31. Dezember 2008

Emil Schmutzler: Weltweit einzigartigen Kunstschatz für die Öffentlichkeit erschlossen

Vor 75 Jahren erschien der bahnbrechende Kunstband „Altorientalische Teppiche in Sieben­bürgen“ des Kronstädters Emil Georg Schmutzler (1889-1952). Sein Lebenswerk wird im Folgenden vom Enkel Dr. George E. Schmutzler gewürdigt. Text und Fotos sind dem Band „Die Osmanischen Teppiche in Siebenbürgen“ entnommen, das der Herausgeber Stefan Ionescu seinem Vorgän­ger Schmutzler gewidmet hat. Das 2006 erschienene Buch wird am 18. Dezember mit dem George-Oprescu-Preis der Rumänischen Akademie in Bukarest ausgezeichnet. Die einzigartige Sammlung von Orientteppichen in evangelischen Kirchen in Siebenbürgen, die Schmutzler für die Öffentlichkeit erschlossen hat, ist hoch aktuell für Kunsthistoriker und Kulturpolitiker.
Emil Georg Schmutzler wurde am 30. April 1889 in Kronstadt als Jüngster von drei Brü­dern in eine Familie von Textilindustriellen ge­boren, in deren Besitz sich unter anderem die von seinem Großvater gegründete und für die Qualität ihrer Tuche und Wollstoffe weit über die Grenzen Rumäniens hinaus bekannte Tuch­fabrik Wilhelm Scherg & Co („Schergfabrik“) mit Sitz in Kronstadt befand. Der Familientra­dition folgend war es Emil Schmutzler wie auch seinem Bruder Richard vorbestimmt, nach der Ausbildung zu Textilfachleuten in den Familien­betrieb einzutreten und später dessen Leitung zu übernehmen.
Emil Schmutzler um 1933. ...
Emil Schmutzler um 1933.


Wie viele seiner Altersgenossen besuchte Emil Schmutzler zunächst das deutschsprachige Hon­terus-Gymnasium in seiner Geburtsstadt. Es ist nicht auszuschließen, dass er seine spätere Liebe zu orientalischen Teppichen der Tatsache verdankte, dass sich das Gymnasium in unmittelbarer Nähe der Schwarzen Kirche befand. Die­se, ein eindrucksvolles spätgotisches Bauwerk aus dem 13./14. Jahrhundert, beherbergt eine einmalige Sammlung alter anatolischer Teppi­che, die den Schülern des Gymnasiums zu jener Zeit frei zugänglich war. Vermutlich war es dieser erste Kontakt mit den wertvollen Expona­ten, der in Emil Schmutzler viele Jahre danach die Begeisterung für dieses Kulturerbe seiner Heimat entfachte.

Nach Abschluss des Gymnasiums ging Emil Schmutzler zum Studium nach Wien, Berlin und Aachen. Der Auslandsaufenthalt sollte aber nicht nur als Vorbereitung für seine zukünftige Aufgabe im Familienbetrieb dienen, sondern ihm auch Gelegenheit geben, die Menschen und die Kunst anderer Kulturkreise kennen zu lernen. Er beendete sein Studium an der Textilaka­demie in Aachen mit dem Erwerb des Diploms Textilkaufmann. Dort lernte er auch Erna Müller kennen, die er einige Jahre später in Kronstadt ehelichte.

In seine Heimatstadt zurückgekehrt, trat Emil Schmutzler wie vorbestimmt in den Familienbe­trieb ein, um sich auf seine zukünftige Aufgabe als Mitglied der Geschäftsleitung vorzubereiten. Das Unternehmen florierte und forderte den vollen Einsatz. Dennoch fand Emil Schmutzler Zeit, sich neben seiner jungen Familie auch seinen persönlichen Interessen und Neigungen zu widmen. Und deren waren es nicht wenige: Am Schneckenberg, etwas oberhalb der Tuchfabrik, ließ er für sich und seine Famile eine repräsentative Villa bauen. Dann erwarb er einen historischen Landsitz in Olteni, einer Ortschaft etwa 30 km von Kronstadt entfernt. Die dazugehörigen Ländereien erlaubten es ihm, auch einer sei­ner Leidenschaften, der Zucht von Reitpferden, nachzugehen. Beide Häuser stattete er mit kostbaren antiken Möbeln und orientalischen Teppi­chen aus, die er mit großem Kunstverstand zu­sammentrug. Darunter befanden sich auch echte Siebenbürger-Teppiche, die Emil Schmutzler aus den umliegenden sächsischen Dörfern zum Kauf angeboten wurden, nachdem sich seine Sammlerleidenschaft herumgesprochen hatte.

Es gelang ihm, bis 1944 etwa 15 bis 20 dieser Teppiche anzuschaffen, einschließlich einiger Fragmente. Vielfach kamen deren Muster und Farben aber erst zum Vorschein, nachdem sie sorgfältig gereinigt und restauriert worden wa­ren. Sie wurden von den Vorbesitzern in Un­kenntnis ihrer wahren Bedeutung im Haushalt als Gebrauchstextilien missbraucht oder waren auf Dachböden in Vergessenheit geraten.

Einige dieser Exemplare hat Emil Schmutzler in sein bahnbrechendes Werk Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen im Jahr 1933 aufgenommen und sie so unbewusst zumindest bildhaft für spätere Generationen gerettet. Als näm­lich 1944 die USA die „Schergfabrik“ unter Beschuss nahm, wurde versehentlich die nahe gelegene Villa von Emil Schmutzler getroffen. Dabei wurde auch nahezu die gesamte Teppich­sammlung, die für den Abtransport ins sicherere Olteni bereitlag, unwiederbringlich zerstört. Dasselbe Schicksal erlitt auch eine nicht be­kannte Anzahl seines Buches.
Siebenbürger Säulenteppich, Westanatolien, Zweite ...
Siebenbürger Säulenteppich, Westanatolien, Zweite Hälfte 17. Jh., 140 x 203 cm. Abbildung nach Schmutzler 1933, Tafel 29.


Die Entwicklung Rumäniens nach dem Kriege vorausahnend, hatte Emil Schmutzler allerdings schon vorher acht Exemplare seiner Sammlung in Sicherheit gebracht. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs befanden sich diese bereits auf dem Wege nach Schweden und konnten so für seine Nachkommen in natura gerettet werden.

Zu Lebzeiten hat sich Schmutzler aber nicht nur seiner Aufgabe in der Tuchfabrik, seiner Fa­milie und seinen privaten Interessen und Hobbys gewidmet. Er begleitete darüber hinaus mit sozi­alem Verantwortungsbewusstsein und beträchtlichen Geldmitteln viele Gemeinschaftsprojekte in Kronstadt und Olteni und erwarb sich insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung des kulturellen Erbes seiner Heimat sowie der Kunst des Farbdruckes große Verdienste.

Diese sind auf seine Idee zurückzuführen, die in den sächsischen Kirchen Siebenbürgens hängenden seltenen osmanischen Teppiche systematisch zu erforschen, zu katalogisieren und einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen. Er wurde dabei vom damaligen Bischof der Evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbür­gen, Dr. Victor Glondys, einem Freund der Familie Schmutzler, tatkräftig unterstützt. Diese Bekanntschaft und die gemeinsame Begeiste­rung für die Siebenbürger-Teppiche half Emil Schmutzler, den Zugang zu den Pfarreien und damit zu den sorgsam gehüteten Schätzen zu finden, was erst das Entstehen seines monumentalen Werkes „Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen“ ermöglichte.

Der Kunstband erschien 1933 in Leipzig bei Karl W. Hirsemann und sollte für Generationen von Teppichexperten und Sammlern die bedeutendste Referenzquelle für die Gattung Sieben­bürger-Teppiche bleiben. Auch drucktechnisch bezeichnete das Werk einen Wendepunkt, war es doch eine der ersten Auflagen überhaupt, bei denen es gelang, chromatisch komplexe Kunst­werke wie Teppiche mittels der noch relativ jun­gen Farbdrucktechnik in bis dahin unerreichter Farbqualität wiederzugeben. Um sein Projekt zu verwirklichen, brachte Emil Schmutzler auch bedeutende eigene Geldmittel auf. So ließ er die zu reproduzierenden Teppiche auf eigene Rech­nung reinigen, gegen weiteren Verfall behandeln und zum Ablichten nach Wien transportieren. In Wien wurden auch die Klischees für den Druck angefertigt. Die auf 325 Stück limitierte Auflage des aufwendig gestalteten Buches hatte jedoch keinerlei kommerziellen Hintergrund. Sie legt vielmehr Zeugnis ab für den Mäzen Emil Schmutzler und ist Ausdruck seines Willens, das kunsthistorisch bedeutende Erbe seiner Hei­mat, die Siebenbürger-Teppiche, für die Nachwelt zu dokumentieren.

Leider hat die Entwicklung in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg Emil Schmutzler all dessen beraubt, was er mit Begeisterung, Verant­wortungsgefühl und Sachverstand geschaffen hatte. Was nicht durch Bomben zerstört wurde, wurde enteignet oder musste verschleudert wer­den, um ihm und seiner Frau das schlichte Über­leben zu sichern. Schließlich musste auch er das Schicksal vieler Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien teilen und sich der von den neuen moskautreuen Machthabern angeordneten Zwangsumsiedlung nach Covasna, ein abseits gelegenes Dorf, beugen. Schwer erkrankt, verarmt und gebrochen starb Emil Schmutzler dort im Jahre 1952.

Dr. George E. Schmutzler

Schlagwörter: Kunst, Orientteppiche

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