16. Juni 2025

Produktiver und vielseitiger Künstler aus Kronstadt Nachruf auf Kaspar Lukas Teutsch / Von Hans-Werner Schuster

Mit dem aus Kronstadt stammenden Künstler Kaspar Lukas Teutsch ist kurz vor seinem 94. Geburtstag in der Nacht vom 2. zum 3. Mai in seinem Haus in München einer der vielseitigsten siebenbürgisch-sächsischen Künstler von uns gegangen. Er hinterlässt Gattin Christine, zwei Kinder aus erster Ehe und ein reiches Œuvre, das er dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim vermacht hat.
Kaspar Lukas Teutsch in seiner Ausstellung ...
Kaspar Lukas Teutsch in seiner Ausstellung „Figuration – Transfiguration“, die 2011 im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturwoche in Berlin im rumänischen Kulturinstitut Titu Maiorescu gezeigt wurde. Im Hintergrund seine Radierung „Zeit greift an“, 1989, 37 x 46 cm. Foto: Hans-Werner Schuster
Kaspar Teutsch, der lebensfrohe Mensch und Künstler, dessen Werke zu dem „witzigsten“ –im Sinne von reich an Ideen und überraschenden Einfällen wie auch im Sinne von schalkhaft – zählen, was die siebenbürgisch-sächsische Kunst hervorgebracht hat, hat sich auch mit der Vergänglichkeit auseinandergesetzt und sie in seiner Kunst thematisiert. Unter anderem in der Radierung „Zeit greift an“ von 1989. Die Zeit zeigte sich nachsichtig, und es waren ihm noch 26 Jahre vergönnt, der Großteil davon in voller Schaffenskraft. An seinem 80. Geburtstag karikierte sich Kaspi, wie ihn halb Kronstadt nannte, lustig pfeifend auf seinem Rad zum Angeln fahrend. Er stand noch regelmäßig am Druckstock, voller Ideen für neue Werke, und plante Ausstellungen. Allerdings ging das nach der Rückenoperation 2019 nicht mehr. Sein künstlerischer Elan erlahmte, seine Kraft ließ nach. Er ist friedlich und zufrieden von uns gegangen. Weil es in den letzten Jahren um Kaspar Teutsch still geworden ist, wollen wir uns in Erinnerung rufen, wer er war – sehen und hören kann man ihn in einem Interview vom Heimattag 2011 bei Siebenbuerger.de unter www.youtube.com/watch?v=oxUOcVmhUUc –, und versuchen, uns ein Bild von der Person und seiner Kunst zu machen.

Geboren wurde Kaspar Lukas Teutsch am 31. Mai 1931 in Kronstadt als zweites Kind des Likörfabrikanten Julius Teutsch – der gleichnamige Gründer des Burzenländer sächsischen Museums war sein Großvater. Er entstammte dem Kronstädter Bürgermilieu, in dem sich vor einem guten Jahrhundert die siebenbürgische Kunstmoderne herausbildete. Als Mitglied solch einer Familie wurde er nach dem Abitur am Honterus-Gymnasium – dort lernte er bei Heinrich Schunn zeichnen und malen – 1952-1954 nach Elisabethstadt deportiert. Danach betätigte er sich als Lithograph in den Werkstätten der Polytechnischen Hochschule Kronstadt und leistete den Wehrdienst als Bausoldat. 1957-1963 studierte er an der Akademie der bildenden Künste „Ion Andreescu“ in Klausenburg mit dem Schwerpunkt Textilkunst bei Professor József Bene und war als Zeichner im Bereich Ethnographie für die Rumänische Akademie der Wissenschaften tätig.

Lehrer und Kunsterzieher

1963-1980 war Kaspar Teutsch Kunstlehrer an der Şcoala populară de artă (Volkskunstschule) in Kronstadt. Auch nach der Ausreise nach Deutschland setzte er seine Lehrtätigkeit fort: 1980/81 an der Berufsfachschule für Druck, Graphik und Photographie und ab 1982 bis zur Pensionierung 1994 an der Deutschen Meisterschule für Mode in München als Lehrer für Graphik-Design und Layout.

In dieser Funktion als Lehrer und Kunsterzieher habe ich erstmals von Kaspar Teutsch gehört, von einer Studienkollegin, die von ihrem Lehrer an der Kunstschule in Kronstadt schwärmte. Er habe seinen Schülern die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten vermittelt, und jedem offengelassen, für sich die künstlerische Gestaltung zu entdecken, die einem am meisten lag. Bei ihr war es das Batiken. Auch in München hat er seinen Schülern Offenheit, Experimentierfreude und solides handwerkliches Können vermittelt. Einige dieser Schüler danken ihm das durch lebenslange Verbundenheit, obwohl nur wenigen eine künstlerische Karriere beschieden war, wie jene von Armin Mühsam, dem wir die Würdigung zu Kaspar Teutschs 80. Geburtstag verdanken (siehe „Dem Maler und Lehrer Kaspar Lukas Teutsch zum 80. Geburtstag“, SbZ Online vom 2. Juni 2011). Die Lehre stand immer in einem Spannungsverhältnis zum eigenen Schaffen und der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen, Auffassungen, Stilen und Techniken der Kunst. Diese Auseinandersetzung hat er theoretisch wie auch praktisch geführt – und das schon in Rumänien trotz aller politischen Einengung und Bevormundung.
„Im Szeklerland“, 1978, Eitempera, 42 x 51 cm. Es ...
„Im Szeklerland“, 1978, Eitempera, 42 x 51 cm. Es gibt noch weitere Gemälde von Kaspar Teutsch, die zum größten Teil in Rumänien entstanden sind. Davon wiederum ist der größte Teil abstrakt.
Hier noch einige Angaben, die die Person Kaspar Teutsch abrunden. Der 1963 geschlossenen Ehe mit Margarethe Leonhardt entstammen die Kinder Margaret-Heidrun und Rolf-Herberth. Die zweite, 1985 mit Christine Wilhelm geschlossene Ehe blieb kinderlos. Man darf annehmen, dass er nicht nur in der zweiten Ehe „so liebevoll und fürsorglich war, so vielseitig begabt und interessiert“, wie ihn Christine beschreibt, und das auch der Grund dafür war, dass die Partnerschaft bis zuletzt spannend und anregend blieb. Dass Letzteres der ersten Ehe nicht beschieden war, hat auch mit den äußeren Umständen im kommunistischen Rumänien zu tun, mit den Zwängen, die die Entfaltung der Persönlichkeit und der Kunst behinderten sowie mit der Misswirtschaft und den daraus erwachsenden Alltagssorgen. Letzteren ist wohl auch Kaspis Findigkeit und handwerkliches Geschick im Alltag wie im künstlerischen Bereich zu verdanken, und vielleicht auch seine Hobbys: Angeln, Fahrradfahren und „in die Pilze gehen“.

Die erwähnten Umstände und die Tatsache, dass Eltern und Geschwister schon ausgereist waren, haben dazu beigetragen, dass er mit 15 Radierungen im doppelten Boden seines Koffers am 31. August Rumänien verließ und nicht zurückkehrte. Entscheidend war aber, dass er sich dem Druck entziehen wollte, mit dem die Securitate ihn als Informanten zu gewinnen trachtete.

Der Künstler und sein Werk

Es gibt kaum einen siebenbürgisch-sächsischen Künstler, dessen Schaffen ähnlich vielseitig ist, wie das von Kaspar Lukas Teutsch. Das gilt auch dann, wenn man sein literarisches Werk außen vor lässt. – 1981 hat er im Selbstverlag das mit Zeichnungen illustrierte Gedichtheft „Schilfschwert und Nachtschwalbe. Ein Alp(en)traumtagebuch“ herausgegeben. Dazu gehören Zeichnung und das breite Spektrum der Graphik, Malerei, Materialcollage, Objektkunst, Textilkunst, Kunstaktion, Plastik und Kunst am Bau in unterschiedlichen Materialen. Letztere sind leider dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, sowohl in Rumänien als auch in Deutschland. Zumindest zwei sind immer noch zu sehen: Die 1983-1984 entstandene Fassadengestaltung des sogenannten „Wappenhauses“ des Kronstädter Bauingenieurs Hans Gustav Zink in der Nymphenburger Straße 73 in München sowie das 10 x 9 Meter große Eisenrelief am Kulturhaus in Fogarasch, ein Gemeinschaftswerk mit Eftimie Modîlcă von 1970.

Teutsch Kaspar montiert 1970 das erste Element ...
Teutsch Kaspar montiert 1970 das erste Element des Eisenreliefs am Kulturhaus in Foga-rasch. Das 10 x 9 m große Werk ist ein Gemeinschaftswerk mit Eftimie Modîlcă und ist wohl aus diesem Grunde nicht entfernt worden und bis heute zu sehen.
Leider sind auch viele andere Werke, insbesondere aus der Schaffenszeit in Rumänien verschollen, wurden doch damals republikflüchtige Künstler mit der damnatio memoriae bestraft und ihre Werke beseitigt. Zum Glück sind einige davon als Abbildung in Zeitungen und Zeitschriften oder als Foto erhalten geblieben. Spätestens 1965 illustrieren Zeichnungen von Teutsch die Kronstädter Volkszeitung. Danach findet man sie auch in anderen deutsch-, rumänisch- oder ungarischsprachigen Periodica Rumäniens. Das erste Künstlerporträt bringt die Volkszeitung am 23. September 1966 und der gleiche Autor, Claus Stephani, präsentiert Kaspar Teutsch im Jahr darauf in der Bukarester Kulturzeitschrift Volk und Kultur. 1968 stellt ihn die Kulturzeitschrift ASTRA in einem Bericht über dekorative Kunst vor und im Jahr darauf ehrt sie ihn ebenso wie die ungarischsprachige Zeitung Brassoi Lapok [Kronstädter Blätter] mit einem Atelierbesuch. Seitdem kann man Teutsch nicht mehr übersehen. Er wird 1973 in der Kunstzeitschrift ARTA porträtiert, findet 1975 Aufnahme im Sammelband „Pictori din Braşov“ [Maler aus Kronstadt] und im Jahr darauf im „Dicționarul artiștilor români contemporani“ [Verzeichnis der rumänischen Künstler der Gegenwart], 1980 wird er in der Kunstzeitschrift Arta plastică [Bildende Kunst] porträtiert. Danach erscheint in Rumänien nichts mehr über Kaspar Teutsch, dafür aber immer mehr in Deutschland. Nach Günther Ott, Direktor der Kölner Museen und Dozent für Kunstgeschichte an der Fachhochschule Köln, schreibt Hans Bergel immer wieder über Teutsch, ebenso der Kulturwissenschaftler Walter Myss, der Galerist Jürgen Busch oder Marius Joachim Tataru, Interimsleiter des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim. Aufnahme findet er auch in Anthologien: „Les artistes roumains en occident“, Paris 1986, „Romanian artists in the West“, Los Angeles 1986, „Zeichen des Aufbruchs, Spuren des Abschieds. Deutsche Künstler aus Ostmittel- und Südosteuropa“, München 1994.

Sie alle und viele weitere schreiben voller Hochachtung und Bewunderung über Kaspar Teutsch, was kaum wundern kann, angesichts eines in gut 60 Jahren entstandenen reichen und vielseitigen Werks, das man in Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen, aber auch im öffentlichen Raum findet und das in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen der kunstinteressierten Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Schon während des Studiums stellte Teutsch bei den jährlichen Schauen der Studenten in Klausenburg aus und beteiligte sich spätestens ab 1968 an den Jahresausstellungen der Zweigstelle Kronstadt des Verbands bildender Künstler Rumäniens. 1970 berichtet Horst (Schuller-)Anger unter dem Titel „Beherrschte Farbakkorde“ in der Karpatenrundschau vom 30. Oktober über die erste Einzelausstellung von Kaspar Teutsch in Kronstadt. Es folgen weitere 1974, 1976 und 1979 in Kronstadt und in Bukarest: 1974 in der Galerie „Apollo“, 1979 in der Galerie „Eforie“ (der Ausstellungskatalog listet 46 Werke auf), aber keine Einzelausstellung im Aus-land, so lange er rumänischer Staatsbürger war. Als solcher war er aber fast immer bei Ausstellungen rumänischer Künstler im Ausland dabei. Erstmals 1969 in der Galerie Guggenheim, London, 1973 in Breslau, 1974 in Moskau und Ost-Berlin, 1977 in Helsinki, 1979 in Maidanek, Polen. 1975 bei der Internationalen Ausstellung „Sport in der Kunst“ in Barcelona und ebendort 1978, 1979 und 1980 beim internationalen Wettbewerb der Handzeichnung „Joan Miro“.

Nach der Aussiedlung beteiligte er sich 1981 wieder am internationalen Wettbewerb der Handzeichnung „Joan Miro“ in Barcelona, zeigte im selben Jahr Handzeichnungen in Villa Real in Portugal und im Museum für Zeitgenössische Kunst in Madrid und war 1982 in Straßburg in der Ausstellung „Estampe du Rhin“ präsent, so dass Hans Bergel ihn als „im internationalen Ausstellungsleben am häufigsten vertretenen aus Siebenbürgen stammenden Künstler“ (Folge 3 der Siebenbürgischen Zeitung vom 28. Februar 1982, S. 3) bezeichnete. Danach stellte er nur noch in Deutschland aus. Er beteiligte sich an Gruppenausstellungen und zeigte im Großraum München ab 1980 bis 2001 sozusagen jährlich eine Einzelausstellung. Die erste in der Wohnung des Cartoonisten Fritz Goller fand über Vermittlung des Kronstädters Hermann Schlandt statt, der ihm den Weg in die Schwabinger Kunstszene ebnete. Danach stellte Teutsch auch an ersten Kunstadressen aus, unter anderem 1984 in der Galerie Enver Hirsch und 1990-1991 in der Galerie Jürgen Busch, die ihn zeitweise auch vertraten.
„Genetische Formen“, 1981, Kohle-Grafit ...
„Genetische Formen“, 1981, Kohle-Grafit-Zeichnung, 60 x 42 cm. Mit dieser Zeichnung – einer aus einem ganzen Werkzyklus – beteiligte sich Kaspar Teutsch 1981 am internationalen Wettbewerb der Handzeichnung „Joan Miro“ in Barcelona. Hier kommt sein meisterhafter Strich nicht so zur Geltung wie bei Bleistiftzeichnungen. Aber die Gesamtkomposition und die feinen Grauabstufungen insbesondere in den Bereichen, in denen das weiße Papier durchscheint, weisen Teutsch als begnadeten Zeichner aus, der einem Fritz Kimm oder Friedrich von Bömches das Wasser reichen kann.
Hervorheben muss man die Retrospektive im Jahr 2001 in der Stadthalle Germering, bei der über 80 zweidimensionale Arbeiten aus all seinen Schaffensphasen gezeigt wurden: Zeichnungen, Mischtechniken, Siebdrucke, Radierungen, Öl- und Acrylgemälde. Kaspar Teutsch, der Mitglied war im Berufsverband Bildender Künstler München, im Künstlerverein Böblingen und im Kunstverein Ebersberg, präsentierte deutschlandweit Einzelausstellungen, wie 1981 in der Ostdeutschen Galerie Regensburg, 2002 in Wuppertal oder 2011 im Rumänischen Kulturinstitut Titu Maiorescu im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturwoche.

Nicht nur mit der letztgenannten Ausstellung zeigte er seine Verbundenheit zu Siebenbürgen wie zu seinen Landsleuten. Er hat wiederholt gemeinsam mit siebenbürgischen Künstlerkollegen ausgestellt und war mehrmals im Kunstgewölbe Dinkelsbühl im Rahmen des Heimattages der Siebenbürger Sachsen wie auch im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim zu sehen – zuletzt 2013 in der Ausstellung „Raritäten – Novitäten“.

In der von Hans Bergel und Michael Thalgott initiierten und vom Bundeskulturreferenten Peter Marikusa in der Bayerischen Versicherungskammer in München gezeigten Gemeinschaftsausstellung „Wege siebenbürgischer Künstler“ konnte ich 1988 Werke von Kaspar Teutsch erstmals im Original bewundern. Er fiel mir durch seine Vielseitigkeit auf. Als Einziger neben Pomona Zipser zeigte er auch ein dreidimensionales Objekt – „Blues 1“. Davon war ich ebenso begeistert, wie von der handwerklichen Perfektion und technischen Raffinesse seiner Radierungen und Zeichnungen, Spannungsgeladen durch die Gegensätze von hellen und dunklen Flächen, von harten Kanten und weich schwingenden Linien von delikater Feinheit.

Mitte der 1970er Jahre: Kaspar Teutsch mit der ...
Mitte der 1970er Jahre: Kaspar Teutsch mit der Paliflasche am Tisch, dem Pinsel und der Zigarette in der Hand von abstrakten Werken umgeben an einem abstrakten Gemälde malend in seinem Kronstädter Atelier im achten Stock in der Honigberger Straße (strada Hărmanului).
Ähnlich haben seine Werke auf viele Kunstkenner gewirkt, die Kaspar Teutsch in erster Linie als Graphiker sehen und sein graphisches Werk zu würdigen wissen. Und auch der Künstler selbst bekannte beim Atelierbesuch von Günther Ott: „Die Zeichnung entspricht mir mehr als die Malerei“. Das, was er damals auch bekannte: „Ich zeichne nie vor, habe auch keinen Vorwurf, keine Pläne, kein Schema. Meine Äußerungen sind unmittelbare Äußerungen… Dies ermöglicht mir, mich von gewohnten Regeln zu befreien, ermöglicht mir beliebige Kombina¬tionen und Wendungen“, darf man nicht absolut sehen. Nicht nur aufgrund seines künstlerischen Werdegangs – er kommt aus der Textil- und dekorativen Kunst –, sondern weil solche Vorzeichnung auf seinen Zeichnungen oft erkennbar ist (auch in der abgebildeten „Genetische Formen“). Teutsch Bekenntnis hat auch Ott nicht ganz überzeugt, der Teutschs Kunst im Konstruktivismus verortet, zwischen Gegenständlichkeit, Abstraktion und absoluter Gestaltung. Allerdings erkennt er auch, dass sie sich darin nicht erschöpft und dass sich Teutsch mit den Arbeiten der letzten Jahre als surrealistischer Künstler ausweist.
Kaspar Teutsch auf der Finissage mit Arbeiten, ...
Kaspar Teutsch auf der Finissage mit Arbeiten, die er im Dezembe 2001 in der Stadthalle in Germering zeigte. Foto: Konrad Klein
Als solcher ist er von der Kunstkritik im Westen wahrgenommen worden, auch von Hans Bergel oder von Brigitte Nussbächer-Stephani beim Atelierbesuch mehr als 30 Jahre später, der sich in einem Künstlerporträt in der Reihe Kronstädter Meisterzeichner der Neuen Kronstädter Zeitung 2002 niedergeschlagen hat.

Teutsch hat einer solchen Wahrnehmung Vorschub geleistet, durch Äußerungen wie: „Bei der Arbeit ,denke‘ ich nicht viel, gehe eher wie ein Nachtwandler mit den Augen nach innen offen“, oder: „jene halbe Stunde des Tages gleich nach dem Sonnenuntergang. Nur dann ist für mich Kommunikation mit den Gegenständen möglich. Es sind die fruchtbarsten Augenblicke, wenn alles um mich zu ,wesen‘ beginnt, mich durchdringt. In dieser halben Stunde ,sehe‘ ich, und ,es kommt auf mich zu‘ – oder ,saugt mich an‘.“ Es sind Äußerungen, die nicht nur durch die Serie der sogenannten „Traumprotokolle“ der frühen 1980er bestätigt werden und ihn in die Nähe von Max Ernst und seiner écriture automatique – das automatische Hinschreiben, Hinmalen eines Künstlers, als arbeite er im Trancezustand – rücken. Andererseits hat er sich jeder Zuordnung zu einer Stilrichtung oder Kunstschule verweigert. Aber er hat sich mit jeder neuen Stilrichtung auseinandergesetzt, theoretisch wie auch praktisch: mit abstrakter Kunst, mit Konstruktivismus, Expressionismus, Surrealismus und phantastischem Realismus, mit Tachismus und sogar mit Popart. Aber nicht nur stilistisch zeigte er sich als extrem experimentierfreudig. Er war es auch in Bezug auf das Trägermaterial und auf die Materialien, aus denen er seine Kunstwerke formte, von weicher Textilfaser über Ton und Stein bis zu härtestem Stahl. Er war es erst recht in Bezug auf die Techniken, mit denen er seine Bildvorstellungen umsetzte, insbesondere die graphischen Techniken: Siebdruck, Aquaforte und Aquatinta und unterschiedlichste Radierung: Zinkblech- und Stahlradierung, Kaltnadel-Radierung und er entwickelte gar eine neue Technik, eine Art Ritzzeichnung auf getöntem Hochglanzkarton. All diese graphischen Techniken kombinierte er auch noch und führte sie in einem Werk ebenso zusammen, wie er darin unterschiedlichste Motive verband. Kaspar Lukas Teutsch brachte das zusammen, was man wohl noch nicht zusammen gesehen hat und öffnete damit den Blick für das, was sich jenseits des Offensichtlichen auftut. Ihm gelingt in seinen Werken die Symbiose seiner Wahrnehmung von Welt mit seiner Traumwelt. Es entstehen Konstellationen, die unerwartet sind, die überraschen, mitunter auch frappieren – aber nie schockieren. Dafür sind sie einfach zu maßvoll, im Bildaufbau zu ausgewogen, in der Farbgebung zu edel. Das und die Fähigkeit, Disparates zusammenzuführen und etwas Neues als überzeugende Einheit entstehen zu lassen, zeichnet den Künstler Kaspar Teutsch aus.

Eine fruchtbare innere Unruhe war wohl sein wichtigster Antrieb. Indem er sie ins Bild bannte, gelang es ihm, sie zu bändigen. Aber nicht gänzlich. Immer wieder brach sie sich Bahn und ließ den Künstler nicht nur an der Welt zweifeln, sondern auch sein Werk in Frage stellen. So auch beim Atelierbesuch von Brigitte Nussbächer-Stephani, als er vor dem Blatt „Quo vadis?“ resigniert sein Schaffen hinterfragte: „Das Bild ist dermaßen aktuell, auch heute noch, denn es ist der Zug nach Nirgendwo, und man weiß nicht, wohin die Reise schließlich geht – wie in einem meiner Gedichte: ,Die Schnellbahn rast / Nächsterhalt. Nächsterhalt. / Endstation.‘ Und so fragt man sich manchmal: Wen belastet man mit den Bildern eines Lebens…, wenn man eines Tages von dieser Welt gehen muss? Ich glaube, ich werde vorher ein großes Freudenfeuer machen…“

Das hat er zum Glück nicht gemacht. Der künstlerische Nachlass von Kaspar Lukas Teutsch geht an das Siebenbürgische Museum Gundelsheim. Und vielleicht haben wir demnächst dort Gelegenheit, eine Retrospektive zu sehen, die diesen Künstler und sein in 60 Jahren entstan¬denes Werk gebührend ehrt und hoffentlich von der längst fälligen Künstlermonographie begleitet wird.

Schlagwörter: Teutsch, Künstler, Kronstadt, Nachruf, Schuster

Bewerten:

45 Bewertungen: –

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.