurtfritz Handel ist sie jedoch immer eine Bühne im Freien, die Bühne naturgebundenen Geschehens.

Die Bilder des Andrei Șchiopu „verraten“ den Bühnenbildner. Den Maler beschäftigen jedoch Landschaften oder Porträts, Märchenhaftes oder Abstraktes. Aber auch diese Werke sind in ihrem Wesen nichts anderes als bühnenbildnerische Kompositionen. Bühnenbildner oder Maler. Andrei Șchiopu ist ohne Wenn und Aber ein Ästhet: ein Ästhet lebendiger Farben und graphischer Konstrukte. Sie offenbaren im frappierend harmonischen Zusammenspiel die Poesie des Ganzen: Immer wieder ein buntes Puzzlespiel ornamentaler Strukturen und Rhythmen. Direkt und offen, ohne spekulative Experimente und unnötig elitäres Philosophieren oder Phantasieren, seine Arbeiten finden zu einer selbstverständlichen Einheit, zu einem natürlichen Ausdruck zusammen. Șchiopus Kunst besteht gleichzeitig im gekonnten Wechselspiel zwischen dem Nonfigurativen und dem Dinglichen. Es ist aber nicht mehr als eine lyrische Unverbindlichkeit des Andeutens. Das führt Șchiopu zum unauffälligen Ausgleich zwischen der kultivierten, den Kenner ansprechenden Form künstlerischer Auseinandersetzung und der dem „Verstehen“ bzw. „Gefallen“ gebührenden Ästhetik nicht eingeweihten Betrachtens.

„Schwäbische Landschaft“ (2004) von Kurtfritz ...
„Schwäbische Landschaft“ (2004) von Kurtfritz Handel. Werke des siebenbürgischen Künstlers sind neben Arbeiten von Andrei Șchiopu noch bis zum 2. Mai 2008 in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel zu sehen.
Das Werk Kurtfritz Handels lässt sich in seiner Vielfalt dank ihrer klar definierten Thematik leicht und deutlich einordnen: figurative Plastik, Tier- und Landschaftsplastiken, mythisch-symbolische Plastik, Portraits und Zeichnungen. Wer die Zeichnungen von Kurtfritz Handel kennt, der wird von seinen Skulpturen nicht überrascht sein. Die Zeichnung verrät das Handwerk: Die sichere Hand, die leicht, spontan und elegant geführten Federstriche finden sich in den akkuraten Konturen seiner Skulpturen, die vom Künstler im Wachsausschmelzverfahren erarbeitet und eigenhändig gegossen werden, wieder. Darum sind auch einige seiner Skulpturen nichts anderes als Raumgrafiken.

Dass der Künstler sich in seinen Zeichnungen auch der Farbe bedient, zeugt von der Komplexität seines künstlerischen Könnens. Das widerspiegelt sich auch in seinen Skulpturen. Was ein Maler in seinen Bilder durch den Simultankontrast seiner Farben erreicht, setzt der Bildhauer Kurtfritz Handel durch das Zusammenspiel wechselnder Nuancen der Bronzepatina effektvoll um. Die meisten Werke, ob figurative, Tier- oder Landschaftsplastik, werden dem Betrachter jedoch wie auf einem Tablett oder Plateau regelrecht angeboten. Es ist die Bühne im Freien des Kurtfritz Handel. Während die „Bühne“ des Andrei Șchiopu als geschlossener Raum streng der Horizontale und der Vertikale gebührt, sind die „Freilichtbühnen“ von Kurtfritz Handel nicht vom „Sog“ der Vertikale, sondern eher von einer milden Schräge, von der Raumdiagonale bestimmt. Über sie versucht der Künstler, wie er selbst beteuert, die Natur in den geschlossenen Raum zu holen. Der Künstler kopiert jedoch die Natur nicht. Wie auch in seiner figurativen Plastik, des Öfteren nur graphische Andeutungen oder Silhouetten, verleiht der Künstler dem jeweils Wesentlichen, dem vertrauten Verhalten, der natürlichen Gestik und Mimik, mitunter auch mit Humor, Witz oder Ironie einen persönlich stilisierten Ausdruck. Es bleibt trotzdem eine Natur elementaren, unverfälschten Daseins, zu der Kurtfritz Handel noch das Privileg hatte, in seiner siebenbürgischen Heimat einen unmittelbar sensitiven Bezug pflegen zu können. So schwingen sich die Figuren organisch und dynamisch in die Hügel- oder Weidelandschaften ein. Und diese organische Einheit, ob Schwarm oder Herde, ist nichts anders als die in Zeitlupe sequentiell dargestellte, eigenartige Bewegung des ein und desselben Tieres.

Auf der Bühne der Natur spielt sich also die Epik der Skulpturen ab: immer wieder „Ausschnitte“ eines ländlichen, landschaftlichen, individuellen oder gesellschaftlichen Geschehens, die fast schwerelos ihren freien Raum in Anspruch nehmen. Sie „verraten“ eine kosmopolite, künstlerische Seele, die einen Bogen ästhetischen Ausdrucks vom Orient über seine ehemalige siebenbürgische und heutige Heimat, dem Schwabenland, bis zum Mittelmeerraum, insbesondere der Toskana, spannt. Und es gibt nur wenig Künstler, denen es gelungen ist, die Natur als Raum, traditionell eine Domäne der eigentlich zweidimensionalen Malerei, dreidimensional, als Skulptur kompakt zu gestalten.

Kunst ist grundsätzlich nicht ethnisch gebunden. Nicht an letzter Stelle entdecken wir trotzdem sowohl in Kurtfritz Handels Skulpturen als auch in Andrei Șchiopus Bildern einen Hauch ländlichen Daseins ihrer Heimat. Ihre künstlerische Sensibilität hat jedoch das Feingefühl inne, nicht irgendeiner ländlichen Idylle oder folkloristischen Lyrik zu verfallen. Es ist ein weiterer Aspekt der Kunst von Kurtfritz Handel und Andrei Șchiopu, das lyrische Gemüt mit der Eigenart genau definierten, ästhetischen Ausdrucks zweier prägnanten und sensiblen künstlerischen Persönlichkeiten zu verbinden. Und noch eine wesentliche Gemeinsamkeit beider Künstler sei zu erwähnen: Ihre Werke bedürfen eigentlich keiner außergewöhnlichen Erläuterung. Sie erfreuen schon auf dem ersten Blick. So leitet der Betrachter immer wieder seinen Weg zu ihnen unmittelbar aus der Freude an der Betrachtung ab.

Dr. Eugen Christ

Schlagwörter: Bildhauerei, Künstler, Handel

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Neueste Kommentare

  • 25.03.2008, 15:43 Uhr von Siegbert Bruss: Hallo Frau Ungar, besten Dank für den Hinweis. Sie haben natürlich Recht: Die Ausstellung wird ... [weiter]
  • 25.03.2008, 12:46 Uhr von alibecrar: Hallo Leute! Ihr seid ja superschnell! Diese Ausstellung dürfte - zumindest meinem Kalender nach ... [weiter]

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