16. Juni 2025
Produktiver und vielseitiger Künstler aus Kronstadt Nachruf auf Kaspar Lukas Teutsch / Von Hans-Werner Schuster
Mit dem aus Kronstadt stammenden Künstler Kaspar Lukas Teutsch ist kurz vor seinem 94. Geburtstag in der Nacht vom 2. zum 3. Mai in seinem Haus in München einer der vielseitigsten siebenbürgisch-sächsischen Künstler von uns gegangen. Er hinterlässt Gattin Christine, zwei Kinder aus erster Ehe und ein reiches Œuvre, das er dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim vermacht hat.

Geboren wurde Kaspar Lukas Teutsch am 31. Mai 1931 in Kronstadt als zweites Kind des Likörfabrikanten Julius Teutsch – der gleichnamige Gründer des Burzenländer sächsischen Museums war sein Großvater. Er entstammte dem Kronstädter Bürgermilieu, in dem sich vor einem guten Jahrhundert die siebenbürgische Kunstmoderne herausbildete. Als Mitglied solch einer Familie wurde er nach dem Abitur am Honterus-Gymnasium – dort lernte er bei Heinrich Schunn zeichnen und malen – 1952-1954 nach Elisabethstadt deportiert. Danach betätigte er sich als Lithograph in den Werkstätten der Polytechnischen Hochschule Kronstadt und leistete den Wehrdienst als Bausoldat. 1957-1963 studierte er an der Akademie der bildenden Künste „Ion Andreescu“ in Klausenburg mit dem Schwerpunkt Textilkunst bei Professor József Bene und war als Zeichner im Bereich Ethnographie für die Rumänische Akademie der Wissenschaften tätig.
Lehrer und Kunsterzieher
1963-1980 war Kaspar Teutsch Kunstlehrer an der Şcoala populară de artă (Volkskunstschule) in Kronstadt. Auch nach der Ausreise nach Deutschland setzte er seine Lehrtätigkeit fort: 1980/81 an der Berufsfachschule für Druck, Graphik und Photographie und ab 1982 bis zur Pensionierung 1994 an der Deutschen Meisterschule für Mode in München als Lehrer für Graphik-Design und Layout.In dieser Funktion als Lehrer und Kunsterzieher habe ich erstmals von Kaspar Teutsch gehört, von einer Studienkollegin, die von ihrem Lehrer an der Kunstschule in Kronstadt schwärmte. Er habe seinen Schülern die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten vermittelt, und jedem offengelassen, für sich die künstlerische Gestaltung zu entdecken, die einem am meisten lag. Bei ihr war es das Batiken. Auch in München hat er seinen Schülern Offenheit, Experimentierfreude und solides handwerkliches Können vermittelt. Einige dieser Schüler danken ihm das durch lebenslange Verbundenheit, obwohl nur wenigen eine künstlerische Karriere beschieden war, wie jene von Armin Mühsam, dem wir die Würdigung zu Kaspar Teutschs 80. Geburtstag verdanken (siehe „Dem Maler und Lehrer Kaspar Lukas Teutsch zum 80. Geburtstag“, SbZ Online vom 2. Juni 2011). Die Lehre stand immer in einem Spannungsverhältnis zum eigenen Schaffen und der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen, Auffassungen, Stilen und Techniken der Kunst. Diese Auseinandersetzung hat er theoretisch wie auch praktisch geführt – und das schon in Rumänien trotz aller politischen Einengung und Bevormundung.

Die erwähnten Umstände und die Tatsache, dass Eltern und Geschwister schon ausgereist waren, haben dazu beigetragen, dass er mit 15 Radierungen im doppelten Boden seines Koffers am 31. August Rumänien verließ und nicht zurückkehrte. Entscheidend war aber, dass er sich dem Druck entziehen wollte, mit dem die Securitate ihn als Informanten zu gewinnen trachtete.
Der Künstler und sein Werk
Es gibt kaum einen siebenbürgisch-sächsischen Künstler, dessen Schaffen ähnlich vielseitig ist, wie das von Kaspar Lukas Teutsch. Das gilt auch dann, wenn man sein literarisches Werk außen vor lässt. – 1981 hat er im Selbstverlag das mit Zeichnungen illustrierte Gedichtheft „Schilfschwert und Nachtschwalbe. Ein Alp(en)traumtagebuch“ herausgegeben. Dazu gehören Zeichnung und das breite Spektrum der Graphik, Malerei, Materialcollage, Objektkunst, Textilkunst, Kunstaktion, Plastik und Kunst am Bau in unterschiedlichen Materialen. Letztere sind leider dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, sowohl in Rumänien als auch in Deutschland. Zumindest zwei sind immer noch zu sehen: Die 1983-1984 entstandene Fassadengestaltung des sogenannten „Wappenhauses“ des Kronstädter Bauingenieurs Hans Gustav Zink in der Nymphenburger Straße 73 in München sowie das 10 x 9 Meter große Eisenrelief am Kulturhaus in Fogarasch, ein Gemeinschaftswerk mit Eftimie Modîlcă von 1970.
Sie alle und viele weitere schreiben voller Hochachtung und Bewunderung über Kaspar Teutsch, was kaum wundern kann, angesichts eines in gut 60 Jahren entstandenen reichen und vielseitigen Werks, das man in Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen, aber auch im öffentlichen Raum findet und das in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen der kunstinteressierten Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Schon während des Studiums stellte Teutsch bei den jährlichen Schauen der Studenten in Klausenburg aus und beteiligte sich spätestens ab 1968 an den Jahresausstellungen der Zweigstelle Kronstadt des Verbands bildender Künstler Rumäniens. 1970 berichtet Horst (Schuller-)Anger unter dem Titel „Beherrschte Farbakkorde“ in der Karpatenrundschau vom 30. Oktober über die erste Einzelausstellung von Kaspar Teutsch in Kronstadt. Es folgen weitere 1974, 1976 und 1979 in Kronstadt und in Bukarest: 1974 in der Galerie „Apollo“, 1979 in der Galerie „Eforie“ (der Ausstellungskatalog listet 46 Werke auf), aber keine Einzelausstellung im Aus-land, so lange er rumänischer Staatsbürger war. Als solcher war er aber fast immer bei Ausstellungen rumänischer Künstler im Ausland dabei. Erstmals 1969 in der Galerie Guggenheim, London, 1973 in Breslau, 1974 in Moskau und Ost-Berlin, 1977 in Helsinki, 1979 in Maidanek, Polen. 1975 bei der Internationalen Ausstellung „Sport in der Kunst“ in Barcelona und ebendort 1978, 1979 und 1980 beim internationalen Wettbewerb der Handzeichnung „Joan Miro“.
Nach der Aussiedlung beteiligte er sich 1981 wieder am internationalen Wettbewerb der Handzeichnung „Joan Miro“ in Barcelona, zeigte im selben Jahr Handzeichnungen in Villa Real in Portugal und im Museum für Zeitgenössische Kunst in Madrid und war 1982 in Straßburg in der Ausstellung „Estampe du Rhin“ präsent, so dass Hans Bergel ihn als „im internationalen Ausstellungsleben am häufigsten vertretenen aus Siebenbürgen stammenden Künstler“ (Folge 3 der Siebenbürgischen Zeitung vom 28. Februar 1982, S. 3) bezeichnete. Danach stellte er nur noch in Deutschland aus. Er beteiligte sich an Gruppenausstellungen und zeigte im Großraum München ab 1980 bis 2001 sozusagen jährlich eine Einzelausstellung. Die erste in der Wohnung des Cartoonisten Fritz Goller fand über Vermittlung des Kronstädters Hermann Schlandt statt, der ihm den Weg in die Schwabinger Kunstszene ebnete. Danach stellte Teutsch auch an ersten Kunstadressen aus, unter anderem 1984 in der Galerie Enver Hirsch und 1990-1991 in der Galerie Jürgen Busch, die ihn zeitweise auch vertraten.

Nicht nur mit der letztgenannten Ausstellung zeigte er seine Verbundenheit zu Siebenbürgen wie zu seinen Landsleuten. Er hat wiederholt gemeinsam mit siebenbürgischen Künstlerkollegen ausgestellt und war mehrmals im Kunstgewölbe Dinkelsbühl im Rahmen des Heimattages der Siebenbürger Sachsen wie auch im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim zu sehen – zuletzt 2013 in der Ausstellung „Raritäten – Novitäten“.
In der von Hans Bergel und Michael Thalgott initiierten und vom Bundeskulturreferenten Peter Marikusa in der Bayerischen Versicherungskammer in München gezeigten Gemeinschaftsausstellung „Wege siebenbürgischer Künstler“ konnte ich 1988 Werke von Kaspar Teutsch erstmals im Original bewundern. Er fiel mir durch seine Vielseitigkeit auf. Als Einziger neben Pomona Zipser zeigte er auch ein dreidimensionales Objekt – „Blues 1“. Davon war ich ebenso begeistert, wie von der handwerklichen Perfektion und technischen Raffinesse seiner Radierungen und Zeichnungen, Spannungsgeladen durch die Gegensätze von hellen und dunklen Flächen, von harten Kanten und weich schwingenden Linien von delikater Feinheit.


Teutsch hat einer solchen Wahrnehmung Vorschub geleistet, durch Äußerungen wie: „Bei der Arbeit ,denke‘ ich nicht viel, gehe eher wie ein Nachtwandler mit den Augen nach innen offen“, oder: „jene halbe Stunde des Tages gleich nach dem Sonnenuntergang. Nur dann ist für mich Kommunikation mit den Gegenständen möglich. Es sind die fruchtbarsten Augenblicke, wenn alles um mich zu ,wesen‘ beginnt, mich durchdringt. In dieser halben Stunde ,sehe‘ ich, und ,es kommt auf mich zu‘ – oder ,saugt mich an‘.“ Es sind Äußerungen, die nicht nur durch die Serie der sogenannten „Traumprotokolle“ der frühen 1980er bestätigt werden und ihn in die Nähe von Max Ernst und seiner écriture automatique – das automatische Hinschreiben, Hinmalen eines Künstlers, als arbeite er im Trancezustand – rücken. Andererseits hat er sich jeder Zuordnung zu einer Stilrichtung oder Kunstschule verweigert. Aber er hat sich mit jeder neuen Stilrichtung auseinandergesetzt, theoretisch wie auch praktisch: mit abstrakter Kunst, mit Konstruktivismus, Expressionismus, Surrealismus und phantastischem Realismus, mit Tachismus und sogar mit Popart. Aber nicht nur stilistisch zeigte er sich als extrem experimentierfreudig. Er war es auch in Bezug auf das Trägermaterial und auf die Materialien, aus denen er seine Kunstwerke formte, von weicher Textilfaser über Ton und Stein bis zu härtestem Stahl. Er war es erst recht in Bezug auf die Techniken, mit denen er seine Bildvorstellungen umsetzte, insbesondere die graphischen Techniken: Siebdruck, Aquaforte und Aquatinta und unterschiedlichste Radierung: Zinkblech- und Stahlradierung, Kaltnadel-Radierung und er entwickelte gar eine neue Technik, eine Art Ritzzeichnung auf getöntem Hochglanzkarton. All diese graphischen Techniken kombinierte er auch noch und führte sie in einem Werk ebenso zusammen, wie er darin unterschiedlichste Motive verband. Kaspar Lukas Teutsch brachte das zusammen, was man wohl noch nicht zusammen gesehen hat und öffnete damit den Blick für das, was sich jenseits des Offensichtlichen auftut. Ihm gelingt in seinen Werken die Symbiose seiner Wahrnehmung von Welt mit seiner Traumwelt. Es entstehen Konstellationen, die unerwartet sind, die überraschen, mitunter auch frappieren – aber nie schockieren. Dafür sind sie einfach zu maßvoll, im Bildaufbau zu ausgewogen, in der Farbgebung zu edel. Das und die Fähigkeit, Disparates zusammenzuführen und etwas Neues als überzeugende Einheit entstehen zu lassen, zeichnet den Künstler Kaspar Teutsch aus.
Eine fruchtbare innere Unruhe war wohl sein wichtigster Antrieb. Indem er sie ins Bild bannte, gelang es ihm, sie zu bändigen. Aber nicht gänzlich. Immer wieder brach sie sich Bahn und ließ den Künstler nicht nur an der Welt zweifeln, sondern auch sein Werk in Frage stellen. So auch beim Atelierbesuch von Brigitte Nussbächer-Stephani, als er vor dem Blatt „Quo vadis?“ resigniert sein Schaffen hinterfragte: „Das Bild ist dermaßen aktuell, auch heute noch, denn es ist der Zug nach Nirgendwo, und man weiß nicht, wohin die Reise schließlich geht – wie in einem meiner Gedichte: ,Die Schnellbahn rast / Nächsterhalt. Nächsterhalt. / Endstation.‘ Und so fragt man sich manchmal: Wen belastet man mit den Bildern eines Lebens…, wenn man eines Tages von dieser Welt gehen muss? Ich glaube, ich werde vorher ein großes Freudenfeuer machen…“
Das hat er zum Glück nicht gemacht. Der künstlerische Nachlass von Kaspar Lukas Teutsch geht an das Siebenbürgische Museum Gundelsheim. Und vielleicht haben wir demnächst dort Gelegenheit, eine Retrospektive zu sehen, die diesen Künstler und sein in 60 Jahren entstan¬denes Werk gebührend ehrt und hoffentlich von der längst fälligen Künstlermonographie begleitet wird.
Schlagwörter: Teutsch, Künstler, Kronstadt, Nachruf, Schuster
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